Prostitution
Wer sein Geld als Sexarbeiterin verdient, wird ausgegrenzt. Kann ein Kunstevent daran etwas ändern? Ein Selbstversuch
Die Musik läuft erst ein paar Sekunden, als die Person rechts von mir
beginnt, sich aus ihrem glitzernden Bodysuit zu schälen. Auch links von
mir wird sich eifrig jeglicher Kleidung entledigt. Schnell sind fast
alle um mich herum nackt. Mit Öl, Blut oder Joghurt beschmiert, wälzen
sie sich auf dem Boden. Ihr Stöhnen und Ächzen vibriert durch den Raum.
Ich bin verblüfft, mit so viel Körperlichkeit hatte ich nicht gerechnet.
Ich bin Teil eines sogenannten Hurenrituals der US-amerikanischen
Performancekünstlerin und Sexaktivistin Annie Sprinkle. Ich knie auf dem
Boden der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel und bekritzle Karteikarten –
in meiner Rolle als Hure.
Eine Woche bevor SPD und Union ihre Verhandlungen zur Regulierung des
Prostitutionsgesetzes fortsetzen wollen, hat die Kulturfabrik im Rahmen
ihres Sommerfestivals zur dreitägigen Konferenz Fantasies That Matter.
Images Of Sexwork In Media And Art geladen. Die Veranstaltung ist vom
feministischen Missy Magazine mitkuratiert, und sie ist als
künstlerisch-politische Intervention in der Debatte gedacht. Zuletzt war
die Debatte pro und contra Sexarbeit im vergangenen Herbst wieder
lebendiger geworden, nachdem Alice Schwarzer mit Emma eine Kampagne zum
Verbot der Prostitution gestartet hatte. In Performances, Vorträgen und
Diskussionen sollen jetzt in Hamburg die gesellschaftlichen
Vorstellungen und Mythen von Sexarbeit noch einmal näher ausgeleuchtet
werden.
mehr: Von der Rolle (Der Freitag, 22.08.2014)
Annie Sprinkles Internetpräsenz
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