Einmal wurde Buddha gefragt, warum seine Mönche einen so
heiteren und strahlenden Ausdruck hätten. Er antwortete: „Sie klagen nicht über
die Vergangenheit, noch trachten sie nach Dingen in der Zukunft. Statt dessen
bleiben sie standhaft“ – so die entscheidende Redewendung –, „ganz gleich, was
geschieht. Deshalb sind sie heiter und gelassen.“ Er sprach hier nicht nur über
die Sitzpraxis. Er sprach darüber, wie sich die Mönche den ganzen Tag lang
verhielten. Im Ânâpânasati – der Methode des totalen Gewahrseins beim Atmen –
machen wir bewußtes Atmen zu einem Teil unserer Übung, die sich über den ganzen
Tag erstreckt.
Der häufig zu hörende Einwand (vor allem in der modernen
Welt), daß niemand genug Zeit für die Meditationspraxis hat, enthält ein grundsätzliches
Mißverständnis. Damit meinen die Leute, daß sie keine Zeit zum Sitzen haben,
was wahr sein mag oder nicht. Sie denken so, weil sie den wahren Wert des
Sitzens noch nicht erkannt haben. Haben sie ihn erst einmal erkannt, dann ist
es sehr viel wahrscheinlicher, daß sie auch die Zeit dafür finden.
Aber Übung ist nicht nur Sitzen und hat nichts damit zu
tun, Zeit zu finden. Übung bezieht sich auf jeden Augenblick unseres Lebens. Wo
immer Sie sind, mit welchen Umständen Sie auch konfrontiert sind, was immer Ihr
Bewußtseinszustand ist, es ist ein perfekter Moment, um zu üben. Wie der
Zen-Meister Dôgen schrieb: „Wenn Sie Soheit verwirklichen wollen, dann sollten
Sie ohne Aufschub Soheit praktizieren.“
Mein erster buddhistischer Lehrer, der Zen-Meister Seung
Sahn, machte mich mit dieser Art von Praxis vertraut. Wenn wir in der
Meditationshalle saßen, wies er uns an, uns hundertprozentig dem Sitzen hinzugeben.
Wenn das Sitzen beendet war und es Zeit war, das Geschirr abzuwaschen, wurden
wir aufgefordert, diese Tätigkeit auf die gleiche Weise zu verrichten. Wir
sollten derartige Aktivitäten in unserem Geist nicht trennen. Statt dessen
sollten wir unser Leben wie ein nahtloses Gewebe betrachten.
Ich will nicht den Eindruck erwecken, daß das Sitzen
nichts Besonderes ist. Es ist eine Gelegenheit, zu der wir mit Absicht unsere
Verpflichtungen begrenzen, so daß wir ganz bei uns sein können, so wie wir
sind. Wir unterhalten uns nicht, wir essen und arbeiten nicht. Wir gebrauchen
unseren Körper nicht, um irgendwohin zu gehen oder um etwas zu tun. Selbst das
Denken wird von seinem hohen Sockel gestürzt und nur als ein, weiteres Phänomen
betrachtet, über das wir keine Kontrolle haben. Wir sitzen einfach und lernen
uns kennen, wie wir sind.
aus Larry Rosenberg, Mit jedem Atemzug, S. 226 f.
»Es geht darum, die Meditation zu verlassen, ohne die Meditation zu verlassen« Aus tiefem Leiden entsteht tiefes Mitgefühl, Franz Johannes Litsch , Das internationale Netzwerk engagierter Buddhisten)