Samstag, 22. Oktober 2016

Freuds Widmung

Vergangenheit Ein italienischer Forscher geht in seinem Buch der Frage nach, wie nah sich Sigmund Freud und Benito Mussolini standen

Der Historiker Roberto Zapperi publizierte kürzlich im Berenberg Verlag eine Studie zum Verhältnis zwischen Sigmund Freud und Benito Mussolini. Anlass hierzu gab ihm eine schriftliche Widmung Freuds an Mussolini, in der Freud den italienischen Machthaber schmeichelnd als „Kultur-Heros“ bezeichnet. Die Befürchtung, dass Freud Sympathien für Mussolini hegte, wird mit dieser detaillierten Studie jedoch in schnellen Schritten widerlegt.

Zapperi deckt schrittweise auf, wie es zur Entstehung der Widmung kam, zu der Freud von Personen, die Mussolini nahestanden, eher genötigt wurde, als dass er sie aus freien Stücken verfasst hätte. Zudem hatte Freud die Widmung in das Buch „Warum Krieg? Ein Briefwechsel“ geschrieben. Dass Freud gerade seinen publizierten Briefwechsel mit dem Pazifisten Albert Einstein zur Widmung an Mussolini auswählte, ist sicherlich als bewusst gewählte Entscheidung und Hinweis an Mussolini zu deuten. Nachdem Zapperi überraschender Weise schon im ersten Kapitel seines Werkes die Ausgangsfrage (Wie und warum kam es zu der Widmung?) geklärt hat, widmet er sich einem weiter gefassten Thema, nämlich der Situation italienischer Psychoanalytiker in der Zeit des Faschismus. (Insofern ist der Titel des Buches etwas irreführend gewählt, da es den Anschein erweckt, als würde es sich sehr tiefgehend nur um diese beiden Figuren drehen, wohingegen das Buch vielmehr das größere Netzwerk aus Personen der Kultur- und Psychologenszene und ihre jeweiligen Verstrickungen beschreibt.)

Die Psychoanalyse ist zu dieser Zeit in Italien nur wenig bekannt oder anerkannt, gleichwohl werden den praktizierenden Vertretern von der Verwaltung und der Polizei Steine in den Weg gelegt. Teilweise erscheinen die Schikanen lächerlich, wie zum Beispiel das Verbot für italienische Psychoanalytiker, von der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung aufgenommen zu werden. Nicht wenige Psychoanalytiker mussten Italien später aufgrund ihres jüdischen Hintergrundes verlassen. Auch Freud selbst wurde von der italienischen Polizei streckenweise mit Haftbefehl gesucht. Der schon an Krebs erkrankte Erfinder der Psychoanalyse wusste jedoch nichts davon und bedauerte zeitgleich in Briefen an den Psychoanalytiker Edoardo Weiss, nicht wie sonst den September in Rom verbringen zu können.

mehr:
- Freuds Widmung (Marie Mohrmann, Freitag-Community, 20.10.2016)
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