Sonntag, 1. Januar 2012

Neujahrsgrüße eines Psychotherapeuten

Ich habe mir über einen einen Monat lang überlegt, ob ich folgendes Video in meinen Blog stelle. Wir Psychotherapeuten wollen ja als seriös gelten…

Ja, ich gebe gern zu: Folgendes Video soll eine Augenweide sein. Aber die Augenweide verfolgt einen Zweck, oder besser gesagt: Ursula Martinez verfolgt einen Zweck. Und was Ursula Martinez beabsichtigt, hat ganz viel mit Psychotherapie, so wie ich sie verstehe, zu tun. Für mich ist Psychotherapie angewandte Aufklärung, (englisch: Age of Enlightenment) ist gelebte, ist arbeitende Philosophie (oder philosophische Arbeit). Es ist das professionell begleitete Entdecken des Selbst im Widerstand gegen die Bewußtwerdung der Selbstähnlichkeit (siehe Matrjoschka und Fraktale).

Immanuel Kant, ein Vordenker der Aufklärung, wie ihn Wikipedia nennt, definiert in seinem berühmt gewordenen Aufsatz »Was ist Aufklärung?« [Berlinische Monatsschrift, 1784,2, S. 481–494] Aufklärung folgendermaßen:

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.«

Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung. Beginn des Traktats. (EA 1784)


Ursula Martinez provoziert mit ihrem Striptease-Auftritt einen Moment des Nicht-Weiterdenkens, einen kurzen Moment der Verblüffung, der »obszönen« Ratlosigkeit (oder besser: angesichts der Ratlosigkeit ob der nicht-denkbaren Obszönität). Einen Moment, in dem wir weiterdenken könnten, es aber nicht tun, in dem wir wissen könnten, es aber nicht tun. Einen Moment des »Hab ich’s mir doch gedacht«, der aber auch »Habe ich mir nicht denken können« genannt werden könnte. Dieses Wissen im augenscheinlichen Nicht-Wissen zu finden, ist Aufgabe psychotherapeutischer Arbeit.

Es ist in diesem Zusammenhang erst einmal müßig darüber nachzudenken, weshalb wir an diesem Punkt nicht weiterdenken, Tabu-Brecher gibt es genug.
(Der Tabu-Bruch hat sich ja seit Fritz Teufels Zeiten [»Na, wenn’s der Wahrheitsfindung dient…«] zum Volkssport entwickelt, ohne allerdings – so jedenfalls meine Sicht – die notwendige geistige Entwicklung –  nach sich zu ziehen…)

Ich schlage vor, folgenden Satz von Albert Camus(, der völlig unverdient im Schatten des knalligeren Jean-Paul Sartre sein Dasein fristet,) zu genießen und in die Agenda 2012 zu übernehmen:

»Ein Intellektueller ist ein Geist, der sich selbst beobachtet.« 

Also: das folgende Video ist für uns alle, die das Offensichtliche in dem scheinbar Realen nicht zu sehen imstande sind, die auf der bereitliegenden Bananenschale ausrutschen und sich selbst dabei ertappen. Nehmen wir unsere  Verblüffung ob der Begrenztheit unseres Denkens (Richard Baker Roshi [Dharma-Nachfolger von Shunryu Suzuki]: »Um über unseren Verstand hinauszugehen, müssen wir ihn erst an seine Grenzen bringen.«) – oder unseres Vorstellungsvermögens – mit ins Neue Jahr!

Ich wünsche uns allen ein verblüffendes (Osho: »What wonders mit most is, that nobody seems to wonder!«), aber auch achtsames Neues Jahr!!


Ursula Martinez von illusionmagique


Prosit Neujahr!!




Ich schließe diesen Post mit zwei Zitaten, die ich anbiete, die nächsten 365 Tage – und Nächte – mit sich herumzutragen:

Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen,
die Träume, die wir spinnen
Und die Sehnsüchte, die uns treiben.
Damit wollen wir uns bescheiden.

Schlußwort Johannes Pfeiffers (gespielt von Heinz Rühmann) in »Die Feuerzangenbowle«,
einem deutschen Spielfilm aus dem Jahre 1944 von Helmut Weiss nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Spoerl (auch Drehbuch) und Hans Reimann. Dem Film ist ein Zitat aus dem Roman vorangestellt:
„Dieser Film ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt.“

und…

Wenn du eine Garantie brauchst, dann kaufe einen Toaster.

(Rookie – Der Anfänger)


Clint Eastwood, US-amerikanischer Komponist, Politiker und Schauspieler und einer der renommiertesten Filmregisseure (1992 [»Erbarmungslos«] und 2004 [»Million Dollar Baby«] Oscar für die beste Regie und den besten Film) und Filmproduzenten (*31. Mai 1930)

gewidmet allen, denen ich im vergangenen Jahr begegnet bin und 
in Dankberkeit gewidmet allen, die mich in diesem vergangenen Jahr 2011 begleitet haben