Samstag, 27. Mai 2017

Eltern – Als wären sie nie dagewesen

Wenn Paare sich trennen, werden Kinder häufig instrumentalisiert. Zwei Väter und eine Mutter erzählen, wie sie entsorgt wurden und schließlich ihre Kinder verloren. 

An einem Mittwochnachmittag im April steigt Oliver Zimmermann* das fünfte Jahr infolge unterhalb des Kölner Doms aus der Stadtbahn. Er trägt Schwarz, als wäre er in Trauer, in der Hand hat er eine Rose. Wie immer an diesem Tag im Jahr geht er zur Hohenzollernbrücke, bis zu jener Stelle, wo Hunderte von Vorhängeschlössern am Geländer hängen, in Köln eine mittlerweile umstrittene Touristenattraktion. Sie alle erzählen vom Anfang einer Liebe. Hunderte von Liebesschwüren, in allen Farben und Schriften in Stahl graviert. Zimmermann steckt seine Blume in die Öffnung jenes Schlosses, das er vor fünf Jahren hier befestigt hat. Darauf sind die Namen seiner Kinder graviert und: "Die Liebe im Herzen, die nimmt man immer mit". Es ist der 18. Geburtstag seiner Tochter. 

Auch Oliver Zimmermanns Schloss erzählt die Geschichte einer Liebe, die unerwartet zu Ende ging. Er sei weder verrückt noch pathetisch, sagt der 47-Jährige, dies sei nur ein Ort, wo er in Ruhe versuchen könne, Dinge zu verstehen, während sein Pakt mit der Ewigkeit in Form eines roten Vorhängeschlosses im Wind vor sich hin klappert. Die Schlüssel hat er damals in den Rhein geworfen, so weit er konnte gen Westen, in den Sonnenuntergang. Je weiter, desto sicherer, dachte er, als der Schlüssel im lehmigen Wasser des Rheins versank.


An Geburtstagen kommt er hierher, an Feiertagen und zuletzt zur Erstkommunion seines Sohnes. Auch am Vatertag war er hier im vergangenen Jahr. Oliver Zimmermann ist keiner, der mit anderen Vätern mit einem Bollerwagen durch die Stadt zieht. Dieser Tag hat für ihn eine andere Bedeutung.

Oliver Zimmermann ist ein entsorgter Vater. Seit fünf Jahren sind seine Kinder aus seinem Leben verschwunden. Und manchmal vergisst er, dass sein Leben trotzdem weitergeht. 
mehr:
- Eltern-Kind-Entfremdung – Als wären sie nie da gewesen (Andea Müller, ZON, 25.05.2017)