Dienstag, 29. Oktober 2019

Psychoanalyse


"Eine Psychologie, für welche dies Buch (der vergegenständlichen Wesenskräfte des Menschen), also gerade der sinnlich gegenwärtigste, zugänglichste Teil der Geschichte zugeschlagen ist, kann nicht zur wirklich inhaltvollen und reellen Wissenschaft werden. Was soll man überhaupt von einer Wissenschaft denken, die von diesem großen Teil der menschlichen Arbeit vornehm abstrahiert und nicht in sich selbst ihre Unvollständigkeit fühlt, solange ein so ausgebreiteter Reichtum des menschlichen Wirkens ihr nichts sagt, als etwa, was man in einem Wort sagen kann: "Bedürfnis", "gemeines Bedürfnis"?" (MEW 40, S. 543).
Psychoanalyse will durch eine Beziehung zwischen Therapeut und Patient in einer analytischen Selbstreflexion Verdrängungen und Widerstände aufarbeiten und auflösen, die als individualpsychologisch begriffene Ursache von psychischen Störungen angenommen werden. Durch Einsicht in die Abwehrmechanismen der Psyche sei eine verbesserte Kontrolle der "Ich-Leistungen" möglich und durch diese eine Emanzipation aus einer psychischen Abhängigkeit zu ermöglichen.
"Wo ES war, soll ICH sein" (Sigmund Freud)
Psychoanalyse ist von daher eine "introspektive" Richtung der Psychologie, die sich von positivistischen, konstruktivistischen, interaktiven oder systemischen Ansätzen zur Erklärung der Psyche unterscheidet. Sie begründet sich im Erkenntnisinteresse der Aufklärung und will von daher einen "Irrationalismus" eines unbewussten psychischen Strebens aufdecken und erklären.
mehr:
- Psychoanalyse (Wolfram Pfreundschuh, Kulturkritik.net, undatiert)
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Inkompetenzkompensationskompetenz

Wer mit Humor denkt, darf sich auch Wortungetüme ausdenken: Zum Tod des Philosophen Odo Marquard


Ein Konservativer, das war Odo Marquard, rückwärtsgewandt ganz sicher nicht. Dass wir viel mehr von Traditionen als von Experimenten bestimmt sind, schien ein leitendes Prinzip der Karriere dieses Denkers zu sein, der bekannte, „Philosophie nach dem Ende der Philosophie“ zu betreiben: 1928 in Pommern geboren, ging Marquard 1965 gleich nach der Habilitation bei Joachim Ritter von Münster nach Gießen, wo er die nächsten 28 Jahre lang lehren sollte.

Auch Marquards Betonung der „Unvermeidbarkeit der Geisteswissenschaften“ mag manchem anachronistisch erscheinen, der diese Fächer, die „nicht oder noch nicht experimentieren“ – kurz die „erzählenden Wissenschaften“ – in Zeiten von Technoscience und empirischen Humanwissenschaften nur mehr als museale Veranstaltung ansieht.

Das aber würde verkennen, was Marquard als Grund für das absolut Zeitgemäße der philosophischen Fakultät ausmacht: Zwar waren die experimentellen Naturwissenschaften dem Philosophen historisch eine Herausforderung, und die Geisteswissenschaften zunächst nur eine Antwort. Dass es hier aber nicht um eine simple Reaktion, um Rückzugsgefechte gehen konnte, war die leitende Überzeugung Marquards: „Die Genesis der experimentellen Wissenschaften ist nicht die Todesursache, sondern die Geburtsursache der Geisteswissenschaften.“

Für den Postphilosophen sind sie nicht Opfer, sondern Resultat der Modernisierung und deshalb „unüberbietbar modern“. Keine Rückkehr hinter das, was verwaltete Welt und instrumentelle Vernunft aus dem Menschen gemacht haben, sondern ihre „Kompensation“. Kompensation sah Marquard überhaupt als zentrale Aufgabe der eigenen Zunft.

mehr:
- Inkompetenzkompensationskompetenz (Mladen Gladic, Welt, 13.05.2015)
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siehe auch:
- lnkompetenzkompensationskompetenz? Ober Kompetenz und Inkompetenz der Philosophie (Odo Marquard, Vortrag im Kolloquium »Philosophie - Gesellschaft - Planung«, Hermann Krings zum 60. Geburtstag, am 28.9.1973 in München, Giessener Elektronische Bibliothek, PDF)
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