Samstag, 9. Juni 2018

Freiheit und so…

In den Geistes- und Naturwissenschaften finden sich zahlreiche Erklärungsmodelle zum freien Willen. Der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert wirft einen Blick auf den Diskurs um die menschliche Willensfreiheit in Philosophie und Neurobiologie. 

»Die Gedanken sind frei« lautet ein bekanntes Volkslied. Aber sind sie das wirklich? Haben wir tatsächlich die Freiheit, das zu denken, was wir denken wollen?

Der Streit über diese Frage dauert nun schon Jahrhunderte. Platon glaubte, wenn es gelänge, dass die Vernunft über das Gefühl dominiert, könne der Mensch frei werden und sein Leben in Glück und Harmonie führen. Jean-Paul Sartre ging sogar von der absoluten Willensfreiheit aus und war überzeugt: »Der Mensch ist dazu verdammt, frei zu sein« – im Gegensatz zum Parkplatz. Schopenhauer wiederum hielt das für Quatsch und war der Meinung: »Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.«

Doch welcher dieser großen Denker hatte nun Recht? Wenn Sie einem Philosophen diese Frage stellen, dann wird er Sie in der Regel verwundert anschauen. »Wie? Wer Recht hat? Das ist eine vollkommen unphilosophische Frage.« 

Um herauszufinden, ob an Behauptungen etwas dran ist oder nicht, kommt man an den Naturwissenschaften nicht vorbei. Eines der ersten naturwissenschaftlichen Experimente zum freien Willen wurde 1979 von Benjamin Libet durchgeführt. Der Neurobiologe konnte nachweisen, dass in dem Moment, in dem wir willentlich beschließen, unseren Arm zu heben, unser Gehirn schon längst entschieden hat, diese Bewegung auszuführen. Ist etwa alles, was wir tun, neurologisch vorbestimmt? Sind wir lediglich ein komplizierter Chemiebaukasten auf zwei Beinen? Ein Molekülsalat, der sich hochnäsig einbildet, ein frei denkendes Wesen zu sein? Könnte ich also theoretisch meinem Nachbarn die Fresse polieren und danach sagen: »Ich bin nicht schuld. Die Biochemie hat angefangen …«?
mehr:
- Was wäre, wenn wir frei wären? (Vince Ebert, Spektrum, 09.06.2018)

Vince Ebert - Freiheit ist alles! - Teil 1 {44:47}

Am 25.08.2014 veröffentlicht 
gbs Koblenz
In Zeiten, in denen Karikaturen und Videos Massenproteste verursachen, tritt der Physiker und Kabarettist Vince Ebert mit einem ebenso schlauen wie lustigen Solo-Programm an die Öffentlichkeit: "Freiheit ist alles!" heißt sein Titel, und der ist durchaus wörtlich gemeint.
"Freiheit - ein spannender Begriff! Was genau ist das eigentlich? Ob der Dalai Lama, meine Oma oder David Hasselhoff - jeder hat da seine eigenen Vorstellungen!" beginnt Vince Ebert seinen gedanklichen Spaziergang durch die Geschichte des Freiheitsbegriffes. Dabei bückt er sich auch nach scheinbar Nebensächlichem, entdeckt auch bei Abwegigem Wichtiges für die Beschäftigung mit Freiheit.
Es ist ein großer Spaß, wenn Vince Ebert mit der Akribie eines Naturwissenschaftlers auf der Grundlage biblischer Quellen beweist, dass die Temperatur in der Hölle niedriger ist als im Himmel, wo doch Qualen unbekannt sein sollen - und die Freiheit schier grenzenlos. Es geht heiß her, wenn Vince Ebert zeigt, wie man sich frei machen kann vom Konsumzwang und wie man unabhängig wird vom Geld. Und der Humor wird schwarz, wenn Nichtraucher Vince Ebert sich auf offener Bühne eine Raucherzone einrichtet und bei einer Zigarette darüber nachdenkt, dass, wer solchermaßen die Freiheit sucht, allenfalls die Sucht findet.
"Freiheit ist alles!" ist kein Solo-Programm ausschließlich für Anders-, Frei- und Querdenker, sondern für alle, die selbst denken - und manchmal auch Joghurtgläser ungespült entsorgen. Was? Eben!
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Montag, 4. Juni 2018

Die Schönheit des Abgrunds

Die Christine-Westermannisierung der Literatur hat ihren Siegeszug angetreten. Erstens durch Buchverkäufe. Kitsch verkauft sich besser als Qualität. Denken ist anstrengend, tut bisweilen weh, Kitsch funktioniert wie Pornographie, allerdings nicht in der Hose, sondern links unter dem Hemd. Was sich verkauft, wird auch massenhaft produziert. 


#metoo

Bei diesem Thema kann man sich wunderbar die Finger verbrennen. Mangelnde Empathie wird der erste Vorwurf sein. Als vor einem halben Jahr die #metoo-Debatte durch die Welt schwappte, blieb ein Aspekt unbeantwortet, der aber sehr maßgeblich ist: könnte es sein, dass brillante Menschen eine dunklere Seite haben als Normalos?

Seit Jahren geistert ständig eine Statistik durch die Gazetten, dass nämlich unter Spitzenmanagern der Anteil von Soziopathen übermäßig hoch sei. Dies bestätigt die Klischees vom herzlosen Kapitalisten.

Aber Künstler?

Besonders interessant erscheint mir der Fall Kevin Spacey. Die Empörung schlug Wellen, dass er augenblicklich die Serie House of cards verlassen musste.



Das Genie und das Böse

Spacey dürfte, was den Legendenstatus angeht, zu den allergrößten Namen in der Geschichte von Hollywood gehören. Er spielte in the usual suspects ein sich als Trottel gebendes kriminelles Superhirn, das die verhörenden Polizisten mit erfundenen Geschichten manipuliert. In Se7en verkörperte er einen unauffälligen, aber brillant perversen Serienmörder und in American Beauty stellte er einen frustrierten Vorstadt-Papi in der Midlifecrisis dar. Der gemeinsame Nenner: seine Rollen waren immer von manipulativer Intelligenz, auch schon vor Darstellung des fiktionalen Präsidenten Underwood.

Und jetzt die #metoo-Debatte. Was hatten wir doch für ein Vergnügen, wenn die von Spacey dargestellten Figuren ihren dummen Kontrahenten den Schneid abgekauft hatten. Es war beinahe so schön, wie wenn Robert de Niros Antihelden anderen die Knochen brachen, ihren Kopf in einem Schraubstock zerquetschten oder ihnen Teile des Gesichts wegbissen. Da schmecken die Nachos, und die Brause auf dem Schoß waberte launig hin und her. Privat sind Schauspieler ja ganz bodenständige nette Kerle, oder? Wenn nicht, wären wir dann etwa Komplizen?



Was erlauben Spacey?

Ist eine charakterliche Düsterheit vielleicht gar ein struktureller Vorteil des Genies, nicht nur fiktional, sondern real?



Felder der vielschichtigen Genies

Neben dem auffällig langen Wegsehen in Hollywood – die Liste der mutmaßlich Übergriffigen wird länger, wobei die Vorfälle wahrscheinlich über Jahrzehnte reichen – ist für mich gar nicht die geheuchelte Empathie seitens des Publikums von Belang. Es interessiert mich nicht, ob Spacey schuldig ist. Empathie wird nie meine Sache sein, das vorweg. Auch die Binsenweisheit, dass große Erfolge immun gegen Kritik machen, scheint mir nur bedingt interessant zu sein. Es erscheint viel interessanter und vordergründig erschreckender, dass eben nicht nur in den hohen Etagen deutscher Unternehmen, sondern gerade auch im Bereich der Kreativen, der Künstler und Erfinder, Wunderbares auf dem Mist des Schrecklichen besser wächst. Verdanken wir vielleicht Erbauung und Fortschritt vornehmlich dunklen Neigungen? Was, wenn ja? War Einstein treu? Diente ihm seine Promiskuität als Triebfeder in Denkprozessen gar?

mehr:
- Die Schönheit des Abgrunds - Empathie Pornos (Hans-Martin Esser, The European, 04.06.2018)

Gruber: "Will am liebsten schwulen Männern gefallen" | Nuhr im Ersten {5:51}

Comedy & Satire im Ersten
Am 16.02.2018 veröffentlicht
Abonniert uns! http://s.daserste.de/2kannsX
Offizieller "Comedy"-Kanal: http://s.daserste.de/2lneAof
Alle Clips: http://s.daserste.de/2kYqsIP
"Nuhr im Ersten" vom 15. Februar 2018
Dieter Nuhr begrüßt seine Gäste Monika Gruber, Ingo Appelt, Andreas Rebers und Torsten Sträter zu einer neuen Ausgabe von "Nuhr im Ersten"!

Frank Zappa - Titties and beer (with subtitles) {6:38}

bolimozak
Am 14.03.2011 veröffentlicht 
The Palladium, NYC, NY, October 31, 1977
Baby Snakes DVD
Frank Zappa -- lead guitar, vocals
Adrian Belew -- guitar, vocals
Peter Wolf -- keyboards
Tommy Mars -- keyboards, vocals
Ed Mann -- percussion, vocals
Patrick O'Hearn -- bass
Terry Bozzio -- drums, vocals
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siehe auch:
- Ein wirklich netter Kerl, oder? (Arwa Mahdawi, der Freitag, 25.09.2018)
Kevin Spacey: Ein Mann wird gelöscht, und wir sind die Guten (Post, 13.11.2017)
- „Wir wollen die Möpse sehen…!“ (Clemens Lukitsch, The European, 05.09.2014)
aktualisiert am 25.09.2018