Donnerstag, 15. Februar 2018

Meditation: Mehr Handwerkszeug

Bei etwas schwierigeren emotionalen Zuständen finden es manche hilfreich, sich wieder im Gewahrsein des Körpers niederzulassen und achtsam zu spüren, wie sich diese Gefühle und emotionalen Zustände im Körper anfühlen. Es fällt uns leichter, uns nicht in der Geschichte, im Drama, zu verlieren, wenn wir im Körper verankert sind. Wenn wir die Erfahrung im Körper spüren, bedeutet dies, dass wir sie zugelassen haben. 
Manchmal besteht die Gefahr, dass wir zwar irgendwie wahrnehmen, was läuft, aber das Gewahrsein dazu benutzen, die Erfahrung nicht zuzulassen. Das kann zwar meditativ und befreiend anmuten, ist es aber nicht. Es ist eine Art von Verdrängung. Wenn ihr mit Vipassanā und Mahāmudrā experimentiert, dann schaut, ob ihr die Achtsamkeit dazu missbraucht, die unerwünschte Erfahrung zu verdrängen – eher die Vipassanā-Fehlvariante, oder ob ihr euch in ein eher abgehobenes Gewahrsein begebt, das nicht mehr in Kontakt mit der eigentlichen Erfahrung ist – eher die Mahāmudrā- Fehlvariante. 
Seid so weit wie möglich gewahr und präsent, genau mit dem, was die Erfahrung jetzt ist, ohne etwas dazu zu tun, ohne etwas davon wegzunehmen, ohne sie loswerden zu wollen, ohne euch darin zu verlieren, zu vergessen, zu verstricken. Seid präsent und nicht-eingreifend, so dass mehr und mehr offensichtlich werden kann, wie all die Erfahrungen von selbst kommen und gehen, entstehen und verschwinden – seit jeher. Da ist nichts, was wir dazutun müssen und nichts, was wir wegnehmen müssen. Es ist dieser phänomenale Tanz der Erfahrung. 
Gelassenheit besteht darin, wirklich willens und fähig zu sein, die ganze Skala der Erfahrungen zuzulassen, zu spüren, ohne davon hinund hergezerrt zu werden, ohne sich ständig im Drama zu verlieren, aber auch ohne abzuhängen und aus dem Kontakt und der Verbundenheit mit der Erfahrung zu fliehen. Gelassenheit, wie wir sie hier verstehen, und Gleichgültigkeit mögen zwar manchmal ähnlich aussehen, der Unterschied zwischen ihnen ist aber immens. Er besteht im Kontakt. Echte Gelassenheit ist wirklich mit der Erfahrung im Kontakt, sie spürt sie und ist mit ihr einverstanden, auch wenn sie unangenehm, schwierig oder unerwünscht ist. Echte Gelassenheit verliert sich nicht in der Erfahrung, auch wenn sie fantastisch, angenehm und erwünscht ist. Gelassenheit ist die Fähigkeit, alle Gipfel und Täler des Erlebens voll und ganz mitzuerleben, ohne davon überwältigt zu werden. 
Sobald wir aus dem Kontakt herausgehen und Meditation benutzen, um die momentane Erfahrung nicht zu spüren, entstehen Gleichgültigkeit oder Teilnahmslosigkeit – eindeutig keine heilsamen Geisteszustände. Eine ähnliche Situation liegt vor, wenn wir auf abgehobene Weise im offenen Gewahrsein ruhen, fern von den körperlichen und emotionalen Erfahrungen. 
Wir lassen uns also interessiert und wach nieder im Erleben der Körperempfindungen, der anderen Sinneserfahrungen, der Gefühle, Emotionen oder Geisteszustände. Was immer im Geist entsteht und vergeht: Nichts muss eine Ablenkung sein, denn alles hat Platz im Raum des achtsamen Gewahrseins. Jedes Mal wenn wir aus dem Verlorensein aufwachen, entsteht ein neuer, wertvoller Moment, in dem wir wieder präsent sein können, unverstrickt und zugleich voll und ganz im Kontakt mit dem Erleben von Moment zu Moment.

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