Freitag, 31. Oktober 2014

»Mäuse«

An diesem Abend ging ich hinauf in den zweiten Stock des Forschungsinstituts: dabei stolperte ich auf der unbeleuchteten Treppe über einen Spucknapf. Als ich an die Tür klopfte. sagte eine Stimme: »Augenblick«, dann öffnete ein junger Mann mit muskulösen Schultern und langen Armen. die bis zu den Knien hinab zu reichen schienen, die Tür. Er war einen ganzen Kopf größer als ich. »Ich bin Little Guo«, sagte er und schüttelte mir unter Einsatz seines gesamten Oberkörpers die Hand, daß mir die Zähne klapperten. Er bat mich in sein Labor, in dem dicht an dicht dreißig oder mehr Hocker standen. Bereits beim Eintreten spürte ich, daß sich ringsum allerhand bewegte, doch brauchte ich ein paar Sekunden, um mir Klarheit zu verschaffen über das, was ich da sah. Auf jedem Schemel hockten drei Mäuse, beschnupperten nervös die Ränder der Sitzfläche und spitzten gelegentlich hinunter, als wollten sie gleich springen.

»Mäuse!« sagte Little Guo, klatschte mir kräftig auf die Schulter und strahlte. Er erklärte mir, daß er derzeit ein Experiment durchführe, bei dem Mäuse in Dreiergruppen gekennzeichnet und gewogen werden, weil man ihre Abwehrkräfte gegen eine bestimmte Krankheit testen wolle.


»Aber springen sie denn nicht herunter?«, fragte ich ihn.


»Nein, sie haben Angst vor der Höhe! Das habe ich schon früher ausprobiert.«


Während er die Mäuse wog, erzählte er mir, sein Lehrer Zheng sei ein hervorragender nei-gong-Boxer. Nei-gong bedeutet wörtlich »innere Fähigkeit« und bezieht sich auf Kampfkunststile wie etwa t'ai-chi-ch'uan […]


Wir trafen eine Verabredung für die nächste Woche und wollten uns soeben über einen Treffpunkt einigen, als es plötzlich geschah: Eine Maus hatte ihre Angst vor der Höhe überwunden und sprang auf den Boden, flitzte wie verrückt herum und quietschte hingebungsvoll. Sofort wurden auch die anderen Mäuse ganz aufgeregt, beugten sich wei ter über die Ränder ihrer Schemel und folgten den Bewegungen der herumsausenden Maus mit Augen und Ohren. 


»Das ist doch unmöglich!« Little Guo stürzte sich auf die Maus, verfehlte sie aber. Die Maus wetzte, verfolgt von Little Guo, unter den Hockern hindurch und blieb schließlich in einer Ecke des Raumes unter einem Labortisch stehen. Bedächtig kroch Little Guo auf sie zu, die riesigen, derben Hände wie Schaufeln zum Zupacken bereit. Ich wollte nicht hinsehen, weil ich so das Gefühl hatte, Little Guo würde gleich auf der Maus landen und sie zerquetschen, aber bevor er sich auf sie stürzte, flitzte sie nach links weg und entwischte. Little Guo wirbelte herum, um ihr nachzusetzen, traf dabei mit seinem Unterarm einen Hocker und fegte weitere drei Mäuse in die Freiheit. Wilde Aufregung ergriff die noch auf ihren Schemeln hockenden Mäuse, die jetzt eine nach der anderen auf den Boden sprangen.


Iron And Silk Trailer 1991 [1:26]

Veröffentlicht am 22.10.2014
Iron And Silk Trailer 1991
Director: Shirley Sun
Starring: Mark Salzman, Pan Qingfu, Jeanette Lin Tsui, Vivian Wu, Sun Xudong,
Official Content From Live Home Video
The adventures of an American teacher in China. One of the few recommended martial arts pictures!
Movie, Iron And Silk Movie,Iron And Silk Trailer,Iron And Silk 1991, Shirley Sun,Mark Salzman, Pan Qingfu, Jeanette Lin Tsui, Vivian Wu, Sun Xudong,
siehe auch:
- MARK SALZMAN: An Atheist in Free Fall (New York Library, 27.02.2011)
Author Mark Salzman (Iron and Silk, The Soloist, Lying Awake), became a stay-at-home parent in 2001. Eight years and three failed book manuscripts later, he had a nervous breakdown.
He joins LIVE to tell a sad story with a happy ending


Meet Mark Salzman [3:56]

Hochgeladen am 23.01.2012
Mark Salzman's career as a novelist and memoirist, classically trained cellist, actor, and martial artist have earned him innumerable accolades and awards over the course of his life. "If there were a prize for most winning writer, Salzman would cop it," wrote The New York Times. His first book, the bestselling memoir Iron & Silk, was nominated for a Pulitzer Prize and made into a film of the same name, starring Salzman as himself. In his new memoir, THE MAN IN THE EMPTY BOAT, Salzman confronts a year of catastrophe in which he suffers from acute anxiety, debilitating panic attacks, and a crippling case of writer's block, all compounded by the sudden loss of his sister. Here Salzman speaks about what inspired him to get through one of the most difficult times in his life, then click to explore his work now available as an ebook from Open Road Media.


Dienstag, 28. Oktober 2014

Nicht zu genau hinsehen!


Genau besehen
 
Wenn man das zierlichste Näschen
Von seiner liebsten Braut
Durch ein Vergrößerungsglas
Näher beschaut,
Dann zeigen sich haarige Berge,
Daß einem graut.

Joachim Ringelnatz  (1883-1934)

Sonntag, 26. Oktober 2014

It's the love, stupid

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Alle warten auf den Richtigen. Jenen Partner, mit dem sie für immer zusammen bleiben. Vielleicht schalten wir mal einen Gang runter, machen uns locker und lassen das Leben kommen 

Kinder sind der Grund, um Ehen zu schließen. Und nicht geschlossene Ehen sind der Grund, keine Kinder zu bekommen. Wieso haben wir bloß noch immer dieses romantische Bild der perfekten Beziehung im Kopf, wenn es darum geht, loszulegen mit dem Nachwuchs? 

 Diese sogenannte normale Familie ist sowieso ein Auslaufmodell. Fast jede dritte Familie hat sich mittlerweile verabschiedet vom Muster „Vater, Mutter, Kind“. Für den Mikrozensus von 2013 wurden 20 Prozent Alleinerziehender und zehn Prozent nichtehelicher oder gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ermittelt. Das Rad dreht sich weiter: „Vater, Mutter, Kind – forever, foreverever“ ist nicht das Modell, auf das man setzen sollte.
mehr:
- Konservatives Familienmodell – Vergesst Vater, Mutter, Kind (Cicero, 26.10.2014)


Freitag, 24. Oktober 2014

Der neoliberale Charakter

Identität Wir leben in einer Wirtschaft, die das Ethos verändert und psychopathische Persönlichkeitsmerkmale belohnt 

Stabil und von äußeren Einflüssen weitgehend unabhängig: So betrachten wir gemeinhin unsere Identität. Im Laufe jahrzehntelanger Forschung und therapeutischer Praxis bin ich allerdings zu der Überzeugung gelangt, dass wirtschaftliche Veränderungen nicht nur auf unsere Wertvorstellungen, sondern auch auf unsere Persönlichkeit großen Einfluss haben. 30 Jahre neoliberales Wirtschaften, immer weiter dereguliert wirkende Marktkräfte und Privatisierung fordern ihren Tribut. Gnadenloser Erfolgsdruck ist zur Norm geworden. Die neoliberale Leistungsgesellschaft fördert bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und bestraft andere.

Bestimmte Eigenschaften sind für das berufliche Weiterkommen heute unabdingbar. Am wichtigsten ist es, sich gut ausdrücken zu können, denn man muss so viele Menschen wie möglich für sich gewinnen. Der Kontakt kann dabei nur oberflächlich sein, das fällt nicht weiter auf. Schließlich trifft dies heutzutage auf die meisten zwischenmenschlichen Kontakte zu.

Des Weiteren muss man sich und die eigenen Fähigkeiten „gut verkaufen“ können – man kennt viele Leute, verfügt über jede Menge Erfahrung und hat erst vor kurzem ein größeres Projekt beendet. Wenn sich später herausstellt, dass das meiste davon heiße Luft war, ist dies lediglich der Ausweis für eine andere nützliche Eigenschaft: Man ist in der Lage, überzeugend zu lügen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Deshalb übernimmt man auch nie Verantwortung für sein Verhalten.

Außerdem ist man flexibel und impulsiv, immer auf der Suche nach neuen Anreizen und Herausforderungen. In der Praxis führt das zu riskantem Verhalten, aber keine Sorge – nicht man selbst wird hinterher die Scherben zusammenkehren müssen.


mehr:
- Der neoliberale Charakter (Der Freitag, 24.10.2014)


Foto: © Shutterstock – Nejron Photo


Erich Fromm über den angepaßten Menschen [2:10]

Hochgeladen am 15.04.2008
der legendäre Psychoanalytiker spricht offen über die kranke Gesellschaft



Carl Gustav Jung: "Der Einzelne ist der Lebensträger." [4:13]

Veröffentlicht am 02.10.2014
"Man begegnet überall dieser Unterbewertung der menschlichen Seele."
Ausschnitt aus einem Gespräch mit C.G. Jung aus dem Jahr 1960 (34 Min.) hier: https://www.youtube.com/watch?v=yBIhN...
aktualisiert am 10.11.2014

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Wahrnehmungspsychologie – Hauptsache, Sie sehen gut aus

Wer schön ist, muss den Knast kaum fürchten? Zum Glück funktionieren Rechtssysteme so nicht. Doch allein gutes Aussehen hilft, kompetent und vertrauenswürdig zu wirken.
mehr:
- Hauptsache, Sie sehen gut aus (ZEIT, 22.10.2014)

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Apple Siri: Autist freundet sich mich Sprachassistentin an

Eine ungewöhnliche Geschichte: Ein autistischer Junge hat eine ungewöhnliche Freundin gefunden, aber Apple Siri ist für ihn mehr als nur eine Sprachassistentin, denn Gus Newman führt ganze Gespräche mit Siri. 

Der 13-Jährige Gus ist Autist und hat ihn Siri die beste Freundin gefunden. Autisten sind meist hochbegabte Menschen, aber vor allem im sozialen Umgang mit anderen Menschen Schwierigkeiten haben. Die außergewöhnliche Geschichte um Gus und Siri wurde nun in der New York Times veröffentlicht.
mehr:
- Apple Siri: Autist freundet sich mich Sprachassistentin an (Netzwelt, 21.10.2014)

Sonntag, 19. Oktober 2014

"Make More Love" – Wenn Sex in die Jahre kommt

Aufklärungsbücher sind etwas für Jugendliche? Sie wissen schon alles über Sex? Spatz und Wal sind geübte Praktiken? Oder Sie haben bereits mit dem Thema abgeschlossen? Gut. Dann brauchen Sie ja nicht mehr weiterzulesen.


"Sex ist wie Luft: Nicht so wichtig – bis man zu wenig davon bekommt." - Sharon Stone


"'Make Love' mussten die Jugendlichen verstecken, damit ihre Eltern es ihnen nicht wegnehmen. Jetzt kriegen die Erwachsenen ihr eigenes Buch." Ann-Marlene Henning, die mit "Make Love", einem Aufklärungsbuch für Jugendliche, einen Bestseller landete, hat zusammen mit Anika von Keiser ein weiteres Buch geschrieben. Diesmal nicht für Pubertierende, sondern für alle, die vor der nächsten Herausforderung des Lebens stehen: dem Älterwerden. "'Make More Love' ist ein Buch für junge Alte ab Mitte 40, die noch lange Sex haben wollen und für alle anderen, die wissen möchten, was sie früher oder später erwartet", erklärt die Paar- und Sexualtherapeutin.

mehr:

Samstag, 18. Oktober 2014

Sind Wissen, Denken, Interpretationen, Aufmerksamkeit und Bewußtheit einfach nur Fragen der inneren Ökonomie?

Manchmal habe ich den Eindruck, daß Wissen und Denken zum großen Teil Energiefragen sind. Hört sich erst einmal seltsam an…

Man stelle sich einen Topf aus einem bestimmten Material (z. B. Filtertüten-Papier) vor, der zu einem bestimmten Anteil gefüllt ist. Dann soll ein Liter Flüssigkeit – repräsentierend zum Beispiel den Kernbrand in Fukushima, den Ukraine-Konlifkt und das Freihandels-Abkommen (heißt genauer gesagt: die Nachricht plus die dadurch individuell ausgelösten Phantasien und Gefühle) – zusätzlich eingefüllt werden. Was würde mit dem Topf passieren? 


Wenn das Material, aus dem der Topf besteht, das Gewicht des zusätzlich einzufüllenden Wassers auch noch trägt, würde der Topf möglicherweise überlaufen. Wenn das Material aber zu schwach ist, würde die zusätzliche Menge vielleicht reinpassen, aber das Gewicht würde den Topf zum Reißen bringen. (Ob das Fassungsvermögen durch die Größe oder das Material des Topfes beschränkt wird, ist zuerst einmal egal.)

Wie gehe ich also als mit Informationen um, die zuviel oder zu schwer sind (oder so empfunden werden – siehe Wegschauen und weglesen, Post, 04.10.2014)?

Da ist es von der Ökonomie her vielleicht einfacher, Nachrichten einfach zu ignorieren oder Zuweisungen (z. B.: »Wir sind die Guten«, und »Putin ist ein narzißtischer kleiner Hitler«) der die Deutungsmacht innehabenden Leitmedien einfach zu übernehmen. Die Abwehr das eigene Glaubenssystem infragestellender Informationen (siehe z. B. Giordano Bruno) würde dann durch die Etikettierung von Menschen mit anderen Interpretationssysstemen als »Putinversteher«, »rechtsradikal«, »antisemitisch« oder »anti-amerikanisch« unterstützt werden. 
Siehe dazu auch Der Ukraine-Konflikt 2 – Über unterschiedliche Meßlatten und die Verwendung von Sprache am Beispiel der Homosexuellen-Gesetzgebung in Deutschland und des israelisch-palästinensischen Konflikts (Post, 21.03.2014)

Unter diesem Aspekt betrachtet würde die BILD-Zeitung eine wichtige gesellschaftliche Stabilisierungsfunktion übernehmen: das Gefühl, sich um die Dinge in der Welt zu kümmern und das Gemeinschaftsgefühl stärken (»Wir sind Papst!«), unangenehme Gefühle in Richtung gemeinsamer Aufgeregtheit lenken, auch, indem gemeinsame Feindbilder geschaffen werden (»böser, expansionistischer Putin«, »ISIS-Monster«, »langhaarige, dreckige, faule 68er Studenten«), die gemeinsame Aufmerksamkeit in Richtung von Prominenten lenken, die erst aufgebaut, dann demontiert werden und zum Schluß reumütig zu Kreuze kriechen (z. B. Otto Fischer).


Vielleicht kämpfen wir alle (und mit »alle« meine ich sowohl »die da oben«, wie auch Journalisten und »das Volk«) einfach nur mit Überforderung. Das folgende und das letzte Video stellen für mich solche Überforderungssituationen dar. Da braucht man solch eindrucksvolle Phänomene wie das Milgram-Experiment oder das Unglück bei der Loveparade 2010 gar nicht als Begründung heranzuziehen …

Thresher's Off License fire CCTV {3:16}

Veröffentlicht am 24.04.2012

This raw CCTV footage has commentary by Dick Van Stratten of London Fire Brigade, who showed me this clip when he was my instructor at the Fire Service College not long after it was made.

It shows that human behaviour in fire is not always panic but the opposite (as tragically demonstrated at the infamous fire in Woolworths in Manchester 1979)



Es ist ziemlich gewagt, an der Stelle die (Atom-)Physik als Modell heranzuziehen, sei’s drum!

Zum ersten Video: ab 1:03:10 gibt Prof. Dürr anhand eines mehrachsigen Pendels ein eindrucksvolles Beispiel in der Makro-Physik für das, was er bis dahin in seinem Vortrag in der Welt der Atomphysik zu erklären versucht hatte: Die Welt ist nicht vollständig determiniert sondern voll von Wahrscheinlichkeiten. Das ist der Anknüpfungspunkt zum menschlichen Geist, den wir normalerweise (normalerweise soll heißen: wenn wir, wie wir dies gewöhnlicherweise tun, auf die Vorgänge in unserem Geist nicht achten) für solide halten, der aber in jedem Moment bestimmten Austauschvorgängen und inneren Gesetzmäßigkeiten unterworfen ist. 
Ob wir unser Verstehen der Welt – bzw. das Interagieren mit ihr – oder das Führen von Beziehungen (das ja nur ein Spezialfall des Verstehens der Welt sind bzw. des Interagierens mit ihr darstellt) betrachten: in jedem Augenblick ist unser Verstehen dessen, was geschieht – und damit unser Handeln – beeinflußt durch 
1. bestimmte Ausprägungen unseres Geistes (seien diese durch Vererbung oder durch unsere Sozialisation geprägt) und 
2. durch den mikrosekundengetakteten Austausch mit der Welt (in einer Beziehung: mit dem anderen) bzw. den mikrosekundengetakteten Austausch mit dem Bild der Welt (in einer Beziehung: mit dem Bild des anderen).
Die Ausprägungen (oder Neigungen) unseres Geistes bestimmten:
1. Das Zur-Kenntnis-Nehmen oder Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen bestimmter Dinge,
2. das Interpretieren dessen, was wir zur Kenntnis genommen haben und
3. – beeinflußt durch 1 und 2 – das Gewichten und Einordnen (heißt: Bedeutung zumessen und Kategorisieren) dessen, was wir nun als Bild von der Welt (bzw. des anderen) in unserem Geist – blitzschnell und normalerweise unbemerkt – hergestellt haben.
Um es noch exakter auszudrücken: nicht »wir« haben dieses Bild hergestellt, sondern bestimmte Kräfte in uns, die recht mechanistisch funktionieren. Die Gesamtheit dieser in unserer Seele wirkenden Kräfte, die darüber entscheiden, was wir wahrnehmen und wie wir das Wahrgenommene interpretieren, gewichten und einordnen, das ist unserer Charakter, und was wir davon wahrzunehmen gelingt, nennen wir dann »Ich«.


Wir erleben mehr als wir begreifen von Prof.Dr.Hans-Peter Dürr {1:37:29}

Hochgeladen am 28.06.2011

Wir erleben mehr als wir begreifen - Naturwissenschaftliche Erkenntnis und Erleben der Wirklichkeit
Seminar zum Dialog von Naturwissenschaft und Theologie

Prof. Dr. Hans-Peter Dürr
http://www.gcn.de/hpd.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Pet...


Zum zweiten Video: bei 15:50 sagt Prof. Dürr: »Es gibt gar kein Unabhängiges, was miteinander spielt, sondern alles ist von Anfang an miteinander verknüpft. Und deshalb ist auch das Spiel, was die Natur uns vorspielt, kein Würfelspiel, sondern es ist eigentlich mehr das Spiel eines Kindes, das schon mit einer gewissen Vorahnung, was es eigentlich spielen will, spielt. Nicht, daß es ein spezielles Spiel im Auge hat, aber es wird innerhalb eines gewissen Kontextes gespielt. […] Die moderne Physik sagt, daß die Grundlage nicht die Materie ist, […] sondern daß im Hintergrund etwas ist, was wir in der Physik Potentialität nennen. […] Wir schauen auf die Materie und denken: Das ist das Wesentliche. […] An diesem Gestaltungsprozeß ist nicht jeder Teil für sich, isoliert, beteiligt… […] Wir nehmen die Materie so wichtig, weil sie sich nicht in der Zeit verändert. […] Wir sollten diejenigen wichtig nehmen, denen in jedem Augenblick etwas Neues einfällt. Und da sollten wir den Menschen wieder in den Vordergrund rücken.«

Was ich als Psychotherapeut immer wieder erlebe, ist, wie Menschen auf das Bekannte, das immer wieder Erlebte, das Feststehende, fokussieren. Zum Beispiel die Eigenschaften ihres Partners, die ganz furchtbar nerven oder sogenannte Glaubenssätze, wie sich sie bei einigen Patienten höre: »Es hat ja sowieso keinen Zweck, es bringt ja doch nichts.« Dieses »doch nichts bringen« wird ununterbrochen durch die Tätigkeit des Geistes hergestellt, wobei auf die Erfolglosigkeit fokussiert wird anstatt auf die inneren (oder äußeren) Vorgänge zu achten, die diese Vergeblichkeit herstellen. 

Wenn Dürr sagt: »Die Zukunft ist offen«, so nehme ich, der ich ja beruflich an Veränderung arbeite, diesen Satz etwas skeptisch auf, muß ich doch immer wieder erfahren, wie sehr zwar Veränderung gewünscht, aber gleichzeitig an Altem festgehalten wird. 

Dürr weiter: »Deshalb brauchen wir auch das Instument der Hoffnung, weil uns die Hoffnung ein Bild gibt, wie wir die Zukunft gestalten wollen. […] Und die Hoffnung kann realisiert werden. Und wir sind nicht total gebunden […] Die Naturgesetze sagen uns: Wir können etwas tun, was es vorher noch nicht gegeben hat.«

Wunderbar ist das Gleichnis des Fischers, der glaubt, daß alle Fische größer als 5 cm sind, weil das die Maschenweite seines Netzes ist. (ab 22:55)


Hans-Peter Dürr - Das Geistige ist die treibende Kraft. {32:42}

Veröffentlicht am 11.03.2013
Prof. Dr. Hans-Peter Dürr im Interview an seinem Arbeitsplatz im Münchner Max-Planck-Institut im Sommer 1997.
Playlist aller Interviewteile: http://www.youtube.com/playlist?list=...
© Martin Gertler

Hans-Peter Dürr (geb. am 7. Oktober 1929 in Stuttgart) ist Physiker. Bis Herbst 1997 war er Direktor am Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut) in München.

Dürr promovierte 1956 bei Edward Teller und war von 1958 bis 1976 Mitarbeiter von Werner Heisenberg, der einen großen Einfluss auf ihn ausübte. Er war sein engster Mitarbeiter bzgl. Heisenbergs Projekt eines Versuchs der Eruierung einer vereinheitlichten Feldtheorie der Elementarteilchen. 1969 habilitierte er sich an der Universität München als in Kernphysik, Elementarteilchenphysik und Gravitation forschender Wissenschaftler. Danach wurde er zunächst außerplanmäßiger Professor an der Universität München, 1978 dann Nachfolger von Werner Heisenberg als geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik des Werner-Heisenberg-Instituts für Physik. Diese Funktion übte er bis 1980 sowie nochmals von 1987 bis 1992 aus. Später widmete er sich zunehmend angrenzenden Randthemen seiner eigentlichen Kernfachgebiete, darunter erkenntnistheoretischen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen.

Er gründete 1987 in Starnberg die Initiative Global Challenges Network, eine Organisation, die ein Netz aus Projekten und Gruppen knüpft, die konstruktiv und gemeinsam „an der Bewältigung der Probleme arbeiten, die uns und damit unsere natürliche Umwelt bedrohen". Im gleichen Jahr wurde er „in Anerkennung seiner fundierten Kritik der Strategischen Verteidigungsinitiative und seiner Arbeit, hochentwickelte Technologien für friedliche Zwecke nutzbar zu machen" mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet.

Außerdem erhielt die wissenschafts- und forschungskritische internationale Gruppe Pugwash, der er angehört, im Jahr 1995 den Friedensnobelpreis.

Er ist Mitglied des Club of Rome und Mitglied des Ehren-Kurats der Internationalen Münchner Friedenskonferenz.

Im Jahr 2004 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen.

2005 verfasste Dürr zusammen mit Daniel Dahm und Rudolf zur Lippe die Potsdamer Denkschrift und das Potsdamer Manifest, welches von einer großen Zahl von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt unterzeichnet wurde, u. a. von über 20 Trägern des Right Livelihood Award.

2007 beschloss der Münchner Stadtrat, Hans-Peter Dürr -- in Anerkennung seiner hohen Verdienste um die Stadt München -- das Ehrenbürgerrecht zu verleihen. Zudem trat er im Frühjahr 2007 auf Anfrage von Jakob von Uexküll als Ratsmitglied dem World Future Council bei.

Hans-Peter Dürr starb am 18. Mai 2014.


Um es kurz zu machen: Vor zwei Jahren saß eine Frau tränenüberströmt vor mir und klagte: »Mein Mann muß doch mal verstehen, daß er den Mülleimer auch mal raustragen muß.« Verkürzt würde die Frage, die sich der Psychotherapeut stellt, lauten: »Welche zwei Fischernetze mit welcher Maschenweite haben warum und wie miteinander interagiert, daß als Kollateralschaden ein solches Nicht-Verstehen in der Beziehung etabliert wurde?« 

Dabei fällt mir eine Geschichte ein, die der geniale – und manchmal recht ungnädige – Psychotherapeut Paul Watzlawick in einem seiner Bücher erzählte:
 Ein frischgebackenes Ehepaar frühstückt auf der Hochzeitsreise, die Frau schneidet ein Brötchen durch und gibt dem geliebten Mann das von ihr geliebte Oberteil des Brötchens. Das wir zur Gewohnheit, bis sie an irgendeinem Sonntagmorgen nach zehn Jahren Ehe dem Gatten aus Versehen das Unterteil reicht. Auf ihre Entschuldigung entgegnet er: »Macht nichts, ich esse die Unterseite sowieso lieber.«

Eine weitere Geschichte von Paul Watzlawick fällt mir in diesem Zusammenhang auch noch ein: 
 Ein Mann ist zu einem Empfang in einem Schloß eingeladen. Da er noch einige Stunden Zeit hat, spaziert er durch den Ort und registriert vor dem Schaufenster eines Uhrengeschäfts erstaunt, daß sämtliche Uhren acht Minuten vorgehen. Neugierig geworden, fragt er den Inhaber des Geschäfts, nach welcher Zeit er seine Uhren ausrichte. »Kein Problem«, meint dieser, »jeden Morgen Punkt acht Uhr schießen die da oben auf dem Schloß einen Böller ab. Danach stelle ich meine Uhren.« Abends auf dem Empfang fragt unser Mann den Schloßbesitzer, nach welcher Zeit er seinen morgendlichen Böllerschuß richte. »Kein Problem«, meint der ebenfalls, »wir haben da unten im Ort einen sehr zuverlässigen Uhrenhändler. Einmal in der Woche schicke ich meinen Diener da runter, der sich dort die genaue Zeit holt.«

(Ein 2006 erschienenes Buch von Paul Watzlawick trug übrigens den vielsagenden Titel: »Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen – Über das Glück und die Konstruktion der Wirklichkeit.«)

Wenn die Lösung das Problem ist {43:02}

Hochgeladen am 31.12.2010
Paul Watzlawick - Wenn die Lösung das Problem ist (1987)




Nach all den komplizierten Sachen ein Beispiel, wie banal einfach Dinge in die Hose gehen können, die ganz anders intendiert und geplant waren:


Taliban epic fail {2:40}

Hochgeladen am 01.03.2010
A Taliban IED attack and ambush on ISAF patrole fails miserably.

Skip to the end for epic fail

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Überschreitungen unter dem Deckmantel der Vielfalt

Kinder sollen ihre „Lieblingsstellung“ zeigen, Puffs planen, Massagen üben. Die sexuelle Aufklärung missachtet Grenzen. Die Politik will es so. 

Unter dem Einfluss der „Gesellschaft für Sexualpädagogik“ sollen drei Lebensumstände entnaturalisiert werden: „die Kernfamilie, die Heterosexualität und die Generativität, also die Altersgrenzen zwischen den Generationen“. Kinderschützer schlagen Alarm.
mehr:
- Überschreitungen unter dem Deckmantel der Vielfalt (Ron Kubsch, Die freie Welt, 15.10.2014)

siehe auch:
- Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung: Achtet die Scham­grenzen von Kindern! (Die freie Welt, 07.11.2014)
Erzieher müssen die Schamgrenzen von Kindern achten, fordert Johannes-Wilhelm Rörig. Das sei die beste Prävention gegen sexuellen Missbrauch. Verfechter der »Sexualpädagogik der Vielfalt« ignorieren das.

aktualisiert am 09.11.2014

Dienstag, 14. Oktober 2014

Übung ist nicht nur Sitzen

Einmal wurde Buddha gefragt, warum seine Mönche einen so heiteren und strahlenden Ausdruck hätten. Er antwortete: „Sie klagen nicht über die Vergangenheit, noch trachten sie nach Dingen in der Zukunft. Statt dessen bleiben sie standhaft“ – so die entscheidende Redewendung –, „ganz gleich, was geschieht. Deshalb sind sie heiter und gelassen.“ Er sprach hier nicht nur über die Sitzpraxis. Er sprach darüber, wie sich die Mönche den ganzen Tag lang verhielten. Im Ânâpânasati – der Methode des totalen Gewahrseins beim Atmen – machen wir bewußtes Atmen zu einem Teil unserer Übung, die sich über den ganzen Tag erstreckt.
Der häufig zu hörende Einwand (vor allem in der modernen Welt), daß niemand genug Zeit für die Meditationspraxis hat, enthält ein grundsätzliches Mißverständnis. Damit meinen die Leute, daß sie keine Zeit zum Sitzen haben, was wahr sein mag oder nicht. Sie denken so, weil sie den wahren Wert des Sitzens noch nicht erkannt haben. Haben sie ihn erst einmal erkannt, dann ist es sehr viel wahrscheinlicher, daß sie auch die Zeit dafür finden.
Aber Übung ist nicht nur Sitzen und hat nichts damit zu tun, Zeit zu finden. Übung bezieht sich auf jeden Augenblick unseres Lebens. Wo immer Sie sind, mit welchen Umständen Sie auch konfrontiert sind, was immer Ihr Bewußtseinszustand ist, es ist ein perfekter Moment, um zu üben. Wie der Zen-Meister Dôgen schrieb: „Wenn Sie Soheit verwirklichen wollen, dann sollten Sie ohne Aufschub Soheit praktizieren.“
Mein erster buddhistischer Lehrer, der Zen-Meister Seung Sahn, machte mich mit dieser Art von Praxis vertraut. Wenn wir in der Meditationshalle saßen, wies er uns an, uns hundertprozentig dem Sitzen hinzugeben. Wenn das Sitzen beendet war und es Zeit war, das Geschirr abzuwaschen, wurden wir aufgefordert, diese Tätigkeit auf die gleiche Weise zu verrichten. Wir sollten derartige Aktivitäten in unserem Geist nicht trennen. Statt dessen sollten wir unser Leben wie ein nahtloses Gewebe betrachten.

Ich will nicht den Eindruck erwecken, daß das Sitzen nichts Besonderes ist. Es ist eine Gelegenheit, zu der wir mit Absicht unsere Verpflichtungen begrenzen, so daß wir ganz bei uns sein können, so wie wir sind. Wir unterhalten uns nicht, wir essen und arbeiten nicht. Wir gebrauchen unseren Körper nicht, um irgendwohin zu gehen oder um etwas zu tun. Selbst das Denken wird von seinem hohen Sockel gestürzt und nur als ein, weiteres Phänomen betrachtet, über das wir keine Kontrolle haben. Wir sitzen einfach und lernen uns kennen, wie wir sind.

aus Larry Rosenberg, Mit jedem Atemzug, S. 226 f.

»Es geht darum, die Meditation zu verlassen, ohne die Meditation zu verlassen« Aus tiefem Leiden entsteht tiefes Mitgefühl, Franz Johannes Litsch , Das internationale Netzwerk engagierter Buddhisten)

Freitag, 10. Oktober 2014

Frühpädagogik – Eltern, schützt eure Kinder!

„Die Kindheit ist unantastbar“, schreibt Kinderarzt Herbert Renz-Polster in seinem neuen Buch. Er formuliert eine eindringliche Mahnung an uns Eltern 

Mehr früher lernen: Kinder werden mehr und mehr 
als Humankapital betrachtet
 Ihr Lebenstempo zieht langsam an: Krippenplatz vom 11. Monat an, Kindergarten bis in die späten Nachmittagsstunden, nachmittags zum Reiten, seit kurzem noch Ballett, nun rät die Schulleiterin zur Einschulung mit fünf Jahren. Und ist es nicht schon längst Zeit für ein Instrument? 

 Kinder müssen träumen, frei spielen, nicht zu viel vor dem Computer hocken, auf Bäume klettern und im Dreck wühlen. Ich weiß das schon. Theoretisch. Praktisch beobachte ich auch an mir eine Tendenz, mein Kind gemäß heutiger Gesellschaftsstrukturen zu überfordern.
mehr:


Samstag, 4. Oktober 2014

Wegschauen und weglesen

Wie lässt sich der tägliche Schrecken des Weltgeschehens ertragen? Kontext hat den Freiburger Psychoanalytiker Tilmann Moser gebeten, sich dazu Gedanken zu machen. Sein Ratschlag: Er dosiert die Informationen, um nicht daran zu ersticken. 
Wegschauen und weglesen: Goethe hat die Seelenruhe des Spießers auch in der damaligen Zeit von Kriegen und Katastrophen unnachahmlich im "Faust" in Worte gefasst: "Wenn hinten, weit, in der Türkei die Völker aufeinander schlagen ..." Das war die scheinbare Lösung, um sich damit abzufinden, wie geschützt sich viele Zeitgenossen fühlten in ihrer Bierruhe. Es kam noch hinzu, dass alle Nachrichten nur mit unterschiedlich großer Verzögerung in die Öffentlichkeit drangen, höchstens von fantasiereichen Zeichnungen oder Stichen untermalt. Das schonende Filter war also groß.
Heute stürzt uns alles von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute ins Haus, in vielen Fällen durch die aktuelle Fernsehberichterstattung vom Ort des Geschehens aus quasi zeitgleich, und wenn wir nicht sofort ausschalten, sind wir den Bildern ausgeliefert, auch wenn sie dadurch oft schon redaktionell "aufbereitet" erscheinen. Wer es nicht für sich selbst dosieren lernt, erliegt der Überschwemmung. 
Was dagegen tun?
mehr:
- Wegschauen und weglesen (Tilmann Moser, Kontext, 01.10.2014)