Donnerstag, 22. August 2013

Verletzungen, Horizonte und Autonomie


Leben in Freiheit und Unabhängigkeit ist Leitlinie der Behindertenarbeit und Behindertenpolitik wie das "Sozialgesetzbuch IX Rehabilitation und Teilhabe be-hinderter Menschen" vom Juli 2001 und das "Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen" als Beitrag zur Umsetzung des Benachteiligungsverbotes im Grundgesetz vom Mai 2002 aufzeigen, auch wenn der medizinische Gesichtspunkt im Vordergrund steht. Es geht jedoch nicht nur darum, behinderten Menschen die allgemein üblichen Selbstbestimmungsrechte zuzugestehen, vielmehr werden mit der Autonomieforderung auch Fragen gestellt, die die Selbstbestimmung nicht behinderter Menschen meint. Zum Beispiel, warum wird behinderten Menschen Selbstbestimmung eher verwehrt als nicht behinderten Menschen oder warum stehen behinderte Menschen, vor allem sehbehinderte Menschen unter dem Verdacht, nur einen eingeschränkten Horizont zu haben? (Fragen aus den Seminaren)

Dieser Perspektivwechsel wird deutlich, wenn man die neueren interdisziplinären Forschungen unter dem Titel "Disability Studies" betrachtet. Es geht darum, das Phänomen Behinderung als soziale Ganzheit zu fassen und unter einer kulturwissenschaftlichen Perspektive zu sehen. Behinderte Menschen sind nicht der Hauptgegenstand der sozialen Interpretation wie bisher, sondern die Gesellschaft, die geschaffen wurde für alle Menschen, für behinderte und nichtbehinderte Menschen. Diese neue Orientierung in Richtung auf Integration, Normalisierung, Authentizität ist nur zu erreichen, wenn wir die neuen Paradigmen für uns mobilisieren können.

Das heißt, nicht stehen bleiben beim Jammern und Wehklagen, wo und wann, durch wen wurde ich verletzt, wen verletze ich etc., sondern weiterschauen, wie kann mein Selbstbestimmungskonzept aussehen trotz traditioneller sozialer Rollen- und Normenkonflikte, trotz finanzieller und sozialrechtlicher Einschränkungen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meiner Seminare fragen wesentlich danach, wie kann ich meine Sehbehinderung besser mit mir, mit meinem Ich, mit meinem Leben in Einklang bringen? Wie stark muß ich sein, um Selbstbestimmung für mich zu reklamieren? Wie selbstverständlich sind mir Autonomie und Authentizität oder hänge ich der Fürsorge nach, die mich klein und abhängig macht?

mehr:
- Wir erfahren Verletzungen und verletzen andere (Manfred Knoke, Arbeitskreis psychologische Beratung, pro-retina.de, zuletzt geändert: 22.08.2013)
siehe auch:
- xxx (Post, )
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