Mittwoch, 31. Juli 2013

Wo heftet sich der Staub hin?



Die Form der Meditation, wie sie Bodhidharma praktizierte und lehrte, beruhte noch stark auf den Sutren des Mahayana-Buddhismus, des „Großen Fahrzeugs“. Das chinesische Zen („Chan“) entstand erst aus der Verschmelzung des Dhyana-Buddhismus, wie er von Bodhidharma gelehrt wurde, mit dem bodenständigen chinesischen Taoismus. Diese neue Form des Zen entwickelte sich mit dem 6. Patriarchen des Zen in China, Hui-neng, und den nach ihm folgenden bedeutenden Zenmeistern der Tang-Zeit.

Hui-neng wird als der eigentliche Vater des chinesischen Zen angesehen. Er hat das Patriarchat nie in aller Form an einen Nachfolger weitergegeben, und man sagt, dass es aus diesem Grunde erloschen wäre. Jedoch hatte Hui-neng eine ganze Reihe von Meisterschülern und Dharma-Nachfolgern. Auf zwei seiner Schüler gehen alle großen Übertragungslinien des chinesischen Zen zurück. Hui-neng stammte aus ärmlichen Verhältnissen, hatte eine sehr mangelhafte Schulbildung und half seiner verwitweten Mutter durch Sammeln und den Verkauf von Brennholz. Eines Tages hörte er einen Mann das Diamant-Sutra rezitieren. Bei dem Satz: „Lass deinen Geist frei fliessen, ohne bei irgend etwas zu verweilen“, widerfuhr ihm blitzartige Erleuchtung. Als er von dem Mann erfuhr, dass dieser von dem Zenmeister Hung-jen kam, beschloss er, ihn aufzusuchen. Dieser erkannte seine Begabung und liess ihn zunächst als Gehilfe in der Küche des Klosters arbeiten, wo er Feuerholz spaltete und die Reismühle trat. Eines Tages spürte der 5. Patriarch, Hung-jen, dass die Zeit gekommen war, einen Nachfolger zu finden. Er forderte die Mönche seines Klosters auf, ein Gedicht als Ausdruck ihrer Zen-Erfahrung zu verfassen. Doch lediglich ein von allen hochgeschätzter Mönch schrieb ein solches Gedicht folgenden Inhalts:

„Der Leib, das ist der Bodhi-Baum,
der Geist, er gleicht dem klaren Ständer-Spiegel.
Wisch ihn denn immer wieder rein,
lass keinen Staub sich darauf sammeln.“
Als der in der Küche arbeitende Hui-neng von diesem Vers hörte, verfasste auch er ein Gedicht mit dem folgenden Text:

„Im Grunde gibt es keinen Bodhi-Baum,
noch gibt es Spiegel und Gestell.
Da ist ursprünglich kein (einziges) Ding –
wo heftete sich Staub denn hin?“

(gefunden bei shaolinsteyr.at)
Hung-jen erkannte sofort, dass sich in dem Vers von Hui-neng eine weitaus größere Tiefe der Erfahrung als in dem Gedicht von Shen-hsiu ausdrückte. Er fürchtete jedoch die Eifersucht Shen-hsius und die Missgunst der anderen Mönche, ging in der Nacht zu Hui-neng und übergab ihm Gewand und Schale als Bestätigung seiner Erleuchtung. Damit setzte er Hui-neng, der im Gegensatz zu Shen-hsiu nicht nach diesem Auftrag strebte, als 6. Patriarchen ein. Wohl wissend um die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen würden, trug er ihm auf, das Kloster zu verlassen und in den Süden Chinas zu gehen, damit ihm niemand Schaden zufügen konnte.
Hui-neng begann jedoch erst nach weiteren 15 Jahren als Zenmeister zu wirken und begründete damit die Südliche Schule des Zen, aus dem alle großen Schulen des Zen in China hervorgingen.

gefunden bei zenbuddhismus.de