Samstag, 16. August 2014

Warum wir schlechte Nachrichten bevorzugen

Warum wir schlechte Nachrichten bevorzugen

Die Schlagzeilen gleichen sich tagtäglich. Kriege, Katastrophen, menschliche Schicksale. Nicht nur die Boulevardmedien bringen ihren Lesern die Welt über den Extremfall nahe. Sieht man von der medialen Konstruktionslust ab, so bleibt zu attestieren: Es geschehen schlimme Dinge und es scheint so, als ob wir alles über sie erfahren wollen. Missstände erregen unsere Aufmerksamkeit, deren Verbesserung nicht. Sicher, Meldungen des Glücks und der Mitmenschlichkeit werden eingestreut, sie scheinen aber eher der Stabilisierung des dunklen Gesamtkonstrukts zu dienen. "Gebt uns mehr gute Nachrichten", hört man daher manchmal. Aber wollen wir diese wirklich hören? 

 Marc Trussler und Stuart Soroka von der McGill University in Kanada haben nun erneut versucht in einem Experiment zu klären, ob wir tatsächlich eher schlechte Nachrichten konsumieren. 
mehr:
Kriege, Katastrophen, Schicksale (Jörg auf dem Hövel, Telepolis, 16.08.2014)
Zitat:
Warum ist das so? Das Phänomen ist seit langem als "Negativer Bias" in der Psychologie bekannt. Menschen erinnern missglückte und bittere Lebensmomente gemeinhin besser als die gut gelaufenen. Mehr noch, legt man ihnen die Wörter "Bombe", "Krebs" oder "Tsunami" vor, drücken sie signifikant schneller den Reaktionsknopf als bei Wörtern wie "Spaß", "Baby" oder "Sonnenschein". Der Mensch hat über die Jahrtausende eine enorme Wachsamkeit für potentielle Gefahren entwickelt.
Dazu kommt eine weitere anthropologische Konstante: Wir denken, die Welt ist schön oder funktioniert zumindest nach einer Ordnung. Störungen in diesem Weltbild erregen unsere Aufmerksamkeit. Die meisten von uns denken zudem, sie wären besser als der Durchschnitt. Auch das ist wohl eine Laune der Evolution. Am Ende, so glaubt man dann, geht schon alles gut aus – wenn nicht für alle, so doch zumindest für einen selbst. So oder so ist es nicht nur die Anlockungskraft des journalistischen Zynismus, der uns zum Boulevard greifen lässt.


zum negativen Bias siehe:
- Negativity bias (engl. Wikipedia) 
- Negativ-Bias bei Depressionen (Dunja Voos, Medizin im Text, 05.04.2013)