Montag, 18. Februar 2019

ADHS Forschung zeigt: es gibt keine spezifischen Gene

Die Konferenz ADHS kritisiert die Behauptung, ADHS sei primär genetisch bedingt. Neue Forschungsergebnisse aus der Epi- und Molekulargenetik weisen auf komplexe Wechselwirkungen mit starken psychosozialen Kontexteffekten hin.

Bereits vor einigen Jahren hat der amerikanische Forscher Jay Joseph herausgefunden, dass die Verhaltensgenetik bei ADHS keine Aussage über Genetik versus Umwelt zulässt. Alle Beobachtungen lassen sich auch vollständig durch nicht-genetische Einflüsse erklären. Joseph resümiert: „Wir können nicht erwarten, dass die führenden Verhaltensgenetiker eingestehen, dass die Grundannahmen ihres Forschungsgebiets falsch sind, dass ihre hochgelobten Forschungsmethoden massiv fehlerhaft und durch Umwelteinflüsse konfundiert sind, und dass familiäre, soziale, kulturelle, ökonomische und politische Einflüsse es sind, - und nicht genetische-, die psychiatrische Störungen und die Variation menschlichen Verhaltens hauptsächlich begründen“.

Dem lässt sich bis heute auch für die Molekulargenetik nichts hinzufügen. Von ihr erhoffte man sich eine Überwindung der Methodenschwäche der Verhaltensgenetik. Bobb u.a. haben 2004 alle über 100 Forschungsstudien zur molekularen Genetik der ADHS der Jahre 1991-2004 kritisch gesichtet, darunter drei genomweite Assoziationsstudien mit 94 Polymorphismen und 33 Kandidatengenen.
Sie finden, dass ADHS eine sehr "komplexe" Störung mit vielfältiger, aber jeweils schwacher genetischer Beteiligung sei, und fassen dann zusammen, dass es nur für vier Gene einigermaßen gesicherte, aber nur bescheidene und auch nur statistische Zusammenhänge gibt. 64 % aller Genstudien zu ADHS waren in 13 Forschungsjahren ergebnislos geblieben.

mehr:
- ADHS Forschung zeigt: es gibt keine spezifischen Gene (Pressemitteilung, konferenz-adhs.org, 18.02.2019)
siehe auch:
ADHS und die Suche nach dem Heiligen Gral (Stephan Schleim, scilogs.spektrum.de, 06.08.2017)
Bildquelle: obiger Artikel

Ritalin und dessen Langzeitfolgen im Gehirn | Methylphenidat bei ADHS / ADS Wirkung & Nebenwirkungen {12:36}

DoktorWeigl
Am 18.03.2018 veröffentlicht 
Nachlesen über Ritalin in meinem Blog ▶ https://bit.ly/Ritalin_Blog
und über Wachmacher Modafinil schreibe ich hier ▶ https://bit.ly/Modafinil_Blog
Ritalin ist ein sehr häufig genommenenes Medikament bei ADHS aber auch zur Leistungssteigerung. Es gibt nur sehr wenige Untersuchungen bzgl. des Langzeiteffektes, doch die die es gibt zeigen, dass es womöglich zu negativen Veränderungen im Hirnstoffwechsel kommen kann.
ADHS ist das sog. Zappel-Philipp-Syndrom und sollte immer multimodal behandelt werden. Medikamente wie der Wirkstoff Methylphenidat sind nur ein Baustein der Therapie.
Was bewirkt Ritalin?
1. Hyperaktivität lässt nach
2. Betroffene(r) wird ruhiger
3. Zunahme der Aufmerksamkeit
4. Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses
Darreichungsformen:
Ritalin: eine Ritalintablette enthält 10 mg Methylphenidat. Eine Packung Ritalin gibt es entweder mit 30 oder 200 Tabletten. Ritalin SR: es handelt sich um ein Retardmedikament; der Wirkstoff wird langsamer freigesetzt (SR = sustained released). Ritalin SR enthält 20 mg Methylphenidat. Eine Packung besteht aus 100 Kapseln.
Ritalin LA: ist eine langwirksame Variante (LA = long acting); wird nur einmal pro Tag eingenommen. Enthält entweder 10, 20, 30 oder 40 mg Methylphenidat. Eine Packung Ritalin LA besteht aus 30 oder 100 Kapseln.
Nebenwirkungen von Methylphenidat:
1. Nervosität, Erregung, Reizbarkeit, abnormales Verhalten
2. Schlaflosigkeit und Einschlafstörungen
Einschlafstörungen lassen sich durch die Reboundeffekte am Abend erklären. Diese klingen im Verlauf der ersten Wochen jedoch ab. 3. Verringerung des Appetites
Verliert sich jedoch in vielen Fällen wieder nach einigen Monaten. Mögliche Abhilfe kann dadurch geschaffen werden, dass die Hauptmahlzeit auf den Abend verlegt wird (wenn die Wirkung des Medikaments nachlässt.
4. Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen
Meist zu Beginn der Behandlung
5. Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen
6. Schwindel, Kopfschmerzen
7. Und weitere…siehe Packungsbeilage
▬ Über diesen Kanal ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬
Mit „Video-Visite Dr. Weigl“ haben Sie den aktuellen und medizinisch-wissenschaftlichen Kanal gefunden, der Themen rund um die Bereiche, #Schmerzen, #Medizin und #Gesundheit verständlich aber basierend auf Fakten, Richtlinien und Studien beschreibt. Ich biete Ihnen wöchentlich neue Beiträge und neue Tipps, um Krankheiten und Schmerz besser zu verstehen - Wissen für Ihre Gesundheit.
Jeden Mittwoch lade ich ein Video aus meiner Serie "Aufgeklärt & Dialog" hoch. Jeden Sonntag lade ich ein Video aus meiner Serie "Lexikon & Wissen" hoch.
▬ Noch mehr Videos ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬
Modafinil - Der Wachmacher und Doping fürs Gehirn: https://bit.ly/Modafinil_Video
ADHS durch Paracetamol in der Schwangerschaft?: https://bit.ly/ParacetamolADHS_Video
Benzodiazepine: Fühlen Sie sich aufgeklärt über den Nutzen & Ddie Gefahren durch diese Medikamente?:
https://bit.ly/AbhängigkeitBenzodiaze...
Stark-wirksame Opioide wie Hydromorphon, Morphin, Fentanyl und Oxycodon: https://bit.ly/StarkeOpiate_Video
Fentanyl - Droge und Schmerzmedikament: https://bit.ly/Fentanyl_Video
▬ Empfohlene Literatur ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬
Muskelzucken - Habe ich ALS? Gründe für sog. Faszikulationen: https://bit.ly/Muskelzucken_Blog
Bauchschmerzen links - Welche Ursachen können es sein?: https://bit.ly/BauchschmerzenLinks_Blog
Langsamer Puls - Symptome & Was tun?: https://bit.ly/LangsamerPuls_Blog
Herzstechen bzw. Stechen im Herzen - Diagnose & Therapie: https://bit.ly/Herzstechen_Blog
Schmerzen im Hinterkopf - Mögliche Ursachen: https://bit.ly/SchmerzenHinterkopf_Blog
▬ Quellenangaben ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬
Rossaint et al. 2012: Die Anästhesiologie
Aktories und Förstermann, 2009: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie
Herdegen, Kurzlehrbuch Pharmakologie, 2013
Auf die folgenden Studien beziehe ich mich:
1. http://journals.plos.org/plosone/arti...
2. http://journals.plos.org/plosone/arti...
3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2...
▬ Social Media ▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬▬
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ADHS in Deutschland: Trends in Diagnose und medikamentöser Therapie (Bachmann, Christian J.; Philipsen, Alexandra; Hoffmann, Falk, Aerzteblattd.e, Dtsch Arztebl Int 2017; 114(9): 141-8; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0141)
Ist die Psychopharmakologie verrückt geworden? – Kapitalismus-infizierte Wissenschaft (Post, 31.01.2016)
Ritalin und Co. – Verbrauch von ADHS-Arzneien nimmt erstmals ab (SPON, 01.04.2014)
Warum so viele Kinder in Deutschland ADHS haben (Freia Peters, Welt, 04.02.2013)

ADHS ist keine Störung - komplett {7:02 – Start bei 0:14}

M. Molli
Am 14.02.2013 veröffentlicht 
heute journal vom 29.01.13

ADHS: Wie das Syndrom entsteht und wie es therapiert werden kann {5:00}

HNA
Am 09.07.2012 veröffentlicht 
http://www.youtube.com/hnaonline - ADHS ist die Abkürzung für eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. Dass sie keine Modediagnose, sondern eine ernst zu nehmende psychische Erkrankung ist, das sagt in diesem Gesundheitsvideo Facharzt Prof. Dr. Martin Ohlmeier aus Kassel. Er erklärt, was die Ursachen und Folgen von ADHS sind und wie diese Störung therapiert werden kann.

- ADHS im Erwachsenenalter – Leitlinien auf der Basis eines Expertenkonsensus mit Unterstützung der DGPPN (Ebert, Krause, Roth-Sackenheim, Der Nervenarzt 10, 2003 – PDF)
American Medical Association:
„ADHS ist eine der am besten erforschten Erkrankungen in der Medizin und die Daten zu ihrer Validität sind umfassender als für die meisten anderen psychischen Erkrankungen.“
Goldman et al., JAMA 1998
[ADHS bei Suchterkrankungen – Diagnostik und Behandlung, Martin Ohlmeier, FACHTAGUNG im Therapiehof Sotterhausen am 27.09.2017, PP-Präsentation, Folie 5 – PDF]
Preisfrage:
Was schlußfolgern wir daraus?

Freitag, 15. Februar 2019

Die Rache der Nerds

Sie ernähren sich von kalter Pizza, stehen auf Rollenspiele und haben schon in der Schule kein Mädchen abgekriegt - so viel zum Klischee. Dabei hätten Nerds einiges zu bieten. Zum Beispiel Antworten auf die Fragen von morgen.

- Spätabends in einer Münchener Bar. Auf der Bühne steht ein DJ der besonderen Art. Statt Hip-Hop legt er Powerpoint-Folien mit komplizierten geometrischen Zeichnungen auf. Das Thema rockt: "Nikolaus Cusanus und das Problem der Kreisquadratur."

Dieser Cusanus lebte im 15. Jahrhundert, war Bischof, Philosoph und Mathematiker. Ein großer Geist, der sich am liebsten in Rätsel versenkte. Mit mathematischen Argumenten suchte er etwa zu beweisen, dass das menschliche Denken nicht ausreicht, um die Unendlichkeit Gottes zu fassen. Heute wäre Cusanus wahrscheinlich nicht bei der Kirche, sondern an irgendeiner Uni, bei Google oder Microsoft. "Ein Ur-Nerd", sagt Marco Böhlandt, der Vortragende, von Beruf Wissenschaftshistoriker an der Ludwig-Maximilians-Universität.

Gut hundert Leute sind zur "Nerd Nite" in die Schwabinger Bar "Die Repüblik" gekommen. Eingeladen via Facebook und Twitter, natürlich. Viele Studenten, ein paar Interessierte aus der Nachbarschaft, mehrheitlich Männer. Man trinkt, man diskutiert, man lacht. Ein älterer Typ mit Rauschebart und Nickelbrille meldet sich zu Wort, um schnell mal was über "platonische Körper" zu extemporieren. Ein paar schräge Vögel gehören bei der Nerd Nite dazu.

mehr:
- Die Rache der Nerds (Thomas Vasek, BrandEins, 2010)
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Auf dem Weg zu Freud: Hippolyte Bernheim (1840 bis 1919):

Der französische Arzt und Hypnoseforscher Hippolyte Bernheim schuf mit seiner Suggestionslehre Grundlagen für die moderne Psychotherapie und Psychoanalyse. Sigmund Freud erhielt von ihm wesentliche Anregungen. Er starb vor 100 Jahren.

Seit den Anfängen der Medizin war die Krankenbehandlung in die Bereiche Chirurgie, Innere Medizin und Arzneimittellehre sowie eine Art Psychotherapie unterteilt. Letztere meinte ärztlichen Rat und Verhaltensregeln für die Kranken. Vorstellungen von Wechselwirkungen zwischen dem einzelnen Menschen und seiner Umwelt einschließlich der Gestirne waren Teil des magischen, astrologischen und alchemistischen Denkens. So findet sich in der Imaginationslehre des Paracelsus die Annahme, die Verzweiflung des Menschen könne die Pest hervorrufen. Diese Vorstellung griff der romantische Arztdichter Justinus Kerner auf, als er im frühen 19. Jahrhundert von der „geängstigten Imagination“ sprach, mittels deren man sich dämonische Krankheiten wie Pest und Cholera zuziehen könne; der „produktiven Imagination“ schrieb er heilende Wirkung zu. Ende des 18. Jahrhunderts wandte der Arzt Johann Christian Reil sich der „Irrenheilkunde“ und der „psychischen Kur“ zu. Psychotherapie als speziellen medizinischen Begriff führte jedoch der französische Arzt Hippolyte Bernheim ein. Mit seiner Suggestionslehre schuf er „die Grundlage für die moderne Psychotherapie und Psychoanalyse“ (Schott/Tölle). Sigmund Freud erhielt von ihm wesentliche Anregungen.

Gründung der Neuropathologie

1840 wird Bernheim in Mulhouse/Elsaß geboren. Er studiert in Straßburg und wird 1867 zum Doktor der Medizin promoviert. Danach arbeitet er als Lektor an der Universität und als Psychiater in eigener Praxis.

Mit Beginn der Neuzeit widmete sich die anatomische und physiologische Forschung zunehmend dem Gehirn und Nervensystem. Der schottische Arzt William Cullen (1710 bis 1790) begründete eine Neuropathologie, die alle Krankheiten direkt oder indirekt als Erkrankungen des Nervensystems auffasste. Dabei prägte er auch den Begriff „Neurose“. Seit der Antike sah man die Gebärmutter als Quelle zahlreicher Frauenkrankheiten an. Zwar erklärte der englische Anatom Thomas Willis die Hysterie im 17. Jahrhundert zur Hirnkrankheit, doch auch Cullen beschrieb den klassischen hysterischen Anfall noch als Affektion der Gebärmutter.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts interessiert sich der französische Neurologe Jean Marie Charcot für die Beschwerden der Hysterischen. Eine körperlich fassbare Ursache für ihre Leiden findet er nicht. Daher postuliert er für die Entstehung der Hysterie psychische Faktoren wie „wiederholte Schrecken“ und „Erinnerungen an Aufregungen aus der Jugend“. Berühmt sind seine Demonstrationen hysterischer Anfälle unter Hypnose. Dabei sieht er Hypnose als Symptom der Hysterie und ist der Ansicht, dass nur Hysterische hypnotisiert werden können. Den großen Anfall („grande hysterie“) unterteilt er in vier Phasen, die jedoch nicht alle vorhanden sein müssen.


Suggestion und Heilwirkung

Kritiker sehen in seinen Demonstrationen lediglich Akte der Dressur, welche nichts beweisen. Zu ihnen gehört Hippolyte Bernheim. Er verehrt Charcot als seinen „ausgezeichneten Lehrer“, doch folgen mag er ihm hier nicht. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg zieht er nach Nancy, wo er 1879 Professor für Innere Medizin wird. Vom Landarzt Auguste Liébault lernt er eine bestimmte Methode des Hypnotisierens: „Die Methode Liébaults besteht darin, wenn der Patient eingeschlafen ist, mit lauter Stimme vor ihm das Aufhören der Symptome, welche er verspürt, zu behaupten. (…) Im Jahre 1882 begann ich zunächst ohne alles Zutrauen schüchtern Versuche mit der suggestiven Therapie zu machen (…) Heute ist diese Methode auf meiner Klinik gang und gäbe, (…) und es vergeht vielleicht kein Tag, an dem ich (…) nicht zeigen kann, wie irgend eine functionelle Störung, ein Schmerz, eine Muskelschwäche, eine unangenehme Empfindung, Schlaflosigkeit etc. durch dieselbe augenblicklich behoben oder gemildert wird“, schreibt er in seinem Buch „Die Suggestion und ihre Heilwirkung“. Klar ist für ihn, dass Hypnose kein Krankheitssymptom ist und dass nicht nur Hysterische hypnotisiert werden können: „Es muss mit aller Entschiedenheit gesagt werden: Der hypnotische Schlaf ist kein pathologischer Zustand. Der Hypnotismus ist keine Neurose analog der Hysterie. (…) Die angeblichen physischen Phänomene der Hypnose sind nichts Anderes als psychische Phänomene; die Katalepsie, der Transfert, die Contracturen sind nichts als Wirkungen der Suggestion. (…) Der Schlaf ist selbst nur Wirkung einer Suggestion.“

Während Bernheim alle hypnotischen Phänomene als rein psychische Erscheinungen ansieht, postulieren Charcot und andere, wenigstens zum Teil, physiologische Veränderungen. In seiner Vorrede zu Bernheims Buch versucht der Übersetzer Freud, die Auseinandersetzung durch eine Definition der Suggestion zu entschärfen. Gegen den „schwankenden und vieldeutigen Gebrauch“ des Wortes fasst er Suggestion als eine Art der psychischen Beeinflussung. Im Unterschied zu anderen Arten der Beeinflussung, etwa „Befehl, Mitteilung oder Belehrung“ sei sie dadurch gekennzeichnet, „dass bei ihr in einem zweiten Gehirn eine Vorstellung erweckt wird, welche nicht auf ihre Herkunft geprüft, sondern so angenommen wird, als ob sie in diesem Gehirne spontan entstanden wäre.“ Ähnlich definiert Bernheim Suggestion als einen „Vorgang, durch welchen eine Vorstellung in das Gehirn eingeführt und von ihm angenommen wird“. Hypnotisieren lässt sich nur, wer daran glaubt: „Man darf sagen: Niemand kann hypnotisiert werden, der nicht daran glaubt, dass er hypnotisiert werden wird (...).“ Dabei besteht „die Aufgabe der hypnotischen Therapie (...) also darin, diesen besonderen psychischen Zustand durch den Hypnotismus hervorzurufen und die so künstlich herbeigeführte Steigerung der Suggerirbarkeit (sic!) zu Zwecken der Heilung oder Linderung von Leiden auszubeuten“. Im Unterschied zu Charcot widmen Liébault und Bernheim sich dem gesamten Spektrum funktioneller Störungen. Neben „hysterischen Affectionen“, die praktisch kaum eine Rolle spielen, behandeln sie Neurosen bei „organischen Erkrankungen des Nervensystems“, Neuropathien, „functionelle Lähmungen“, „Affectionen der Verdauungsorgane“, Schmerzen, „rheumatische Affectionen“ und Menstruationsbeschwerden. Klar ist für Bernheim: „Der menschliche Geist ist eine grosse Macht, und der Arzt, der heilen will, soll sich dieser Macht bedienen.“ Ziel der Psychotherapie ist es demnach, „den Geist eingreifen zu lassen, um den Körper zu heilen“. Mittel der Wahl bei der suggestiven Therapie ist das Wort. Manchmal müsse man alle Künste der Überredung anwenden, denn „im Schlafen wie im Wachen behält jeder Mensch seine psychische Individualität mit all den Eigenthümlichkeiten seines Charakters (…) bei“.

mehr:
- Hippolyte Bernheim (1840 bis 1919): Wegbereiter der Psychotherapie (Christoph Goddemeier, aerzteblatt.de, Februar 2019, S. 74)
siehe auch:
Auf dem Weg zu Freud: Ribots Assoziationspsychologie und Charcots Hysteriker (Post, 21.12.2011)
Zur Soziologie der Psychoanalyse (Post, 06.04.2008)
- Thomas Szas – Es gibt keine Geisteskrankheit (Post, 01.01.1995)
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Mittwoch, 13. Februar 2019

Psychoneuroimmunologie und Placebo: Der Schein wirkt!

Die Psychoneuroimmunologie (PNI) oder Psychoimmunologie ist ein interdisziplinäres Forschungsgebiet, das sich mit der Wechselwirkung der Psyche, des Nervensystems und des Immunsystems beschäftigt. Ein Nachbargebiet ist die Psychoneuroendokrinologie, das außerdem die Wechselwirkungen des Hormonsystems mit einbezieht.
Das Forschungsgebiet wurde etabliert, nachdem der amerikanische Psychologe Robert Ader (1932–2011) 1974 experimentell nachwies,[1] dass das Immunsystem mit dem zentralen Nervensystem zusammenarbeitet und lernen kann. Seitdem ist es zu einem der bedeutendsten Gebiete moderner medizinischer Forschung geworden.[2]
Eine Grundlage ist die Erkenntnis, dass Botenstoffe des Nervensystems auf das Immunsystem und Botenstoffe des Immunsystems auf das Nervensystem wirken. Schnittstellen der Regelkreise sind das Gehirn mit der Hirnanhangdrüse, die Nebennieren und die Immunzellen. Beispielsweise besitzen Neuropeptide die Eigenschaft, an Immunzellen anzudocken und z. B. sowohl die Geschwindigkeit als auch die Bewegungsrichtung von Makrophagen zu beeinflussen.
Durch diese Grundlage werden Erklärungen möglich, warum psychologische und psychotherapeutische Prozesse sich nachweisbar auf körperliche Funktionen auswirken (Psychosomatik). Im Mittelpunkt steht die Wirkung der Psyche auf das Immunsystem, z. B. warum Stress Immunfaktoren negativ beeinflussen kann.
[Psychoneuroimmunologie, Wikipedia, abgerufen am 13.02.2019]

1975 entdeckte der US-amerikanische Psychologe Robert Ader zusammen mit dem Immunologen Nicholas Cohen von der University of Rochester (US-Bundesstaat New York) die klassisch-konditionierte immunsuppressive Wirkung von Cyclophosphamid.[1] Ihre Arbeit kann als die Geburtsstunde der PNI angesehen werden. Etwa zur gleichen Zeit berichteten Hugo BesedovskyAdriana der Rey und Ernst Sorkin multidirektionale Interaktionen zwischen Immun- Nerven- und endokrinem System und zeigten, dass nicht nur das Gehirn Immunprozesse steuert, sondern auch umgekehrt Immunreaktionen neuroendokrine Mechanismen beeinflussen können[5][6][7]. Sie identifizierten auch Immunzellenprodukte, später Zytokine genannt, die Kommunikation zwischen Immunsystem und Gehirn vermitteln.[7] [8]
[Psychoneuroimmunologie, Geschichte, 3. Absatz, Wikipedia, abgerufen am 13.02.2019]
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Die Effekte von Scheinmedikamenten beruhen nicht auf Einbildung. Vielmehr lassen sie sich anhand der Hirnaktivität objektiv nachweisen – und gezielt beeinflussen.

In den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs ging Henry Beecher das Morphin aus. Der Chirurg in Diensten der US-Army war allerdings gerade dabei, einen schwer verwundeten Soldaten zu versorgen. Beecher befürchtete, eine Operation ohne den Schmerzblocker würde bei dem GI einen Kreislaufschock auslösen. Kurzerhand zog die assistierende Krankenschwester eine Spritze auf und verabreichte sie dem Patienten. Statt Morphin enthielt sie jedoch nur Kochsalzlösung. Was folgte, erstaunte Beecher zutiefst. Der Soldat beruhigte sich, ganz so, als hätte er eine Morphininjektion erhalten. Beecher operierte ihn und nähte die Wunde wieder zu. Währenddessen verspürte der Patient unglaublicherweise offenbar kaum Schmerzen. Nach Kriegsende nahm Beecher das Phänomen näher unter die Lupe und wurde so zu einem Pionier der Placeboforschung.

Inzwischen gehört es zum Standardwissen in der Medizin, dass schon die Erwartung einer Behandlung oft heilsame Wirkung hat. Um zu prüfen, ob ein Medikament wirklich tut, was es soll, vergleicht man es daher mit einem Scheinpräparat statt mit gar keiner Behandlung. »Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wirkung von medizinischen Behandlungen geht auf Placeboeffekte zurück«, sagt der Psychologe Winfried Rief von der Philipps-Universität in Marburg. »In klinischen Studien zeigen Placebogruppen teils 50 bis 60 Prozent der Wirkung, die in der Gruppe mit echter Behandlung auftritt.« Dabei variiert der Placeboeffekt je nach Erkrankungsart und Behandlung jedoch stark. Kleinigkeiten machen oft den Unterschied: Rote Tabletten sind effektiver als blaue, vier Pillen wirkungsvoller als zwei, und ein vermeintlich teures Placebo hilft besser als ein billiges Mittel.

mehr:
- Wie Placebos wirken (Christian Wolf, Spektrum, 09.02.2018)
siehe auch:
Studie – Auch offen verabreichte Placebos können offenbar helfen (bma/dpa, SPON, 01.10.2017)
Placebo – Die beeindruckende Selbstheilungskraft unseres Körpers (Hanspeter Ricklin, Hypnosepraxis, 20.12.2016)
Der Placeboeffekt – die Kraft positiver Erwartungen (Mathias Holdorf, Ubermind, 28.06.2016)
Faszinierende Psychoneuroimmunologie (mamazoneMAG, Dezember 2015 – PDF)
Vom Blick aufs Negative und ewigen Glückspilzen (Post, 28.09.2012)
Placebo – Und es wirkt doch (Hildegard Tischer, Pharmazeutische Zeitung, 12.07.2010)
- Psychoneuroimmunologie (Silja Bellingrath, Foliensammlung Biopsychologie-Seminar, WS 2007/08)
Placebo – Warum der Schein besser wirkt als nichts (Jörg Auf dem Hövel, Welt, 11.07.2008 – Zitat:)
Schon 1985 war man der Bedeutungserteilung bei der Medikamentenvergabe auf der Spur. Ein Team um Richard Gracely nahm sich einige Patienten vor, denen die Weisheitszähne entfernt worden waren. In einer Doppelblindstudie konnten diese daraufhin einen Placebo, ein Schmerzmittel (Fentanyl) oder sogar einen Schmerzblockadehemmer erhalten. Der Clou: Einer Hälfte der beteiligten Ärzte wurde erzählt, es gäbe ein technisches Problem, daher würden die Patienten kein Fentanyl erhalten können. Diese Finte führte in der Placebo-Gruppe zu einer denkwürdigen Konsequenz: Obwohl ihnen von den Ärzten nichts über die vermeintlich technischen Probleme mitgeteilt wurde, stieg die Schmerzstillung bei denjenigen Placebo-Patienten erheblich, deren Ärzte daran glaubten, sie könnten Fentanyl injiziert bekommen. Eine der besten Erklärungen für dieses Phänomen ist: Die Ärzte haben ihr Wissen um die mögliche Schmerzmittelinjektion nonverbal an die Patienten kommuniziert.
zur Gracely-Doppelblindstudie siehe auch: 
Heilung durch Anwesenheit, Jörg auf dem Hövel, Telepolis, 01.07.2008
Wie glaubwürdig könntet ihr Placebos anwenden? (physiomeetsscience.com, 05.09.2016) 
Nonverbale Bedeutungserteilung (in: Martina Schmidt-Tanger,  Charisma-Coaching: Von der Ausstrahlungs- zur Anziehungskraft, Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, 2. Aufl. 2010, S. 41, 05.09.2016 – GoogleBooks) 

- Psychoneuroimmunologie – Stress erhöht Infektanfälligkeit (Siegfried Hoc, Dt. Ärzteblatt PP, Heft 1, S. 83 – PDF)
Fallberichte:
- Placebo in der Medizin (Gröbert-Seminare, Werbeflyer, PDF)
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SCOBEL - Heile Dich Selbst, Psychoneuroimmunologie {58:26}

Quantum Healing
Am 23.02.2018 veröffentlicht 
Mit Hilfe der Psychoneuroimmunologie konnte erstmals nachgewiesen werden, dass akute psychische Belastungen die Immunfunktion beeinträchtigen und sogar schwere Erkrankungen hervorrufen.
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Am 23.02.2018 veröffentlicht 
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Dienstag, 5. Februar 2019

Keine Lust mehr auf Beziehung?

Der Grund für die wachsende Asexualität inmitten allgegenwärtiger Pornografie ist offen
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Japan und Südkorea scheinen Pioniere in der Veränderung der Lebensweise zu sein, was Sexualität und Partnerschaft angeht. Die Menschen werden asexuell und haben keine Lust mehr auf Partnerschaften (Sex ist Mühsal). Ein Trend der schon längere Zeit anhält. Japans Nationales Institut für Bevölkerungswissenschaft und Soziale Sicherheit sprach 2016 schon von endemischer Sexlosigkeit, betroffen ist vor allem die jüngere Generation, die körperlichen Sex und körperliche Nähe oder zumindest den Paarungsmarkt mit seinen Anforderungen mehr zu scheuen scheint und vielleicht auf der Suche nach etwas anderem ist. Ob dazu auch Warnungen von Wissenschaftlern passen, dass die Zahl und Qualität der Spermien zunehmend abnimmt?

In beiden Ländern wird allerdings nur, beängstigt durch den Rückgang der Geburtenrate (Südkorea: 0,95) und die daraus folgende Vergreisung, seit Jahren regelmäßig die Bevölkerung gefragt, wie es mit ihrem Sexualleben aussieht. Das könnte in anderen Ländern vielleicht nicht so viel anders aussehen, auch wenn in verschiedenen Kulturen die Antworten anders ausfallen mögen, als es in der Realität der Fall ist. Was die Lage in den USA betrifft, hatte der Atlantic im Dezember 2018 von einer zunehmenden "Sex Recession" gesprochen. Es scheint jedenfalls diesen Trend auch anderswo zu geben, Single bleiben und sich nicht binden zu wollen, auch der Anteil der Asexuellen steigt, während oder weil die Sex-Roboter auf den Markt kommen und den menschlichen Partner verdrängen und Porno weiter boomt, der möglicherweise auch weniger anregend ist, sondern zunehmend als Ersatz für zwischenmenschliche Sexualität dient.

mehr:
- Keine Lust auf Heiraten, nicht einmal auf Dating (Florian Rötzer, Telepolis, 05.02.2019 – man genieße auch die Kommentare!)
Mein Kommentar:
Ich hab’ da so ’ne Idee:
Jürgen von der Lippe - Kommunikation zwischen Mann und Frau {11:48}

Jürgen von der Lippe
Am 03.09.2018 veröffentlicht 
Jürgen von der Lippe - Kommunikation zwischen Mann und Frau - aus dem Bühnenprogramm "Alles was ich liebe".

Montag, 4. Februar 2019

Wenn du dir deines Atems bewusst bist, ist jeder Zustand deines Geistes einfach in Ordnung

Meditation hat nichts mit Flucht zu tun?
Ganz richtig, in der Meditation geht es darum, sich zu stellen und bei dem zu bleiben, was ist. Natürlich ist das am Anfang ziemlich unangenehm und auch nicht einfach. Aber dann verstehst du, dass du eigentlich gar nicht so schlecht bist. Auch die eine tatsächliche Situation ist nicht so schlecht wie das, was du vorher vielleicht erwartet hast. Wenn du etwas wirklich betrachtest und es dir gegenüberstellst, ist es nicht mächtig. Was auch immer für „schlechte“ Dinge erscheinen – sie sind nicht mächtig. Jenseits der Konzepte gibt es Bewusstsein, Mitgefühl, Liebe, Fähigkeiten, Raum und viel Weisheit. Aber normalerweise wissen wir nicht, wie wir uns mit unserem wahren Herzen verbinden sollen, mit der Grundnatur unseres Geistes. Meditation ist keine Flucht – es ist nicht so, als würde man dabei die eigenen Gedanken ignorieren, die eigenen Emotionen abstreiten, den Stress leugnen oder ihm nur zu entkommen versuchen, so ist es nicht.
Es ist die Suche nach der Wurzel von Angst und Stress oder was auch immer die Gefühle sind, die wir empfinden. Das ist Meditierenden manchmal nicht klar genug, dann fühlen sie sich allein oder einsam, wenn sie meditieren, und suchen nach Ablenkung. Diese grundlegende Einsamkeit kennen auch Menschen, die nicht meditieren, sie gehört fast zu unserer Biologie. Wie gehen wir also damit um? Manchmal können wir die Angst ebenfalls betrachten und akzeptieren. Das ist ziemlich schwierig, darum müssen wir die Meditationspraxis Schritt für Schritt üben. Zuerst müssen wir uns unseres Atems bewusst sein. Einatmen, ausatmen, dem Atem gegenübertreten und den Atem annehmen. Wenn du dir deines Atems bewusst bist, ist jeder Zustand deines Geistes einfach in Ordnung, welcher Gedanke auch immer aufsteigt, er ist in Ordnung, lass ihn kommen und lass ihn gehen. Wenn du deinen Atem nicht vergisst, ist alles in Ordnung. Auf diesem Weg können wir uns dann auch allmählich unserer Einsamkeit stellen, und in meinem Fall musste ich mich meiner Panik stellen.

Yongey Mingyur Rinpoche
(Buddhismus aktuell 1|19)



Yongey Mlngyur Rlnpoche ist ein tibetisch-buddhistischer Meditationsmeister. Er versteht es wie kein zweiter, die uralten buddhistischen Lehren auf frische, engagierte und spielerisch humorvolle Art für moderne Menschen jeglichen Hintergrunds zugänglich zu machen. Sein erstes Buch „Buddha und die Wissenschaft vom Glück" (The Joy of Living) stand auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde bislang in zwanzig Sprachen übersetzt. Seit vielen Jahren lehrt Mingyur Rinpoche auf der ganzen Welt und hat eigene Zentren auf vier Kontinenten.
nähere Infos: tergar.org