Samstag, 3. August 2013

Fernöstliche Autoritäten und ihre »Geistesgifte«

»Geistesgifte« oder auch »Befleckungen« sind die häufig verwendeten Übersetzungen für den Sanskrit-Begriff »klesa« (Pali: kilesa). Damit sind im Buddhismus und im Hinduismus den Geist trübende Leidenschaften gemeint. Dazu weiter unten mehr…

In unserem westlich-christlich geprägten kulturellen Kontext lösen bestimmte Titel bestimmte Assoziationen aus: Lehrer, Doktor, Bischof, Professor, General, Wissenschaftler, Nobelpreisträger usw. Diese Titel benennen und suggerieren neben einem sozialen Status bestimmte Fähigkeiten und Kenntnisse. (Während meiner Assistenzarzt-Zeit stellte ich immer wieder fest, wie großen Wert Privatpatienten auf die Behandlung durch den Chef – grundsätzlich einen Professor – legten, obwohl deren Oberärzte von mir meistens als kompetenter angesehen wurden. Wen wundert’s?)


Kommen jetzt Autoritäten aus dem Osten zu uns, assoziieren wir mit deren Titeln ebenfalls bestimmte Fähigkeiten: »Erleuchteter«, »Roshi«, »Meister«, »Wiedergeburtslinie«, »Dalai Lama« und so weiter. Dabei wird häufig übersehen, daß die fernöstlichen Titel weitaus größere Projektionsflächen bieten als die uns lange bekannten westlichen Titel. Heißt: wir haben uns einerseits daran gewöhnt, daß unsere westlichen Autoritäten »Macken« haben (wir sind inzwischen daran gewöhnt, bei einer Geistesgröße aus unserem Kulturkreis von einer psychischen Störung zu hören, eine Liste), gehen aber andererseits stillschweigend davon aus, daß die angereisten östlichen Autoritäten »unbemackt« sind. (Es sind ja meistens »Meister«.)


Dabei geht unsere – von einer gewissen Enttäuschung begleitete – Desillusionierung in Bezug auf westliche Autoritäten einher mit der Sehnsucht nach der Unbemacktheit – die wir dann prompt den Autoritäten fremder Kulturen zuschreiben. Wir haben zum Beispiel wesentlich weniger Probleme damit (das heißt nicht, daß wir keine Probleme damit haben!), die Arbeit westlicher Autoritäten in einem materiellen und machtpolitischen Kontext zu sehen als diejenige der Autoritäten fremder Kulturen.


Ein konkretes Beispiel: Robert Gallo und Luc Montaigner stritten sich jahrelang darum, wer das HIV-Virus als Erster entdeckt hätte und wer den wichtigen Test auf das Virus als Erster produziert hätte. Daß es bei diesem Streit neben Ansehen auch um viel Geld ging, wundert einen hierzulande nicht. Wenn Jahre später herauskommt, daß Gallo Ergebnisse seiner Studien manipuliert hatte, ist man inzwischen in unserem Kulturkreis an solche Enthüllungen gewöhnt.


Ein weiteres Beispiel: Wenn die katholische Kirche Anteile an einer Hotelkette besitzt, wundert uns das weniger als wenn dies Swami Muktananda (Bewertung auf Sarlo’s Guru Rating Page) tut: »Als ich im Dezember 1979 das Meditationszentrum Shree Gurudev Ashram in Geneshpuri besuchte, um den Swami Muktananda Paramahansa kennenzulernen, weilte dieser geistliche Vater des Ashram gerade auf Geschäftsreise in den USA, um eine Hotelkette zu kaufen…« (Gottfried Mai, Buddha – Die Illusion der Selbsterlösung, S. 89, Fußnote)


Wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen: Die frühkindlichen Sehnsüchte nach den omnipotenten und perfekten Eltern schlummern weiter in uns, die mit unserer Aggressivität infizierte Wunde unserer Enttäuschung [kein Bedauern: so sind wir konstruiert] schwelt weiter in uns, bei dem Einen mehr, bei dem Anderen weniger. Was liegt also näher, als die Erfüllung unserer frustrierten frühkindlichen Sehnsüchte auf fremde Religionen und Kulturen wie auch deren Repräsentanten zu projizieren?





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Der restliche Text wurde zur Vermeidung juristischer Auseinandersetzungen entfernt!

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zuletzt aktualisiert am 02.07.2020