Sonntag, 7. September 2014

Psychiatrie und Gesellschaft – «Die Seele landet im Giftschrank»

Gefährlichkeitsprognosen, Verwahrung, Enthumanisierung: Ein Gespräch mit dem Zürcher Autor und Psychiater Mario Gmür über restaurative Tendenzen in Psychiatrie und Gesellschaft. 

Der Mann, der uns in seiner Praxis am Zürcher Bellevue empfängt, ist ein Freudianer. Vor allem aber ist Mario Gmür ein leidenschaftlicher Skeptiker. In den letzten Jahren hat der 69-Jährige immer wieder zu gesellschaftlichen Themen Stellung bezogen: Als Buchautor setzte er sich anhand so unterschiedlicher Beispiele wie Leo Tolstoi, Rudolf Höss, Mahatma Gandhi oder Ulrike Meinhof mit der Psychopathologie von Überzeugungen auseinander, analysierte die Boulevardisierung der Medien und kreierte den Begriff des Medienopfersyndroms. Zuletzt meldete er sich vor allem als pointierter Kritiker der forensischen Psychiatrie zu Wort. 
mehr:


Mario Gmür in einem Interview über »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!«:
- „Bei der Geburt und bei der Hinrichtung von Helden dabeisein“ [FAZ, 07.09.2014] 
Zitate:
- » Die ganze Sendung kündet von einer regrediert-infantilen Verfassung. «
- » Mich erinnert es stark an das Milgram-Experiment, in dem die Versuchspersonen Elektroschocks verabreichen konnten und dafür Schmerzen des Opfers in Kauf nahmen, wenn nur jemand den Befehl zum Quälen gegeben hatte. «
- » Hier geht es um eine Instrumentalisierung von Menschen für ein dramaturgisches Konzept in der Öffentlichkeit. Die Zuschauer wollen bei der Geburt und bei der Hinrichtung von Helden dabeisein. Zunächst wird Mittelmäßigkeit in den Himmel gehoben, und es entsteht künstliche Prominenz ohne Exzellenz, Substanz, Relevanz. Dann folgt der Abstieg: Der Star wird nicht nur auf den Boden zurückgeholt, sondern gleich in die Hölle gesteckt. «
- » Es ist eine narzißtische Beziehung zwischen Öffentlichkeit, Medienmachern und Stars. Die Stars werden gebraucht als Projektionsfläche. «
- »Das Publikum kann als Voyeur Angstlust empfinden und sadistische Bedürfnisse ausleben. Die Medien surfen ja auf den Gefühlen der Zuschauer und können Ekel, Grusel oder Angst hervorrufen, indem sie Obszönes, Makabres, Unheimliches, Gefährliches bieten. Die Medien rufen beliebige Gefühle hervor. Das Sadistische daran wird gar nicht mehr sozial geächtet, wie die Einschaltquoten zeigen.  «
- »Die Opfer werden stigmatisiert, also nur noch auf eine Eigenschaft reduziert.  «
- »Die Medien haben eine Verantwortung. […] Sie sollten nicht menschliche Schwächen ausnutzen. Manche Menschen haben ein biographisches Defizit an Zuwendung und wollen das in den Medien kompensieren.  «

Time To Do vom 27.04.2012, Forensische Psychiatrie beleuchtet. [53:55]
Veröffentlicht am 27.04.2012 
Thema der Sendung: Psychiatrie im Griff des Zeitgeistes, Gespräch mit dem Psychiater und Autor PD. Dr. med. Mario Gmür.
Kontakt:
PD. Dr. med. Mario Gmür, Zürich
http://www.timetodo.ch,
ist die Informations-Plattform zur gleichnamigen TV-Sendung.
Sendezeit ist Montag bis Freitag von 20.00 bis 21.00 Uhr live im TV auf dem Schweizer Privatsender Schweiz5.
TimeToDoShop unter:
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Link zum live Stream der Sendungen:
http://www.schweiz5.ch/v2/?page_id=52

- Mario Gmür – «Ich nutze meine Freiheit» (UZH News, 20.12.2007)
Der Psychotherapeut Mario Gmür schreibt Bücher über Medienopfer und geniesst als Privatdozent die Freiheit, die Themen seiner Lehrveranstaltungen selber bestimmen zu können.
- Menschenwürde – Zum Abschuss freigegeben (ZEIT Online, 09.06.2005)
Entdeckt, zur Schau gestellt, fallen gelassen: Wie nie zuvor setzen Fernsehen und Zeitungen auf Menschen, Schicksale, Emotionen – und hinterlassen jede Menge Opfer von 
- Mario Gmür – Der öffentliche Mensch – Medienstars und Medienopfer (dtv, Buchvorstellung)
- Mario Gmür – Meine Mutter weinte, als Stalin starb (Slisverlag, Buchvorstellung)
- Mario Gmür erinnert sich an Laure Wyss (Das Leben der Laure Wyss