Eines der wunderbarsten Phänomene der Mediengesellschaft ist nach wie vor, dass sie nicht nüchtern und klar die offensichtlichste Tatsache im Zusammenhang mit Gewalt benennen kann: Gewalt ist überwiegend männlich. Das gilt auch für die jüngsten Schreckenstaten, die angeblich "den Terror nach Deutschland" brachten - als habe es vorher hierzulande noch nie Terror gegeben. Die Zahl schwerer Gewalttaten sinkt seit fast einem Jahrzehnt Jahr für Jahr, aber eine bemerkenswerte Anzahl von Männern findet nach wie vor Gefallen daran, gewalttätig blöd zu sein.
An Angeboten zum Aggressiven und autoaggressiven Ausagieren ist freilich kein Mangel. Religion, Sport, Krieg, Politik, Konsum, Wirtschaft, Sexismus, Rassismus sind da nur ein paar Beispiele. Nehmen wir nur das echte deutsche Heldentum während der Olympiade in Rio. Der Turner Andreas Toba verletzte sich bei seiner Turnerei schwer, machte aber unter größten Schmerzen weiter, und die Presse fand es so wunderbar wie seinerzeit Schweinis Feldzug als "Blutkrieger".
Die Selbstaufrüstung der Extremsportler, die aus sieben Kilometer Höhe ohne Fallschirm in ein Netz hageln oder sich gar aus dem Weltraum auf die Erde herunterstürzen, findet ihren Spiegel in den Aktionen von Jugendlichen, die ungesichert auf Kirchtürme steigen und oben ein Instagram-Foto von ihren Füßen über dem Abgrund machen.
Angebote für alle
Das ist genauso ein Aspekt der toxic masculinity wie die psychopathische Eiseskälte des Finanzdurchblickers, der gar nicht mehr anders kann als jede Mikrosituation daraufhin auszuloten, ob sie ihn im Wettbewerb mit all den anderen Finanzdurchblickern nach vorne bringt.
Der Islam ist ebenfalls eines der aktuellen Angebote, und zwar eines der wirkmächtigsten. Männern wird im Islam attestiert, dass ihre Herrschaft gottesgefällig ist. Dass Allah als projiziertes Größen-Ich des ihn verehrenden Mannes der beste von allen Göttern ist, steht ja wohl von vornherein fest. Noch schöner am Islam ist, dass er gleich zwei Typen von Testosteron-Junkies hervorbringt: den Dschihadisten und den Abendlandsverteidiger; beide mit Eiern aus Stahl und Köpfen voller Wirsing aus den Zeiten der Kreuzzüge.
mehr:
- Amok in der Männerdämmerung (Marcus Hammerschmitt, Telepolis, 21.08.2016)
Johannes Sadeler, Phyllis und Aristoteles, 16. hdt., Quelle: The Curious History of Phyllis on Aristotle, Darin Hayton, 19.02.2016 |
»Gewalt ist überwiegend männlich.«
Kopfschüttel, Kopfschüttel, Kopfschüttel… Immer vorsichtig mit den Interpretationen!
Nicht Gewalt ist überwiegend männlich, die Gewalt, von der berichtet wird, ist überwiegend männlich!
Das Problem, um das es geht, gleicht dem Bild Magrittes: »Ce n'est pas une pipe!«
Die Tatsache, daß über weibliche Gewalt nicht berichtet wird, bedeutet nicht, daß es sie nicht gibt!
Und die Tatsache, daß Frauen über Jahrhunderte unterdrückt wurden, hat diese nach subtileren, nicht-körperlichen Formen suchen lassen, in denen sie ihre Aggressivität leben. Aber: die Emanzipation schreitet voran, auch auf dem Gebiet der körperlichen Gewalt!