Dienstag, 16. August 2016

Geld, der kollektive Fetisch

Philosophie Linke Denker haben die Religionen immer skeptisch betrachtet. Der Gott, der über alles herrscht, ist indessen das Geld

Muslimische Immigranten nötigen uns dazu, die Frage neu zu bedenken, wie Linke es mit der Religion halten. Auf der Flucht vor einem grausamen Krieg sind Hunderttausende zu uns gekommen, die einerseits die linke Bereitschaft zur Solidarität einfordern, viele von uns aber andererseits daran erinnern, dass sie doch eigentlich Religionsfeinde sind. Sind wir schon über die Rolle der Kirchen in unserer Gesellschaft empört, wird uns nun auch noch Hilfsbereitschaft Menschen gegenüber abverlangt, die dem Islam folgen, einer Religion, die bei einigen sogar als „besonders schlimm“ verschrien ist.

Manche Debatten unserer Tage zeigen denn auch, dass eine bedenkliche Schnittmenge entstanden ist zwischen nicht wenigen Linken und der AfD, deren Schlachtruf „Gegen die Islamisierung des Abendlands“ sie kaum etwas entgegenzusetzen haben. Und derweil verliert die Linkspartei Protestwähler. Sie ist über einen Antrag zerstritten, der die große Losung der Französischen Revolution, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, durch „Freiheit, Gleichheit, Laizität“ ersetzen will.

Können sich Religionsfreie vorbehaltlos auf die Seite muslimischer Flüchtlinge stellen? Müssen sie nicht erst einmal deren Religion angreifen? Von der Beantwortung dieser Frage hängt vieles ab. Wie so oft aber steht die Frage selbst schon ihrer Beantwortung im Weg, weil sie eine Differenz überspringt. Denn es gibt zwei sehr verschiedene Arten, religionsfrei zu sein, die liberale und die marxistische. Liberale sind seit der Französischen Revolution Religionsfeinde gewesen. In Italien bekämpften sie erbittert den Kirchenstaat und reduzierten ihn auf den Vatikan. Vor der Revolution hatten viele ihrer Vorgänger, der Aufklärer, noch eher versucht, das Christentum neu zu interpretieren, besonders Immanuel Kant mit seiner Schrift Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793). Da aber der Katholizismus, in seiner Existenz bedroht, sich darauf nicht einließ, verhärteten sich die Fronten.

mehr:
- Kollektiver Fetisch (Michael Schäfer, der Freitag, 10.08.2016)
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