Meditation hat nichts mit Flucht zu tun?
Ganz richtig, in der Meditation geht es darum, sich zu stellen und bei dem zu bleiben, was ist. Natürlich ist das am Anfang ziemlich unangenehm und auch nicht einfach. Aber dann verstehst du, dass du eigentlich gar nicht so schlecht bist. Auch die eine tatsächliche Situation ist nicht so schlecht wie das, was du vorher vielleicht erwartet hast. Wenn du etwas wirklich betrachtest und es dir gegenüberstellst, ist es nicht mächtig. Was auch immer für „schlechte“ Dinge erscheinen – sie sind nicht mächtig. Jenseits der Konzepte gibt es Bewusstsein, Mitgefühl, Liebe, Fähigkeiten, Raum und viel Weisheit. Aber normalerweise wissen wir nicht, wie wir uns mit unserem wahren Herzen verbinden sollen, mit der Grundnatur unseres Geistes. Meditation ist keine Flucht – es ist nicht so, als würde man dabei die eigenen Gedanken ignorieren, die eigenen Emotionen abstreiten, den Stress leugnen oder ihm nur zu entkommen versuchen, so ist es nicht.
Es ist die Suche nach der Wurzel von Angst und Stress oder was auch immer die Gefühle sind, die wir empfinden. Das ist Meditierenden manchmal nicht klar genug, dann fühlen sie sich allein oder einsam, wenn sie meditieren, und suchen nach Ablenkung. Diese grundlegende Einsamkeit kennen auch Menschen, die nicht meditieren, sie gehört fast zu unserer Biologie. Wie gehen wir also damit um? Manchmal können wir die Angst ebenfalls betrachten und akzeptieren. Das ist ziemlich schwierig, darum müssen wir die Meditationspraxis Schritt für Schritt üben. Zuerst müssen wir uns unseres Atems bewusst sein. Einatmen, ausatmen, dem Atem gegenübertreten und den Atem annehmen. Wenn du dir deines Atems bewusst bist, ist jeder Zustand deines Geistes einfach in Ordnung, welcher Gedanke auch immer aufsteigt, er ist in Ordnung, lass ihn kommen und lass ihn gehen. Wenn du deinen Atem nicht vergisst, ist alles in Ordnung. Auf diesem Weg können wir uns dann auch allmählich unserer Einsamkeit stellen, und in meinem Fall musste ich mich meiner Panik stellen.
Yongey Mingyur Rinpoche
(Buddhismus aktuell 1|19)
Yongey Mlngyur Rlnpoche ist ein tibetisch-buddhistischer Meditationsmeister. Er versteht es wie kein zweiter, die uralten buddhistischen Lehren auf frische, engagierte und spielerisch humorvolle Art für moderne Menschen jeglichen Hintergrunds zugänglich zu machen. Sein erstes Buch „Buddha und die Wissenschaft vom Glück" (The Joy of Living) stand auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde bislang in zwanzig Sprachen übersetzt. Seit vielen Jahren lehrt Mingyur Rinpoche auf der ganzen Welt und hat eigene Zentren auf vier Kontinenten.
nähere Infos: tergar.org