Früh schon sind die Beziehungen zwischen den Eltern gespannt, sie schlafen in getrennten Zimmern, der Junge schläft beim Vater. Die Mutter bleibt mehrere Monate im Krankenhaus. "Die lange Abwesenheit meiner Mutter hat mir schwer zu schaffen gemacht. Seit jener Zeit war ich immer misstrauisch, sobald das Wort "Liebe" fiel. Das Gefühl, das sich mir mit dem „Weiblichen" verband, war lange Zeit: natürliche Unzuverlässigkeit. "Vater" bedeutete für mich Zuverlässigkeit und - Ohnmacht." Der Junge leidet an psychosomatischen Erkrankungen, und nachts befallen ihn Ängste. Seine Mutter lehrt ihn ein Nachtgebet, das er jeden Abend beten "muss". In seinen Erinnerungen schildert Jung, wie ihm als Kind der Jesus, den ihm dieses Gebet sowie andere aufgeschnappte Ereignisse, Aussagen und Lehrsätze vermitteln, zu etwas Ungeheurem anwächst - ?eine Art Totengott".
Während er dem Vater und Pastor gegenüber skeptisch bleibt, schildert er seine Mutter mit mehr Wärme: „Meine Mutter war mir eine sehr gute Mutter. Sie hatte eine große animalische Wärme..., eine ausgesprochene literarische Begabung, Geschmack und Tiefe. Aber das kam eigentlich nirgends recht zum Ausdruck; es blieb verborgen hinter einer wirklich lieben dicken, alten Frau... Sie hatte alle hergebrachten traditionellen Meinungen, die man haben kann, aber handkehrum trat bei ihr eine unbewusste Persönlichkeit in Erscheinung, die ungeahnt mächtig war - eine dunkle große Gestalt, die unantastbare Autorität besaß - darüber gab's keinen Zweifel."
Jungs Schilderung seiner eigenen Kindheit, wie er sie in hohem Alter in "Erinnerungen, Träume, Gedanken" niedergelegt hat, liest sich wie ein religiös zu nennendes Ringen. Carl ist geprägt vom elterlichen Pfarrhaus und dem Versuch seiner Eltern, ein frommes Leben zu führen. Die Formen und Riten, die ihm präsentiert werden, kommen ihm jedoch, verglichen mit dem eigenen inneren Erleben, schal und hohl vor. Das Kind wird von Träumen und Visionen heimgesucht. […] Wenn Jung später in seinen Schriften stets von neuem Aussagen über den psychologischen Aspekt der Gottesidee machen wird, die immer wieder auf Kritik, nicht nur von theologischer Seite, stoßen werden, so geschieht dies zweifelsohne auf diesem Hintergrund. Wiederholt wird er betonen, dass er nur als Seelenarzt und Wissenschaftler spricht; doch lässt er immer einen Raum spürbar offen, in welchem seine frühe Erfahrung gilt: und darüber soll man schweigen.
Im Alter von drei oder vier Jahren erlebt er seinen ersten Traum, seine "Uroffenbarung", den er aber erst als Dreiundachtzigjähriger, erzählen wird. Dieser Traum begleitet kontrastiv als dunkler Widerpart die Lichtgestalt Christi. "Der Phallus dieses Traumes scheint auf alle Fälle ein unterirdischer und nicht zu erwähnender Gott zu sein. Als solcher ist er mir durch meine ganze Jugend geblieben und hat jeweils angeklungen, wenn vom Herrn Jesus Christus etwas zu emphatisch die Rede war." Damals, so stellt er fest, habe sein geistiges Leben seinen unbewussten Anfang genommen. Gerhard Wehr macht auf die auffallende zeitliche Nähe zu Friedrich Nietzsche aufmerksam: Dieser, ebenfalls ein Pfarrerssohn, schreibt 1881 in "Sils Maria" seine epochenprägende Proklamation "Gott ist tot" nieder. Im geistesgeschichtlichen Kontext sieht Wehr sie beide "neue Horizonte inmitten der Gottesfinsternis" erspähen. Für Jung selber war Nietzsches "Zarathustra" nach Goethes "Faust" die zweite Begegnung mit einer verwandten Seele. Seine inneren Erlebnisse behält der Junge für sich. "Dieser Besitz an Geheimnis hat mich damals stark geprägt. Ich sehe es als das Wesentliche meiner frühen Jugendjahre an, als etwas, das für mich höchst bedeutend war." […]
Bis in sein hohes Alter wird sich Jung, der keiner anerkannten Konfession beigetreten ist, immer wieder auf seine persönliche Erfahrung berufen: „Auch heute bin ich einsam", bekennt er wenige Jahre vor seinem Tod, „weil ich Dinge weiß und andeuten muss, die die anderen nicht wissen und meistens auch gar nicht wissen wollen." […]
1914
Nach der Trennung von Freud folgt eine Zeit innerer Unsicherheit, ja Desorientiertheit. Jung lässt sich nun auf eine Auseinandersetzung mit dem Unbewussten ein. Die Flut von Bildern aus dem Unbewussten ist derart überwältigend, dass er sich veranlasst sieht, seine akademische Laufbahn aufzugeben.
Vor dem Ersten Weltkrieg wird er wiederholt von Visionen befallen, in denen ein Meer von Blut Europa bedeckt. Als dann der Krieg ausbricht, sieht Jung seine wichtigste Aufgabe darin, sich auf sich selber zu besinnen, zu begreifen, inwiefern sein eigenes Erleben mit dem der Kollektivität zusammenhängt. „Ich lebte ständig in einer intensiven Spannung, und es kam mir oft vor, als ob riesige Blöcke auf mich herunterstürzten." Innere Beruhigung tritt in dem Masse auf, wie es ihm gelingt, die Emotionen in Bilder zu fassen, und indem er das Ganze als ein wissenschaftliches Experiment betrachtet, gewinnt er etwas Distanz. Als „soror mystica" steht ihm Toni Wolff bei seiner „Nachtmeerfahrt" als eine unentbehrliche Bezugsperson bei.
Er lässt sich von den Phantasiegestalten seiner Seelenbühne zur Erkenntnis führen, „dass es Dinge in der Seele gibt, die nicht ich mache, sondern die sich selber machen und ihr eigenes Leben führen". Auf diese Art begegnet er jenem Seelenaspekt, den er „Anima" nennen wird: seinem weiblichen Teil des Unbewussten. Sie wird ihm zur Vermittlerin zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Er stösst hier auf einen Archetyp, dessen Entsprechung bei der Frau er „Animus" nennen wird. Der Bearbeitung des Materials, das es da aus den Tiefen des Unbewussten angespült hat, wird von dieser Zeit an sein ganzes Werk und Leben gewidmet sein. [aus: Biographie, CGJung.com]
siehe auch:
- Carl Gustav Jung (Werner Stangl, Arbeitsblätter)
- Astrologie/Jung: Lageschema am Himmel (SPIEGEL 14/1968, 01.04.1968)
- Enthüllte Briefe (SPIEGEL 32/1970, 03.08.1970)
- Psychoanalyse: Verfluchte Briefe (SPIEGEL 15/1974, 08.04.1974)
- Wotans Erwachen (SPIEGEL 13/1977, Original)
- Psychoanalyse – Gewöhnliche Poesie (SPIEGEL 12/1982, 23.02.1982)
- „Neue Hochzeit mit einem Propheten“ (SPIEGEL 5/87, 26.01.1987)
- Fragiles Selbst (SPIEGEL 32/1997, 04.08.1997)
- C. G. Jungs «Rotes Buch» – das beeindruckende Vermächtnis eines Analytikers des kollektiven Unbewussten – Die Nachtseite der Seele (Andrea Köhler, 14.10.2009)
- SPIEGEL-Gespräch: „Künstler sind wie Seelenärzte“ (SPIEGEL 45/2011, 07.11.2011)
- Vater im Himmel (SPIEGEL 6/2014, 25.11.2014)
- Das Rätsel der Schizophrenie (in: Andrea Molzino, Schizophrenie – eine philosophische Erkrankung?, Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, GoogleBooks, S. 44)
- Biographie (Chaoskind)
- War C.G.Jung schizophren ? (Forum GIGA, 19.03.2005)
- C.G.Jung (Frank Sacco, siehe auch: Das Sacco-Syndrom)
- C.G. Jung, konservativer Verkünder psychiatrischer Grundannahmen - eine weitgehend übersehene Tatsache (Marc Rufer, Forum Meinungsverbrechen, 22.04.2013)
- Nachtmeerfahrten, Sabina Spielrein und eine Flaschenpost an Verena Kast (Post, 04.12.2011)
über den Individuationsprozeß:
- Der Individuationsprozeß in der analytischen Psychologie C.G. Jungs (Tewes Wischmann, Datum unbekannt)
Die Auseinandersetzung mit den archaischen kollektiven Bildern des Unbewußten als Aufgabe der I. kann also Gefahr laufen, daß die archetypischen Komplexe aufgrund ihrer "Numinosität" das Ich-Bewußtsein inflationieren. "Die Individuation wäre eine geordnet verlaufende ,Psychose', die Psychose eine mißglückte Individuation" (Blomeyer 1975, S. 260). "Wie die Neurose, so ist auch die Psychose in ihrem inneren Verlauf ein Individuationsprozeß, der aber nicht ans Bewußtsein angeschlossen ist und darum als Ouroboros im Unbewußten verläuft" (Jung, in Jacobi 1971, S. 44 f). Daraus ergibt sich allerdings auch der positive Aspekt zumindest der neurotischen Störung eines Menschen, denn "seine Neurose hat den Sinn daß er zu einer vollständigen Persönlichkeit wird, und das schließt Anerkennung seines ganzen Wesens, seiner guten und schlechten Seiten, seiner entwickelten und minderwertigen Funktionen ein, sowie die Fähigkeit, selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen" (Jung 1975, S. 167)[24].- Haben Psychosen auch was Positives? (Kompetenznetz Schizophrenie, Diskussionsforum, ab 13.05.2011)
Psychose als Entwicklungsschritt? Das sei zynisch, meinte mein Psychiater. Ich hatte ihm von meiner Internetlektüre erzählt, nach der eine Psychose auch als Entwicklungsschritt verstanden werden könne und nach dem die Medikamente eine wichtige persönliche Transformation einfach abwürgten. Er kenne niemanden, der eine Psychose lustig gefunden habe, es sei zynisch eine Krankheit als Entwicklungsschritt zu bewerten. Das sei ein Ungleichgewicht im Stoffwechsel und müsse behandelt werden. [Zora, 13.05.2011]
Gerade diese Woche bin ich darauf auch wieder hingewiesen worden durch einen Film, der "Das Steinzeitrezept" hieß, und über den ich woanders hier im Forum heute schon mal geschrieben habe.- Carl Gustav Jung (Chaoskind, Datum unbekannt)
Es ist für mich verblüffend zu sehen, dass die doch so einfache und nachvollziehbare Erkenntnis so vernachlässigt wird, dass wir Menschen uns Jahrmillionen in der afrikanischen Savanne entwickelt haben und erst seit 5000-10000 Jahren Ackerbau und Viehzucht betreiben und eine Zivilisation aufgebaut haben und erst seit knapp 100 Jahren in etwa in den Verhältnissen leben, in denen wir heute leben.
Wir sind von unserer ganzen Natur nicht an das Leben, das wir heute und hier führen, angepasst. Wir sind ausdauernde Läufer, Allesfresser, vor allem Früchte, Gemüse und Fleisch, soziale Wesen in einem stabilen Sippenverband, die ständig von Raubtieren bedroht sind, die lange Phasen Hunger leiden und nichts zu Essen und zu Trinken finden, und sich dann irgendwann wieder den Bauch vollschlagen und feiern, ein unregelmäßiges Leben, wo man nachts auch überfallen werden kann und auch tagsüber vorsichtig sein muss. Unser Gehirn haben wir, um ein solches Leben erfolgreich leben und sich fortpflanzen zu können.
Wir, die wir heute leben, sind die Nachkommen von denen, die dieses Leben erfolgreich bestanden haben. Die eben alles überstanden haben, was da an Not, Krankheiten, Gefahren und Entbehrungen war.
So ist unser Gehirn aufgebaut. Dann sind wir in einer Famile aufgewachsen, zur Schule gegangen, haben gearbeitet in einem regelmäßigen Ablauf, hatten immer was zu essen und die einzige Gefahr war, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt.
Unser Leben ist ganz anders als das Leben, für das wir geboren wurden. Wenn wir unsere biologischen Wurzeln zu sehr verleugnen und missachten, dann werden wir krank. Seelische Krankheiten, körperliche Krankheiten, Allergien, Unverträglichkeiten, alles das kann kommen.
Ich denke, ich habe es jetzt gelernt. Man muss das Leben nehmen wie einen langen, ewigen Campingurlaub. Dann kommt man klar. Vor der Psychose war ich eingezwängt in meinen stereotypen Lebensvorstellungen. Heute orientiere ich mich endlich nach dem, wer ich eigentlich bin.
Ich sag ja nicht, dass ich das immer so kann, aber das ist das, was ich durch die Psychose gelernt habe: Zu sein, wer ich bin. [Oknos, 14.05.2011]
Archetypen sind "Energiekomplexe", die besonders in Träumen, Neurosen und Wahnvorstellungen ihre Wirkmacht entfalten. Jung erklärt eine Psychose, die unter anderem dann entstehen kann, wenn eine Neurose nicht behandelt wird, als Überhandnehmen des Unbewussten, das sich des Bewusstseins bemächtigt, um dessen Einstellung zu korrigieren und das Individuum auf dem Weg zur Ganzwerdung zu befreien. Die nun "symbolisch" wirksamen Archetypen zielen darauf ab, die Gesamtpersönlichkeit wieder ins Lot zu bringen, indem sie urzeitliche, durch Numinosität sehr attraktive Zielbilder ins Bewusstsein aufsteigen lassen. Diese Bilder und die Beschäftigung der Seele mit ihnen haben die Aufgabe, der Persönlichkeit eine fundamentale Balance zurückzugeben, Sinn und Ordnung zu stiften. Sie manifestieren sich daher in symbolischen Bildern universeller Gültigkeit, die einen beträchtlichen Anteil am Leben eines jeden haben. Das Selbst ist das Zentrum der Persönlichkeit. In ihm werden alle gegenläufigen Teile der Persönlichkeit zusammengefasst und vereinigt. Es ist das Ziel des lebenslangen Individuationsprozesses, der im wesentlichen daraus besteht, möglichst große Teile des Unbewussten dem Bewusstsein einzugliedern. Die "Individuation" setzt immer neue und umfassendere Anpassungsleistungen der Persönlichkeit voraus und in Gang. Er findet auf der "Ich-Selbst-Achse" statt.
C.G.Jung im Gespräch (Originalaufnahme 1960) [36:37]
Veröffentlicht am 15.11.2013
"Ich habe es nicht nötig an Gott zu glauben, ich weiss es." Über das Religiöse, die Archetypen, die Wichtigkeit der Träume, die Schwierigkeit der Vermittlung, die Bedeutung des Einzelnen, die Unterbewertung der menschlichen Seele, das Ergriffen-Sein, die Sinnfrage und das Numinose (Gespräch aus Anlass des 85. Geburtstages. Georg Gerster, 1960).
Teil der C.G. Jung-Playlist (deutsch): https://www.youtube.com/playlist?list...
Ein legendärer Psychoanalytiker spricht offen über die kranke Gesellschaft. [2:09]
Hochgeladen am 21.10.2011
Erich Fromm über den angepassten Menschen
Die Zwangspsychiatrisierung der Gesellschaft und deren Therapie durch die Pharmakonzerne http://youtu.be/37hQoQaauFA
Irre! Wir behandeln die Falschen: https://startpage.com/do/metasearch.p... (Literatur-Tipp)
Psychologie für Nicht-Psychologen:
http://youtube.com/watch?v=M5CeT3Zash... ...ein Vortrag von Erich Fromm am 1. Nov. 1973
...und ein paar Zitate: http://de.wikiquote.org/wiki/Erich_Fromm
Mensch, der Sieger schreibt Geschichte.
Sie lehrt dem Menschen, dass er aus ihr nichts lernt.
!! Die Frankfurter Schule:
· http://mister-wong.de/doc/fromm_25959...
· https://startpage.com/do/metasearch.p...
· http://youtube.com/results?search_typ...
· https://startpage.com/do/metasearch.p...
Erich Fromm war Teil jener Denkfabrik.
https://secure.wikimedia.org/wikipedi...