Sonntag, 13. Januar 2019

Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?

Ein neurophilosophischer Versuch

Milliarden an Steuer- und anderen Geldern werden Jahr für Jahr in die genetische und neurowissenschaftliche Erforschung psychischer Störungen gesteckt. Dabei wird stillschweigend vorausgesetzt, dass sich die Probleme der Menschen auf dieser Ebene verstehen und behandeln lassen. Zehntausende Forscher gehen weltweit diesen Fragen nach und potenziell hunderte Millionen Patienten sind davon betroffen, was diese Forscher finden – oder auch nicht finden.

Die Frage, was psychische Störungen sind und auf welcher Ebene sie am besten beschrieben werden können, ist darum nicht nur theoretisch interessant, sondern auch unmittelbar praktisch relevant. Tatsächlich kritisierten einige führende Psychiater erst 2016 im British Journal of Psychiatry, dass der Neurohype in ihrem Fach zu viel Geld verschlinge. Für wichtige Ansätze etwa zur Suizidprävention, zur Förderung von Eltern mit psychischen Problemen oder für bessere Lernumgebungen für benachteiligte Kinder bleibe dann kein Geld übrig.

Von dem National of Institute of Mental Heath (NIMH), der vielleicht größten psychiatrischen Forschungseinrichtung der Welt, heißt es in dem Aufsatz, dass 85% des Milliardenbetrags, den das Institut Jahr für Jahr bekommt und in Forschung investiert, in die Neurowissenschaften gehe. Ob das Patienten jemals etwas nutzen wird, steht in den Sternen.

Das überrascht nicht, wenn man weiß, dass der vorherige NIMH-Direktor Thomas Insel psychische Störungen als "gestörte Schaltkreise" im Gehirn beschrieb und sein Nachfolger Joshua Gordon (seit 2016) sein eigenes Fach als "Schaltkreisepsychiatrie". Wenn ich so einen Aufsatz von Gordon lese, dann bekomme ich den Eindruck, dass in der Tat nur Schaltkreise behandelt werden – und dann auch nur solche von Mäusen oder anderen Nagetieren –, und nicht Menschen.

Damit befinden sie sich in der guten Gesellschaft des Physiologie-Nobelpreisträgers Eric Kandel, dem folgendes Zitat nachgesagt wird: "Alle psychischen Prozesse sind Gehirnprozesse und darum sind Störungen der psychischen Funktionen biologische Erkrankungen. Das Gehirn ist das Organ der Psyche. Wo sonst sollten sich psychische Störungen befinden, wenn nicht im Gehirn?"

mehr:
- Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind? (Stephan Schleim, Telepolis, 11.01.2019)

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Cum hoc ergo propter hoc (lateinisch für ‚mit diesem, folglich deswegen‘) bezeichnet den Fehlschluss der Scheinkausalität, bei dem das gemeinsame Auftreten von Ereignissen (Koinzidenz) oder die Korrelation zwischen Merkmalen ohne genauere Prüfung als Kausalzusammenhang aufgefasst wird. Doch impliziert eine Korrelation noch nicht Kausalität (englisch Correlation does not imply causation), auch wenn der Zusammenhang kausal scheinen mag (Scheinkorrelation). Ohne kausalen Zusammenhang aber erfolgt eine Zuordnung von Ursache und Wirkung willkürlich ohne fundierte Begründung. Will man ausdrücken, dass ein Fehlschluss nach dem Muster cum hoc ergo propter hoc vorliegt, so sagt man cum hoc non est propter hoc (lateinisch ‚Mit diesem ist nicht deswegen.‘).[Cum hoc ergo propter hoc, Wikipedia, abgerufen am 13.01.2019]
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Den Begriff „Kategorienfehler“ oder „Kategorienverwechslung“ (category mistake) führt Gilbert Ryle in seinem Hauptwerk Der Begriff des Geistes als Analyseinstrument zur Stützung seiner These ein, dass philosophische Probleme, die sich an Begriffe wie Geist, Wille oder Bewusstsein knüpfen, aus einer falschen Verwendung dieser Begriffe resultieren. Ein prominentes Beispiel dafür ist das Leib-Seele-Problem. Mit seiner Analyse will Ryle zeigen, dass solche philosophischen Probleme bei genauerer Betrachtung gar keine Probleme sind. Ryle sieht daher die Aufgabe der Philosophie darin, „Kategoriengewohnheiten durch Kategoriendisziplin zu ersetzen“.[1]
In Der Begriff des Geistes gibt Ryle zahlreiche Beispiele,[2] mit deren Hilfe er den Begriff des Kategorienfehlers zu erklären versucht. So spricht er etwa von einem Besucher der Oxforder Universität, dem die verschiedenen Einrichtungen wie Hörsäle, Seminarräume, Laboratorien, Mensa oder Bibliothek gezeigt werden. Der Besucher ist nach seinem Rundgang unzufrieden, denn er wollte die Universität sehen und stattdessen zeigt man ihm verschiedene Räume und Orte. Wenn der Besucher die Frage stellt: „Wo ist jetzt eigentlich die Universität?“, begeht er einen Kategorienfehler. Er verwendet den Ausdruck „Universität“ so, als gehöre er der gleichen Kategorie wie „Hörsaal“, „Labor“ oder „Mensa“ an. Ein anderes Beispiel ist Folgendes: Angenommen jemand berichtet davon, sich ein neues Paar Handschuhe gekauft zu haben und bekäme darauf zur Antwort: „Ich sehe, du trägst einen linken und einen rechten Handschuh, aber wo ist das Paar Handschuhe, von dem du sprichst?“ Der Fragende begeht den Fehler, den Ausdruck „ein Paar Handschuhe“ derselben Kategorie wie „rechter Handschuh“ und „linker Handschuh“ zuzuordnen.
[Kategorienfehler, Ryles Kategorienfehleranalyse, Wikipedia, abgerufen am 13.01.2019]
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Korrelation vs Kausalität: So lassen sich Statistiken manipulieren {2:20}

WirtschaftsWoche
Am 27.06.2016 veröffentlicht 
Wie bringt man Ursachen und Wirkungen zusammen, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben? Ganz einfach: Indem man Kausalität und Korrelation bei Statistiken in falsche Zusammenhänge einbettet. Wie das geht, zeigen wir Ihnen in der 2. Folge unserer Serie "Schummeln mit Statistiken":
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Recherche, Text und Protagonist: Konrad Fischer
Video, Kamera und Schnitt: Maximilian Nowroth
Fragen, Anregungen, Lob und Kritik bitte an: video@wiwo.de
Lesen Sie mehr auf:
http://www.wiwo.de/my/politik/deutsch...

Eine geschichtlich nachgewiesene Scheinkausalität:
- Realitätsinterpretation: Das Unwetter an der Theiß (Post, 12.04.2008)

dazu einige Wittgenstein-Zitate zur Irreführung durch Sprache:
Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache. [Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen §109 (1953, posthum)]
Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und die Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.[Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen §119 (1953, posthum)]
Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht übersehen.[Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen §122 (1953, posthum)]
[…] unsere Sprache sich gleich geblieben ist und uns immer wieder zu denselben Fragen verführt. […] solange werden die Menschen immer wieder an die gleichen rätselhaften Schwierigkeiten stoßen, und auf etwas starren, was keine Erklärung scheint wegheben zu können.[Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen: Aus dem Nachlaß (1950/51), Suhrkamp, Frankfurt/Main, 1977, S. 163]

zur Situation in der Forschungsfinanzierung siehe:
- Ist die Psychopharmakologie verrückt geworden? – Kapitalismus-infizierte Wissenschaft (Post, 31.01.2016)
siehe auch:
Akademische Freiheit und politischer Druck (Post, 17.12.2018)
- Über Uber und die Käuflichkeit von Wissenschaft (Post, 12.11.2018)
- Tödlicher Ernst – Die Pharmaindustrie ist eines der gefährlichsten Kartelle der Welt. (Post, 23.08.2018)
- ADHS: Werbung, Interpretation und Geld (Post, 28.03.2018)
- Zwei Hübe in die Nase, und der Antisemit strahlt! (Post, 06.11.2017)
Wissenschaft: frei oder nicht frei? (Post, 04.10.2017)
Der Penis ist schuld am Klimawandel! (Post, 25.05.2017)
Glyphosat: Wissenschaft im Kapitalismus (Post, 28.04.2017)
- Ein adretter Psychologe und BigData (Post, 06.12.2016)