Doch immer wieder ziehen andere, besonders
auffällige Erfahrungen unsere Aufmerksamkeit von der Körper-Erfahrung ab:
Jemand hustet, wir hören Lärm, die Stimme
der Lehrenden oder andere Geräusche, die laut genug sind, dass die
Aufmerksamkeit von selbst zum Hören geht. Normalerweise würden wir das wohl als
eine Störung betrachten. Hier aber gibt es keine Störung, denn in dem Moment,
in dem die Achtsamkeit zum Hören wechselt, wird genau dieses Hören zur Praxis.
Es ist das, was jetzt dran ist: die Praxis achtsamen Hörens.
Dieses achtsame Hören ist unmittelbar im Kontakt mit
der nackten Erfahrung des Hörens. Dabei wird nicht überlegt, was genau wir da
hören, wer wohl hustet und ob er wohl Hustenbonbons braucht oder nicht. Es ist
einfach das unmittelbare Präsent- und Wach-Sein in der Erfahrung des Hörens –
solange diese dauert. Wenn sie endet, können wir zu den Körperempfindungen
zurückkehren.
Lärm oder Geräusche, Stimme oder Klang sollten nie
als Ablenkung betrachtet werden. Sie sind einfach die nächste Erfahrung, die
unserer vollen Aufmerksamkeit wert ist. Sie entsteht im Gewahrsein, verändert
sich und verschwindet wieder – genau wie die Körper- und Atemempfindungen.
Dem Hören folgt oft ein Bild, ein Gedanke, ein
Benennen. Zum Beispiel: »Ah! Ein Flugzeug«. Gewahr zu sein, wie solche Bilder, Gedanken,
Begriffe im Geist auftauchen und wieder verschwinden, ist Teil der Meditation
und keine Störung. Manchmal hören wir Kampfflugmanöver vom nahe gelegenen
Armeeflugplatz und erleben vielleicht Empörung, Unverständnis oder Aversion.
Falls Gewahrsein präsent ist, kommt es nicht zu Ablenkung: Die Erfahrung
mitsamt ihren Gefühlen erscheint im Gewahrsein, verändert sich und verschwindet
wieder - ganz von selbst. Wenn ich mich aber in der Geschichte verliere und
bereits plane, was ich dem Militärdepartement schreiben werde, wobei ich völlig
vergesse, dass es nur Gedanken und Gefühle sind, die in mir ablaufen, dann ist
das Ablenkung und nicht mehr Meditation.
Beim Hören lässt sich gut beobachten, wie wir die Erfahrung nach außen projizieren, mit Vorstellungen darüber was dort draußen passiert, statt das Hören als eine weitere Erfahrung zu erkennen, die sich im Gewahrsein manifestiert und wieder auflöst. Je nachdem, ob wir präsent sind oder nicht, erkennen wir dies - oder verlieren uns darin.
Beim Hören lässt sich gut beobachten, wie wir die Erfahrung nach außen projizieren, mit Vorstellungen darüber was dort draußen passiert, statt das Hören als eine weitere Erfahrung zu erkennen, die sich im Gewahrsein manifestiert und wieder auflöst. Je nachdem, ob wir präsent sind oder nicht, erkennen wir dies - oder verlieren uns darin.
(aus: Tilmann Lhündrup Borghardt, Fred von Allmen, Ursula Flückiger, Mahamudra und Vipassana: Gewahr Sein. Retreat-Unterweisungen, Norbu Verlag, Badenweiler, Mai 2015, S. 105f.)
siehe auch:
- Meditation: Erwünschtes, Unerwünschtes, alles hat Platz (Post, 19.12.2017)