Mittwoch, 7. September 2011

60 Jahre Beate-Uhse-Versand – Als Deutschland mit der Post kam

Dildos hießen erotische Vollprothesen, Kondome gab's zum Wiederverwenden: In der Nachkriegszeit sorgte Beate Uhse mit Aufklärungsbroschüren und Sextoys dafür, dass in deutschen Schlafzimmern die Post abging.

Sorgenvoll blickt die junge Frau mit der welligen Kurzhaarfrisur in die Kamera. Ihr Blick offenbart eine Mischung aus Zweifel, Nachdenklichkeit und Unschuld. Unter dem ovalen Gesicht mit den vollen Lippen prangt jener Fünf-Wort-Satz, der über die junge Bundesrepublik hinwegfegen sollte wie ein Donnerschlag: "Stimmt in unserer Ehe alles?" stand da in geschwungener Schulmädchen-Schreibschrift.

Die ehrliche Antwort lautete: Nein.

In den Schlafgemächern deutscher Paare der fünfziger Jahre führten vielerorts Scham, Unwissenheit und Prüderie das Regiment. Statt Lust regierte der Frust, vereitelten Missverständnisse, ungewollte Schwangerschaften und Impotenz die Liebesfreuden. All das zehrte an den Nerven der ohnehin schon gebeutelten Nachkriegsgeneration und bedrohte die bürgerlichste aller Institutionen: die Ehe. Und genau deshalb kam der erste, von Beate Uhse auf 1952 datierte Katalog mit der sorgenvoll blickenden Dame auf dem Cover so prächtig an.

"In Millionen-Auflagen an Anschriften aus Telefonbüchern verschickt - bundesweit. Sehr erfolgreich", lautet die Notiz auf dem gelben Merkzettel, mit dem die 30 Seiten starke, handtellergroße Broschüre versehen ist. Die krakelige Handschrift stammt von Beate Uhse höchstpersönlich. Fein säuberlich hat die Grande Dame der deutschen Erotikindustrie die Anfänge ihres Erfolgs selbst dokumentiert. Ihr Archiv, verpackt in dicken, grauen Leitz-Ordnern, lagert heute im Keller der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Von gewagten Sextoys und Gleitcremes mit Geschmack findet sich in den frühen Sortimenten allerdings noch keine Spur.

In den fünfziger Jahren präsentierte sich das Sex-Imperium als bieder-bodenständiges Aufklärungsinstitut, dem einzig an der Erhaltung des deutschen Eheglücks gelegen war, mit der treuen Gattin Beate Uhse als respektablem Aushängeschild. Die Zielgruppen der als "Orgas-Muse", "Sexpertin" oder "Liebesdienerin der Nation" gefeierten Geschäftsfrau waren zu Beginn ihres Unternehmens nicht etwa Hedonisten und Sexabenteurer, sondern die Trümmerfrauen.

mehr:
- Als Deutschland mit der Post kam (Katja Iken, SPON, 07.09.2011)
- Beate Uhse (Wikipedia)
- Erotik auf Deutsch: Die Beate-Uhse-Story (Hamburger Abendblatt, Bilderstrecke)

siehe auch:
- Beate Uhse: Über eine Heldin der Emanzipation (Milena, amazed, Post, 09.10.2016)
- Der Mythos Beate Uhse. (Elizabeth D. Heinemann, WerkstattGeschichte 40, Klartext Verlag, 2005)
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Wer war eigentlich Beate Uhse? | Galileo Lunch Break {6:00}

Galileo
Am ttt veröffentlicht 
Sie hat den Sex in Deutschland revolutioniert - und bekommt dafür sogar das Bundesverdienstkreuz! Wie sah ihr Leben aus?
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