Sonntag, 11. Oktober 2015

Katastrophisieren in einer narzißtischen Umgebung

Merkels Politik des unbegrenzten und weitgehend unkontrollierten Zuzugs nach Deutschland kommt einem Offenbarungseid gleich. Wenn die letzte Turnhalle voll ist, werden das auch alle Bürger begreifen. In Zeiten der alten Bundesrepublik gab es den Begriff vom "Raumschiff Bonn". Völlig losgelöst von den Realitäten der Erde zog die Politik der Hauptstadt – so damals das Bild – ihre Bahn. Verglichen mit heute war das reichlich übertrieben. Das Kanzleramt der Gegenwart gleicht eher einem Erdtrabanten, noch weiter weg vom Boden als jede Station im All. In der Flüchtlingsfrage ist die Flucht in die Fiktion zum Regierungsprogramm geworden. Das machtvolle Kanzlerinnenwort "Wir schaffen das" erinnert ein wenig an die vergeblichen Siegesparolen des zweiten deutschen Staates vor dessen Untergang 1989.
mehr:
- Merkel ist auf der Flucht vor der Verantwortung (Stefan Aust, Die Welt, 11.10.2015)
mein Kommentar:
»Wenn die letzte Turnhalle boll ist, werden das auch alle Bürger begreifen.«
Wer‘s früher begriffen hat, ist Pegida oder einfach nur ausländerfeindlich.

siehe auch:
- Terrorwarnungen und Phantasie – Was macht uns Angst? (Andrea Schorsch im Interview mit Borwin Bandelow, n-tv, )
»Ängstliche Menschen "katastrophisieren": Schon bei kleinen Gefahren sehen sie gleich den Super-GAU. In ihrer Phantasie werden drohende Gefahren Wirklichkeit, und sie malen sich diese Gefahren besonders schlimm aus. Wenn sie entsprechende Berichte in der Zeitung lesen, leiden ängstliche Menschen auch mehr. […] Die Phantasievollen aber haben die Statistik nicht im Blick. Sie beurteilen die Gefahr eher unrealistisch und übertrieben und malen sich eher aus, dass ausgerechnet sie getroffen werden.«
- Studie zu Demos in Dresden: Psychogramm der Pegida-Anhänger (Franz Walter, SPON, 29.01.2015)
Einem sozial ausgegrenzten "Prekariat" gehören die 500 Pegidisten nicht an. Bezeichnend ist aber sicher, dass nur acht Prozent von ihnen die heutige Lage in der Bundesrepublik als "sehr gut" bezeichneten, zugleich aber 41 Prozent die eigene Lebenssituation mit diesem Prädikat kennzeichneten. Die meisten wohnen in Dresden und Umgebung; gut zehn Prozent leben jenseits der sächsischen Landesgrenze, vor allem in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Der überwiegende Teil der Befragten (95 Prozent) gab an, an diesem 12. Januar zum ersten Mal an einer Pegida-Demonstration teilzunehmen. […]
Was ist den Demonstranten wichtig?
• Auf die Frage, was im System der Republik eine größere Bedeutung gewinnen sollte, steht an erster Stelle Recht und Ordnung.
• Als wichtig werden auch nationale Interessen und der Meinungspluralismus genannt.
• Gänzlich unwichtig erscheinen den Befragten Minderheitenschutz und Gleichstellung.
- Pegida-Studien: Der sichtbare Teil von Pegida (Lenz Jacobson, ZEIT Online, 19.01.2015)
- Protestforschung am Limit: Eine soziologische Annäherung an Pegida (Otto-Brenner-Stiftung, mit vielen Links)
- Die narzisstische Gesellschaft: Ein Psychogramm (Hans Durrer, Huffington Post, 24.01.2014)
"Die narzisstische Gesellschaft" ist ein differenziertes, anregendes, aufklärendes und sympathisches Buch, nicht zuletzt, weil es erfreulich persönlich geschrieben ist, sich der Autor als empfindsamer, gescheiter und lernfähiger Mensch zeigt, und nicht als der typische Experte, der sich hinter seinem Fachwissen versteckt. Seine eigene Geschichte zeigt übrigens exemplarisch auf, dass man (und das gilt bei allen seelischen Störungen) an seinen persönlichen Tiefpunkt kommen muss, ja, es manchmal einer tödlichen Bedrohung bedarf, um "die Mauer der narzisstischen Abwehr zu durchbrechen". 'The readiness is all', sagt Horatio in Hamlet.

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