n-tv.de: Vor drei Jahren haben sie das Liebesleben der Deutschen erforscht. Sehen Sie ihre vorhergesagten Trends in der "Sexstyle-Studie 2010" bestätigt?
Matthias Horx: Man kann Trends grundsätzlich nicht vorhersagen, sondern nur diagnostizieren und von da aus bestimmte Aussagen in Richtung Zukunft machen. Wir haben vor drei Jahren eine Art Diagnose oder Analyse des Wandels der erotischen Kultur gemacht, im Auftrag der Firma Beate Uhse. Dafür haben wir eine Menge Material aus der Lebensweltforschung ausgewertet und auch eigene Interviews gemacht. Drei Jahre später hat sich daran natürlich noch nicht viel verändert.
Sie sagten damals voraus, dass "Inszenierung und Individualisierung zu wichtigen Komponenten des Liebeslebens" werden – verschwindet damit der Glaube an die Liebe auf Lebenszeit?
Nein, der wird niemals verschwinden, weil das ja einer der tiefsten inneren Impulse des Menschen ist. Inszenierung und Individualisierung sind auch nicht, wie Sie es in der Frage suggerieren, ein Gegensatz dazu, sondern die Bedingung. Unsere Beobachtung war ja folgende: Um eine lange Beziehung gelungen zu machen, ist Erotik von entscheidender Bedeutung. Denn immer weniger Menschen sind bereit, in ihrer Partnerschaft auf guten Sex zu verzichten. Das ist die Spätauswirkung der sexuellen Revolution: Ein erfülltes Sexleben gehört zu einer erfüllten Liebe einfach dazu. Um das hinzubekommen, müssen sich Mann und Frau etwas einfallen lassen. Da es eine Tendenz zur Abflachung der erotischen Spannung im Lauf der Jahre gibt, muss man inszenieren. Sex wird heute mehr und mehr zelebriert oder wie ein Gourmet-Menü zubereitet. Man nutzt viel mehr Verkleidung, Spiele, Verabredung. Man setzt sich mit seinen individuellen Wünschen und Lüsten auseinander und redet auch mehr darüber. Junge Paare gehen heute zusammen in den Sexshop und kaufen ungezwungen Dildos oder Reizwäsche. Man experimentiert im Bett, versucht Rollenspiele oder was auch immer. So entsteht eine erotische "Gourmet"-Kultur, aber nicht, weil man sich nicht treu sein will, sondern weil man sich treu sein will! Man ist romantisch, aber man weiß auch, dass erotische Gefühle wachgehalten werden müssen. Am besten durch differenzierte Praxis.
mehr:
- Sex und Liebe – "Gevögelt wird immer" (n-tv, 02.12.2010)
Matthias Horx - Future Love {42:12}
Business Circle
Am 15.01.2018 veröffentlicht
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"Ich kenne niemanden in meinem Umfeld, der nicht unter ständigem Liebeskummer leidet."
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Matthias Horx über Europas ganz normale Krisen + deren verzerrte Wahrnehmung der Mediengesellschaft {7:31}
heinrich quernheim
Am 11.01.2017 veröffentlicht
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aus 3Sat Kulturzeit