Veröffentlicht am 19.04.2016
Premiere am 16. April 2016
Inszenierung und Bühne: Patrick Schlösser
Kostüme: Uta Meenen
Licht: Christian Franzen
Dramaturgie: Thomaspeter Goergen
Besetzung
Vorsitzende: Eva-Maria Keller
Lars Koch, Angeklagter: Franz Josef Strohmeier
Biegler, Verteidiger: Christoph Förster
Nelson, Staatsanwältin: Sabrina Ceesay
Christian Lauterbach, Vorgesetzter: Bernd Hölscher
Franziska Meiser, Ehefrau eines Opfers: Ingrid Noemi Stein
Wachtmeister: Dankwart Pankow-Horstmann
Protokollführerin / Soufflage: Britt Astrid Bauer
Terroristen kapern ein Flugzeug mit 164 Passagieren. Sie nehmen Kurs auf die Allianz-Arena in München, Austragungsort eines Spiels England/Deutschland mit 70.000 Besuchern. Die Jagdflugzeuge der Bundeswehr können das Flugzeug nicht abdrängen. 25 Kilometer vor dem Ziel aktiviert Major Koch einen Lenkflugkörper seines Kampfjets. Um 20.21 Uhr trifft dieser die Lufthansamaschine. Lars Koch steht heute vor Gericht, die Anklage lautet Mord in 164 Fällen.
Ferdinand von Schirach, für seine glasklare Justiz-Prosa unter anderem mit dem Kleist-Preis und dem japanischen Honya Taishō geehrt, lässt ein 9/11 in Deutschland verhandeln, als Szenario, das uns über die (mal seriösen, mal sensationellen) Spekulationen der Medien durchaus näher gerückt scheint. Wo der attische Staat sich be/gründete, zwischen Theater und Gericht, prüft er die provokante These seines Essays »Die Würde ist antastbar«, dass Terrorismus über Demokratie entscheide. Und zwar als interaktives Spiel zwischen Bühne und Publikum.
Wenn Richter, Staatsanwalt, Zeugen, Anwälte der Verteidigung und der Opfer sowie der Angeklagte die Bühne der Justiz betreten, entfaltet sich ein Diskurs über Qualität und Quantität von Justiz, Opferzahlen gegen Opferzahlen, Gehorsam gegen Befehle und Verfassungsgerichtsurteile, aber auch über den Willen eines Staates, Tod zu veranlassen – bis hin zur Auswahl jener Piloten, welche die tödlichen Eurofighter befehligen.
Von Schirach spielt die klar zu verantwortende Entscheidung der Allgemeinheit zu, ernennt das Publikum zu einer Gemeinschaft von Schöffen. Welches Urteil gefällt wird, ist somit jeden Abend offen und ist jedes Mal die Frage an uns selbst: Denn im Maß der Strafe, so erklärt der Rechtsphilosoph Hegel, enthüllt sich nichts Geringeres als das Schwanken oder die Festigkeit einer Gesellschaft!
Die Zuschauer wurden im Film "Terror" dazu verleitet, die Menschenwürde zu verraten. Wie die ARD sie in die Amtsanmaßung und in ein Fehlurteil getrieben hat.
Der ARD-Themenabend zu Terror - Ihr Urteil hat sein Thema nicht verfehlt; er hat es verstörend gut getroffen; er hat das Thema so gut erklärt, wie man es besser kaum erklären kann - fesselnd und bedrückend zugleich.
Der Fernsehfilm nach dem Theaterstück Ferdinand von Schirachs hat die Fragen so gestellt, dass sie das Herz zugeschnürt, den Kopf gemartert und das Gewissen geschüttelt haben: War es Recht oder Unrecht, ein von Terroristen entführtes Verkehrsflugzeug abzuschießen? Hat sich der Todesschütze, Kampfpilot der Bundeswehr, schuldig gemacht? Muss er bestraft werden, und wenn ja, wie? Was sagt das Bundesverfassungsgericht, was der Befehl, was das Gewissen?
Eineinhalb Stunden lang hat der Film Gründe und Abgründe einer tragischen Entscheidung ausgeleuchtet.
Zu schlechter Letzt aber, nach den Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger, haben Ferdinand von Schirach (der unter Mitwirkung von Regisseur Lars Kraume und Produzent Oliver Berben auch das Drehbuch geschrieben hat) und die ARD das Thema und den Film in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken missbraucht, um des billigen Plots und des interaktiven Effekts willen.
Nur angeblich nämlich hat der Themenabend die Zuschauer besonders ernst genommen, indem er sie zu Laienrichtern erklärte und zu einer Abstimmung drängte. Abgesehen von der unanständig kurzen Zeit, in der sie ihr Urteil fällen sollten, verschwammen hier die fiktionale und die reale Ebene.
mehr:
- Terror als Populisten-Porno (Heribert Prantl, der Freitag, 18.10.2016)
siehe auch:
- Die Psychologie von "Terror" (Stephan Schleim, Telepolis, 25.10.2016)
Ferdinand von Schirachs "Terror" im Expertengespräch [1:00:06]
Veröffentlicht am 14.12.2015
Der spitze Kreis
Berliner Kritiker im Gespräch über aktuelle Produktionen aus Oper, Ballett, Schauspiel und Konzert. Talk mit Gästen und Kostproben aus aktuellen Aufführungen. Heute u.a. Deutsches Theater "Terror" und Komische Oper "Schneewittchen und die 77 Zwerge".
Was geschieht, wenn ein Passagierflugzeug von Terroristen entführt wird und auf ein ausverkauftes Fußballstadion zurast? Was geschieht, wenn der Terror unseren Alltag beherrscht? Welche juristischen, moralischen und philosophischen Mittel hat unsere Gesellschaft in solch einer Ausnahmesituation? Darf die Würde des Menschen angetastet werden, wenn dadurch vermeintlich mehr Menschen gerettet werden können?
Anhand eines juristischen Konstrukts werden diese Fragen in Ferdinand von Schirachs erstem Theaterstück plastisch: An Bord von Flug LH 2047 von Berlin-Tegel nach München sind 164 Menschen. Die Maschine, von einem Terroristen entführt, nimmt Kurs auf die Allianz Arena. Major Lars Koch, Pilot eines Kampfjets der Bundeswehr, muss reagieren. Wie lauten seine Befehle? Soll er, darf er die Passagiermaschine abschießen, wenn die Terroristen nicht einlenken? Die Uhr tickt, und Lars Koch trifft eine Entscheidung. Wenige Wochen später muss er sie vor einem Schöffengericht rechtfertigen.
Quelle: https://www.deutschestheater.de/progr...
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siehe auch:
- Die ARD, das Recht und die Kunst : "Terror" – Ferdinand von Schirach auf allen Kanälen! (Thomas Fischer, ZON, 18.10.2016, Hervorhebung in folgendem Zitat von mir)
siehe auch:Wenn man, wie der Kolumnist, seit vielen Jahrzehnten in der Justiz arbeitet, Tausende von "Fällen", Zehntausende von Schicksalen und ebenso viele Meinungen dazu gelesen, gehört, bedacht und entschieden hat, erscheint es einem faszinierend, mit welcher Bedingungslosigkeit und auf welch bedrückend niedrigem Niveau sich Menschen in Schlachten um "Wahrheiten" im Einzelfall stürzen, obwohl nichts auf der Welt sie dazu legitimiert und befähigt als ihre eigene Selbstgewissheit. Mit solchen Menschen über heilige Wahrheiten zu streiten, hat keinen Sinn: Man muss den Chefredakteur von auto motor und sport nicht fragen, ob er für Tempo 100 ist. Und man ahnt, wie die Beurteilung der Chancengleichheit in Deutschland ausfällt, wenn man wahlweise die Arbeitsloseninitiative Duisburg-Nord, den Verband der Jungen Unternehmer Baden-Württemberg, den Bezirksvorstand der GEW oder den Betriebsrat der RWE fragt. Geschenkt!
- "Terror" im Fernsehen (Stephan Schleim, Telepolis, 24.10.2016)
mein Kommentar:
Ich möchte mir nicht vorstellen, was in Deutschland los wäre, würde Major Koch, also der, der – so setzt das Theaterstück voraus – die gekaperte Lufthansa-Maschine abgeschossen hat (und nun deswegen vor Gericht steht), hätte also dieser Major Koch, obwohl er die Maschine hätte abschießen können, sie nicht abgeschossen hätte.
Da wäre was los!
A two-year-old's solution to the trolley problem [0:26]
Veröffentlicht am 31.08.2016
I'm teaching a moral psychology class this semester, and we spent part of the first day discussing the trolley problem, which is a frequently used ethical dilemma in discussions of morality. When I returned home that night and was playing trains with my son, I thought it would be interesting to see his response to the trolley problem. I recorded his response so that I could share and discuss it with my class, given especially that we also will be discussing moral development from birth onward. My wife and I are constantly talking with our son about how properly to treat others -- so this has been teachable moment both for my class and for our son!
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aktualisiert am 28.10.2016
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