Dienstag, 1. November 2016

Liebe muß zwangsläufig frustriert werden…

Aus Versuchen, Möbelstücke eines schwedischen Einrichtungshauses zusammenzubauen, weiß man, dass der Texttypus der Gebrauchsanleitung im Prinzip der Peripetie wurzelt: Übersichtlichkeit schlägt vor dem geistigen Auge von einer Sekunde zur nächsten in Gewusel um. Sonnige Ordnung in den Sturm des reinsten Chaos. Man hat am Ende kein Möbel. Aber die Erkenntnis gewonnen, dass der Grad der Systematik einer Gebrauchsanleitung nichts anderes ist als ein Barometer für das Durcheinander, das man sich ins Haus geholt hat.

Auffallend ähnlich verhält es sich mit mit Sachbüchern über die Liebe. Je enger sie sich an die Form der Gebrauchsanleitung halten, desto stärker erwecken sie den Verdacht, zu diesem Mittel gliedernder Vernunft nur deshalb zu greifen, weil sie fürchten, von der Anarchie ihres Themas überrollt zu werden. Ein Buch, das den Titel Der Beziehungsführerschein. Mit Simply Love auf Dauer glücklich trägt und ein ausgefeiltes psychologisches Curriculum der Eherettung enthält, kommt im Grunde genommen als Kampfansage gegen den Kollaps im emotionalen Verkehrswesen daher, ohne den es die Liebe aber nun mal nicht gäbe.


Es ist ein Buch, das Anleitung und Ratschlag zum Dogma erhebt: Jeder Trottel kann einen Ikea-Schrank zusammenbauen. Er muss nur wollen! Jede Ehe kann funktionieren. Die Eheleute müssen nur dauerhaft, konsequent und effizient an ihr und ihrer Liebe arbeiten! Das kann ja sein. Viele der Ratschläge, die die Autorin Katja Sundermeier, eine Psychologin mit reichlich Erfahrung im Beraten, Coachen, Therapieren von (Ehe-)Paaren, unterbreitet, sind für Leute, die beim morgendlichen Zähneputzen schon mit der Brüllerei anfangen, bestimmt sehr gesund. Nur zieht die Sprache der Erfolgsrationalität, die von Haus aus jede Gebrauchsanleitung beherrscht, der Liebe, von der auf jeder Buchseite die Rede ist, und ihren speziellen Obsessionen den Boden unter den Füßen weg.
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- Bringen Sie Ordnung in Ihr Gefühlsleben! (Ursula Maerz, ZON, 27.10.2005)