Frau Pr. Christine Kühner hielt auf einer Fachtagung in Hannover 2009 folgenden Vortrag über Geschlechterdifferenzen bei Depressionen:
Höhere Depressionsraten bei Frauen – empirische Evidenz
Ein konsistentes Ergebnis epidemiologischer Forschung ist, dass Frauen häufiger an unipolaren depressiven Störungen erkranken als Männer. Daten aus dem deutschen Bundesgesundheitssurvey 1998/99 zeigen, dass bundesweit ca. 12 % der Männer und 25 % der Frauen mindestens einmal im Leben die Kriterien für eine depressive Störung erfüllen (Jacobi et al., 2004). Internationale Studien legen nahe, dass das erhöhte Depressionsrisiko von Frauen über verschiedene Bevölkerungs- und Behandlungsstichproben sowie soziokulturelle Kontexte besteht.
Das Auseinanderdriften der Depressionsraten zuungunsten der Mädchen beginnt in der Pubertät. Die deutlich erhöhte Depressionsprävalenz bei den Frauen (Verhältnis ca. 2:1) setzt sich entgegen landläufiger Meinung nicht nur über die reproduktiven Jahre der Frau, sondern bis ins höhere Alter fort (z.B. Angst et al., 2002). Die höhere Depressionsprävalenz bei Frauen ist insbesondere auf deren höhere Ersterkrankungsraten zurückführbar, darüber hinaus gibt es Hinweise auf längere Krankheitsepisoden bei Frauen (Eaton et al., 2008, zsf. Kühner, 2007).
Höhere Depressionsraten bei Frauen – empirische Evidenz
Ein konsistentes Ergebnis epidemiologischer Forschung ist, dass Frauen häufiger an unipolaren depressiven Störungen erkranken als Männer. Daten aus dem deutschen Bundesgesundheitssurvey 1998/99 zeigen, dass bundesweit ca. 12 % der Männer und 25 % der Frauen mindestens einmal im Leben die Kriterien für eine depressive Störung erfüllen (Jacobi et al., 2004). Internationale Studien legen nahe, dass das erhöhte Depressionsrisiko von Frauen über verschiedene Bevölkerungs- und Behandlungsstichproben sowie soziokulturelle Kontexte besteht.
Das Auseinanderdriften der Depressionsraten zuungunsten der Mädchen beginnt in der Pubertät. Die deutlich erhöhte Depressionsprävalenz bei den Frauen (Verhältnis ca. 2:1) setzt sich entgegen landläufiger Meinung nicht nur über die reproduktiven Jahre der Frau, sondern bis ins höhere Alter fort (z.B. Angst et al., 2002). Die höhere Depressionsprävalenz bei Frauen ist insbesondere auf deren höhere Ersterkrankungsraten zurückführbar, darüber hinaus gibt es Hinweise auf längere Krankheitsepisoden bei Frauen (Eaton et al., 2008, zsf. Kühner, 2007).
Symptome
Geschlechtsunterschiede finden sich auch in der symptomatischen Ausgestaltung der Depression. Während depressive Kernsymptome wie Niedergeschlagenheit und die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, von Männern und Frauen gleich häufig genannt werden, klagen Frauen häufiger über körperliche Depressionssymptome wie Schlaf- und Appetitstörungen, Energiemangel und Verlangsamung. Insbesondere die saisonale und die atypische Depression, letztere gekennzeichnet durch ein Mehr an Appetit und Schlaf, bleierne Müdigkeit und hohe interpersonelle Kränkbarkeit, sind bei Frauen nochmals deutlich häufiger anzutreffen. Bezüglich psychischer Komorbidität finden sich bei depressiven Frauen häufiger komorbide Angst- und Essstörungen, während bei betroffenen Männern häufiger komorbide Substanzstörungen und vollendete Suizide vorkommen (zsf. Kühner, 2007).
Erklärungsansätze
Erklärungsansätze für die höheren Depressionsraten bei Frauen befassen sich zum einen mit möglichen Artefakten, zum anderen mit dem möglichen Einfluss genetischer, hormoneller, psychischer und sozialer Faktoren.
Depression – Gendersensible Ansätze für Fachkräfte (PDF-Download bei hannover.de)
Energie für Körper und Seele (20 Tips zur Depressionsprophylaxe bei Für Sie)
Geschlechtsunterschiede finden sich auch in der symptomatischen Ausgestaltung der Depression. Während depressive Kernsymptome wie Niedergeschlagenheit und die Unfähigkeit, Freude zu empfinden, von Männern und Frauen gleich häufig genannt werden, klagen Frauen häufiger über körperliche Depressionssymptome wie Schlaf- und Appetitstörungen, Energiemangel und Verlangsamung. Insbesondere die saisonale und die atypische Depression, letztere gekennzeichnet durch ein Mehr an Appetit und Schlaf, bleierne Müdigkeit und hohe interpersonelle Kränkbarkeit, sind bei Frauen nochmals deutlich häufiger anzutreffen. Bezüglich psychischer Komorbidität finden sich bei depressiven Frauen häufiger komorbide Angst- und Essstörungen, während bei betroffenen Männern häufiger komorbide Substanzstörungen und vollendete Suizide vorkommen (zsf. Kühner, 2007).
Erklärungsansätze
Erklärungsansätze für die höheren Depressionsraten bei Frauen befassen sich zum einen mit möglichen Artefakten, zum anderen mit dem möglichen Einfluss genetischer, hormoneller, psychischer und sozialer Faktoren.
Artefaktforschung
Hier werden unter anderem unterschiedliches Inanspruchnahmeverhalten, unterschiedliche Erkennungsschwellen der Depression bei Männern und Frauen durch diagnostizierende Ärzte und Ärztinnen sowie eine größere Bereitschaft von Frauen, Symptome zu berichten, diskutiert. Solche möglichen Artefakte sind grundsätzlich zu berücksichtigen, insgesamt können sie jedoch nur einen kleinen Teil der diagnostizierten höheren Depressionsraten bei Frauen erklären. Eine weitere Hypothese besagt, dass Männer eher untypische Depressionssymptome wie Reizbarkeit, Ärger oder feindselig-aggressives Verhalten zeigen, während die gängigen Depressionsskalen eher weibliche Symptome erfassen. Obwohl das hier angesprochene Konstrukt der „Männerdepression“ spontan plausibel erscheint, mangelt es derzeit an dessen empirischer Absicherung (vgl. Möller-Leimkühler et al., 2007; Perlis et al., 2005). Hier ist sicherlich auch zu fragen, inwieweit es Sinn macht, sämtliche stressreaktiven psychischen Symptome unter dem Depressionsbegriff abzuhandeln.
Genetik und Hormone
Bisher ist es auch nicht gelungen, die höheren Depressionsraten von Frauen anhand einfacher biologischer Modelle zu erklären. Das genetische Risiko scheint für Männer und Frauen vergleichbar zu sein (Sullivan et al., 2000). Was das Auseinanderdriften der
Hier werden unter anderem unterschiedliches Inanspruchnahmeverhalten, unterschiedliche Erkennungsschwellen der Depression bei Männern und Frauen durch diagnostizierende Ärzte und Ärztinnen sowie eine größere Bereitschaft von Frauen, Symptome zu berichten, diskutiert. Solche möglichen Artefakte sind grundsätzlich zu berücksichtigen, insgesamt können sie jedoch nur einen kleinen Teil der diagnostizierten höheren Depressionsraten bei Frauen erklären. Eine weitere Hypothese besagt, dass Männer eher untypische Depressionssymptome wie Reizbarkeit, Ärger oder feindselig-aggressives Verhalten zeigen, während die gängigen Depressionsskalen eher weibliche Symptome erfassen. Obwohl das hier angesprochene Konstrukt der „Männerdepression“ spontan plausibel erscheint, mangelt es derzeit an dessen empirischer Absicherung (vgl. Möller-Leimkühler et al., 2007; Perlis et al., 2005). Hier ist sicherlich auch zu fragen, inwieweit es Sinn macht, sämtliche stressreaktiven psychischen Symptome unter dem Depressionsbegriff abzuhandeln.
Genetik und Hormone
Bisher ist es auch nicht gelungen, die höheren Depressionsraten von Frauen anhand einfacher biologischer Modelle zu erklären. Das genetische Risiko scheint für Männer und Frauen vergleichbar zu sein (Sullivan et al., 2000). Was das Auseinanderdriften der
Depressionsraten in der Pubertät betrifft, so kann davon ausgegangen werden, dass neben einer möglichen erhöhten hormonbedingten Vulnerabilität für Mädchen in dieser Phase auch Interaktionen mit psychosozialen Risikofaktoren zu berücksichtigen
sind, denen Mädchen aufgrund von Geschlechtsrollenaspekten
häufiger ausgesetzt bzw. vulnerabler gegenüber sind (zsf. Kühner,
2007). So zeigen insbesondere in westlichen Kulturkreisen Mädchen eine größere Unzufriedenheit mit den eigenen körperlichen
Veränderungen während der Pubertät als Jungen, und diese Unzufriedenheit geht bei ihnen auch häufiger mit höherer Depressivität einher (z.B. Crick & Zahn-Waxler, 2003). Die körperlichen
Veränderungen während der Pubertät interagieren somit mit
nachteiligen soziokulturellen Standards (Schlankheitsideal), was
Mädchen in dieser Phase besonders depressionsanfällig macht.
Andere Studien legen nahe, dass adoleszente Mädchen häufiger
interpersonellen Stressereignissen ausgesetzt sind als Jungen (zsf.
Cyranowski et al., 2000).
Mädchen beginnen zu einem früheren Zeitpunkt als Jungen, sexuelle Beziehungen aufzunehmen, und Mädchen mit besonders frühem Einsetzen der Menarche haben ein höheres Risiko für depressive Verstimmungen (Ge et al., 1994). Untersuchungen zur perinatalen Phase zeigen, dass entgegen früherer Annahmen die Schwangerschaft keinen Schutz gegenüber Depressionen
Mädchen beginnen zu einem früheren Zeitpunkt als Jungen, sexuelle Beziehungen aufzunehmen, und Mädchen mit besonders frühem Einsetzen der Menarche haben ein höheres Risiko für depressive Verstimmungen (Ge et al., 1994). Untersuchungen zur perinatalen Phase zeigen, dass entgegen früherer Annahmen die Schwangerschaft keinen Schutz gegenüber Depressionen
vermittelt, umgekehrt der Anteil von Frauen, die eine postpartale
Depression entwickeln (10–15%) gegenüber nichtentbindenden
Frauen im selben Altersbereich nicht klar erhöht ist. Auch hier
sind neben früheren depressiven Phasen insbesondere psycho-
soziale Risikofaktoren wie geringe soziale Unterstützung und
stressvolle Lebensereignisse zu berücksichtigen (Beck, 2001).
Ähnliches gilt für die Perimenopause1. Neben einem erhöhten
Wiedererkrankungsrisiko für Frauen mit früheren Phasen zeigen
neuere Studien auch signifikante Raten an Neuerkrankungen von
bislang nicht vorbelasteten Frauen (Cohen et al., 2006, Freeman
et al., 2006). Als relevante Risikofaktoren für die Entwicklung
perimenopausaler Depressionen werden ebenfalls aktuelle psychosoziale Belastungsfaktoren sowie vasomotorische Symptome
(z.B. Hitzewallungen und Nachtschweiß, letzterer häufig verbunden mit nächtlichem Erwachen) genannt (Avis, 2003, Wise et al.,
2008).
Psychische und soziale Risikofaktoren
Relativ konsistent sind verschiedene psychische und soziale Risikofaktoren identifizierbar, die mit der Geschlechtsrolle von Frauen und Männern im Zusammenhang stehen und die einen substanziellen Teil des Gender Gaps erklären dürften. So weisen adoleszente Mädchen und Frauen weniger Selbstsicherheit und höhere Ängstlichkeitswerte auf. Negativen Verstimmungszuständen gegenüber lassen sie eine erhöhte Selbstaufmerksamkeit zukommen und verarbeiten diese eher introspektiv durch Grübeln oder Selbstvorwürfe, was solche Verstimmungen eher verlängert bzw. verschlechtert (Nolen-Hoeksema et al., 2008). Dagegen lenken sich Männer eher ab oder wenden dysfunktionale Strategien wie Alkoholmissbrauch an. Erklärt wird dies über Unterschiede in der Geschlechtsrollensozialisation: Während Jungen zu aktivem Verhalten angehalten werden und für emotionales, „weibliches“ Verhalten eher bestraft werden, lernen Mädchen, dass die Beschäftigung mit negativen Gefühlen sowie deren Ursachen und Konsequenzen angemessenes geschlechtstypisches Verhalten darstellt (Nolen-Hoeksema et al., 2008).
Psychische und soziale Risikofaktoren
Relativ konsistent sind verschiedene psychische und soziale Risikofaktoren identifizierbar, die mit der Geschlechtsrolle von Frauen und Männern im Zusammenhang stehen und die einen substanziellen Teil des Gender Gaps erklären dürften. So weisen adoleszente Mädchen und Frauen weniger Selbstsicherheit und höhere Ängstlichkeitswerte auf. Negativen Verstimmungszuständen gegenüber lassen sie eine erhöhte Selbstaufmerksamkeit zukommen und verarbeiten diese eher introspektiv durch Grübeln oder Selbstvorwürfe, was solche Verstimmungen eher verlängert bzw. verschlechtert (Nolen-Hoeksema et al., 2008). Dagegen lenken sich Männer eher ab oder wenden dysfunktionale Strategien wie Alkoholmissbrauch an. Erklärt wird dies über Unterschiede in der Geschlechtsrollensozialisation: Während Jungen zu aktivem Verhalten angehalten werden und für emotionales, „weibliches“ Verhalten eher bestraft werden, lernen Mädchen, dass die Beschäftigung mit negativen Gefühlen sowie deren Ursachen und Konsequenzen angemessenes geschlechtstypisches Verhalten darstellt (Nolen-Hoeksema et al., 2008).
Im Zusammenhang mit Geschlechtsrollenaspekten stehen auch
bestimmte psychosoziale Belastungen, die das Depressionsrisiko
erhöhen. Im makrosoziologischen Bereich müssen z.B. Risikofaktoren wie Armut, soziale und ökonomische Benachteiligung
sowie geringe Handlungskontrolle berücksichtigt werden (vgl. Belle & Doucet, 2003). In traditionellen Partnerschaften stellt
nach epidemiologischen Studien das Verheiratetsein für Männer
einen Schutzfaktor gegenüber Depressionen dar, während für
Frauen eher die Qualität der Partnerbeziehung das Depressionsrisiko beeinflusst. Aktuelle Studien zeigen, dass Berufstätigkeit vor
Depressionen schützt, und zwar Männer wie Frauen.
Grundsätzlich wirkt Berufstätigkeit im Sinne eines Stresspuffers,
der Belastungen in anderen, z.B. familiären Rollenbereichen,
abmildern kann. Dies jedoch nur bis zu einem gewissen Grad:
Rollenüberlastungen gehen dagegen einher mit reduziertem
psychischen Wohlbefinden und erhöhen das Depressionsrisiko.
Empirische Belege hierfür finden sich z.B. bezüglich der Asymmetrie familiärer Rollen in Familien mit kleinen Kindern oder für
die Pflege bedürftiger Familienangehöriger, die in den weitaus
meisten Fällen Aufgabe von Frauen ist. Nach der „Cost of Caring“-
Hypothese haben Männer und Frauen dasselbe Risiko, auf belas-
tende Lebensereignisse mit einer Depression zu reagieren. Frauen
sind jedoch aufgrund ihrer Geschlechtsrolle mehr kritischen Le-
bensereignissen ausgesetzt, die ihr näheres und weiteres soziales
Umfeld betreffen, und sie sind gegenüber solchen Ereignissen
vulnerabler als Männer (zsf. Kühner, 2007).
Spezielle Stressoren stellen körperliche, psychische und sexuelle
Gewalt dar. Während Gewalt in Partnerschaften von Männern und
Frauen ausgeht, sind Frauen als Opfer deutlich häufiger betroffen. Sexueller Missbrauch in der Kindheit ist bei Männern und
Frauen mit Depressionen und anderen psychischen Störungen im
Erwachsenenalter assoziiert. Mädchen sind dabei einem doppelt
so hohen Missbrauchsrisiko ausgesetzt. Während Mädchen in
Reaktion auf den Missbrauch später häufiger Depressionen als
Jungen entwickeln, finden sich bei diesen später häufiger Subs-
tanzmissbrauch und nach außen gerichtete psychische Störungen
(z.B. Garnefski & Arend, 1998; zsf. Kühner, 2007).
So sind betroffene Jungen aufgrund ihrer psychischen Problematik häufiger in Gefängnissen und Suchtkliniken anzutreffen als in psychiatrischen Krankenhäusern (Putnam, 2003). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse die Ausformung emotionaler Reaktionen gegenüber negativen Stimmungen und Stressoren beeinflussen und damit zur Erklärung der unterschiedlichen Risiken für die Entwicklung von Internalisierungs- und Externalisierungsstörungen beitragen (z.B. die oben beschriebene erhöhte Grübelneigung von Mädchen und Frauen als Risikofaktor für die Entwicklung einer depressiven Störung).
So sind betroffene Jungen aufgrund ihrer psychischen Problematik häufiger in Gefängnissen und Suchtkliniken anzutreffen als in psychiatrischen Krankenhäusern (Putnam, 2003). Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass geschlechtsspezifische Sozialisationsprozesse die Ausformung emotionaler Reaktionen gegenüber negativen Stimmungen und Stressoren beeinflussen und damit zur Erklärung der unterschiedlichen Risiken für die Entwicklung von Internalisierungs- und Externalisierungsstörungen beitragen (z.B. die oben beschriebene erhöhte Grübelneigung von Mädchen und Frauen als Risikofaktor für die Entwicklung einer depressiven Störung).
Den Einfluss von Geschlechtsrollenaspekten auf das Ungleichgewicht in den Depressionsraten legt eine aktuelle Studie der WHO
mit über 70.000 Studienteilnehmern und -teilnehmerinnen nahe
(Seedat et al., 2009). Hier zeigte sich in 11 der 15 untersuch-
ten Länder eine deutliche Annäherung der Depressionsraten in jüngeren Alterskohorten. Diese Annäherung stand in deutlichem Zusammenhang mit Veränderungen der traditionellen Geschlechtsrolle der Frauen in den jeweiligen Ländern.
Psychotherapeutische Behandlung von depressiven Männern und Frauen
Ähnlich wie bei somatischen Behandlungen der Depression wird der Genderaspekt auch im Bereich psychotherapeutischer Behandlungsansätze eher vernachlässigt. So fehlen in der Psy- chotherapieforschung theoriegeleitete Interventionsansätze, die geschlechtsspezifische Faktoren explizit berücksichtigen. Insgesamt liegen nur wenige Ergebnisse zur differenziellen Wirksam- keit psychotherapeutischer Maßnahmen vor. Dabei handelt es sich i.d.R. um post-hoc Analysen von Studien, die ursprünglich nicht auf die Untersuchung geschlechtsspezifischer Faktoren ausgerichtet waren. Für die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)finden sich aufgrund der vorliegenden Studienlage keine Unterschiede in der Wirksamkeit bei depressiven Männern und Frauen im Einzel- und im Gruppensetting (zsf. deJong-Meyer et al., 2007; Watson & Nathan, 2008), lediglich eine frühere Studie fand, dass bei Patienten und Patientinnen mit initial hoher Symptomschwere Männer eine etwas schnellere Symptombesserung zeigten (Thase et al., 1994). Eine aktuelle Studie zur Interpersonellen Therapie (IPT) im stationären Setting fand keine Geschlechtsunterschiede bezüglich der Symptombesserung nach fünfwöchiger Behandlung (Schneider et al., 2008).
ten Länder eine deutliche Annäherung der Depressionsraten in jüngeren Alterskohorten. Diese Annäherung stand in deutlichem Zusammenhang mit Veränderungen der traditionellen Geschlechtsrolle der Frauen in den jeweiligen Ländern.
Psychotherapeutische Behandlung von depressiven Männern und Frauen
Ähnlich wie bei somatischen Behandlungen der Depression wird der Genderaspekt auch im Bereich psychotherapeutischer Behandlungsansätze eher vernachlässigt. So fehlen in der Psy- chotherapieforschung theoriegeleitete Interventionsansätze, die geschlechtsspezifische Faktoren explizit berücksichtigen. Insgesamt liegen nur wenige Ergebnisse zur differenziellen Wirksam- keit psychotherapeutischer Maßnahmen vor. Dabei handelt es sich i.d.R. um post-hoc Analysen von Studien, die ursprünglich nicht auf die Untersuchung geschlechtsspezifischer Faktoren ausgerichtet waren. Für die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)finden sich aufgrund der vorliegenden Studienlage keine Unterschiede in der Wirksamkeit bei depressiven Männern und Frauen im Einzel- und im Gruppensetting (zsf. deJong-Meyer et al., 2007; Watson & Nathan, 2008), lediglich eine frühere Studie fand, dass bei Patienten und Patientinnen mit initial hoher Symptomschwere Männer eine etwas schnellere Symptombesserung zeigten (Thase et al., 1994). Eine aktuelle Studie zur Interpersonellen Therapie (IPT) im stationären Setting fand keine Geschlechtsunterschiede bezüglich der Symptombesserung nach fünfwöchiger Behandlung (Schneider et al., 2008).
Bei der stationären Entlassung wiesen Männer zwar eine höhere
Remissionsrate auf, nach 3–12 Monaten war dieser Unterschied
jedoch nicht mehr präsent.2 In der perinatalen Phase stellt Psychotherapie, insbesondere bei leichten und mittelschweren Depressionen, die Methode erster Wahl dar, da hier Antidepressiva
nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abschätzung verordnet werden
sollten. Zur Wirksamkeit von Psychotherapie speziell für Depressionen in der Schwangerschaft liegen bislang nur zwei Studien vor,
die der IPT Wirksamkeit zuschreiben (Spinelli & Endicott, 2003;
Grothe et al., 2009). Hier ist weiterer Forschungsbedarf notwendig. Besser ist die Studienlage bei der Behandlung postnataler
Depression. Hier zeigt sich, dass verschiedene psychologische
Interventionen gut akzeptiert werden und günstige Wirkungen
aufzeigen.
Neben KVT, IPT und psychodynamischer Kurzzeittherapie zeigten
sich in Studien auch rein psychoedukative Gruppen sowie nicht-
direktive Beratung und Betreuung durch Krankenschwestern und
Paraprofessionelle in der Behandlung postnataler Depressionen
bei Männern als wirksam. Reine Vorbeugungsprogramme, die
durch psychotherapeutische Interventionen in der Schwangerschaft versuchen, postpartale Depressionen zu verhindern, zeigen
zumindest bei Frauen ohne erhöhtes Depressionsrisiko dagegen
bislang kaum präventive Effekte (zsf. deJong-Meyer et al., 2007).
An dieser Stelle soll auch auf das relativ häufige Vorliegen einer
postnatalen Depression bei Männern hingewiesen werden, die
mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 4–9 % ein signifikantes
Public Health Problem darstellt. Studien zeigen, dass väterliche
postpartale Depressionen das Risiko für die Entwicklung von emo-
tionalen und Verhaltensstörungen bei Kindern erhöhen, insbesondere bei Jungen (z.B. Ramchandani et al., 2005).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass größere Vergleichsstudien zur differenziellen Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren bei Männern und Frauen wünschenswert sind, ebenso die Weiterentwicklung und Überprüfung psychotherapeutischer Verfahren im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und Postpartum, auch unter Etablierung adäquater stationärer und ambulanter Behandlungssettings.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass größere Vergleichsstudien zur differenziellen Wirksamkeit psychotherapeutischer Verfahren bei Männern und Frauen wünschenswert sind, ebenso die Weiterentwicklung und Überprüfung psychotherapeutischer Verfahren im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und Postpartum, auch unter Etablierung adäquater stationärer und ambulanter Behandlungssettings.
1 Als Perimenopause wird die Übergangsphase bis zur Menopause bezeichnet. Sie beginnt ungefähr ein Jahr vor der Menopause und
endet etwa ein Jahr nach der letzten Periode.
2 Die Interpersonelle Therapie (IPT) ist eine psychodynamisch orientierte Kurzzeittherapie, die auf die Behandlung unipolarer Depressionen zugeschnitten ist. Die IPT geht davon aus, dass Depressionen in einem psychosozialen und interpersonellen Kontext entstehen.
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Autorin
Prof. Dr. Christine Kühner
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Arbeitsgruppe Verlaufs- und Interventionsforschung Postfach 122120
68072 Mannheim
E-Mail: christine.kuehner@zi-mannheim.de
Energie für Körper und Seele (20 Tips zur Depressionsprophylaxe bei Für Sie)
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