[…] Lange Zeit unterstand der Athos der türkischen Regierung, aber obwohl diese mohammedanisch ist, hat sie das Mönchsleben nie gestört, sondern sogar protegiert. […]. Da es oft lange dauert, bis man die Erlaubnis vom Patriarchen auf schriftlichem Wege bekommt, flog ich (am 8. Juli 1962) von Rom direkt nach Konstantinopel und suchte die Residenz des Patriarchen auf. Ich fand dort großes Entgegenkommen und erhielt die Erlaubnis noch am selben Tage. Der Besuch dort hat sich auch noch aus einem anderen Grunde gelohnt, insofern nämlich, als ich dort den Metropolit Konstantinidis kennenlernte und von ihm wertvolle Informationen für den Besuch auf dem Athos erhielt. Der Metropolit hat übrigens, trotz seiner Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche, in Rom am Päpstlichen Orientalischen Institut studiert und hat deswegen auch gegenüber der katholischen Kirche eine weitherzige Einstellung. Ich sagte ihm, daß es mir bei meinem Besuch auf dem Athos besonders daran liege das »Jesus-Gebet«, auch »Hesychasmus« genannt, besser kennenzulernen, weil es mich wegen gewisser Ähnlichkeiten mit den ostasiatischen Meditationsmethoden, Yoga und Zen, interessiere. Bekanntlich besteht jene Gebetsweise darin, daß man bei jedem Atemzug den Namen Jesu anruft. Genaueres darüber wollte ich nachher aus dem Munde der Hesychasten selbst hören. Es wäre mir am liebsten gewesen, eine praktische Einführung in das Gebet zu bekommen, um seine Wirkungen aus Erfahrung kennen zulernen. Aber schon in Konstantinopel sagte man mir, daß der Erfolg dieses Experiments von der Körperbeschaffenheit des einzelnen abhinge und wenigstens 6 Wochen in Anspruch nähme, da diese Zeit notwendig sein, um mit dem geistlichen Führer eine innere Beziehung herzustellen. Es blieb mir daher nichts übrig, für dieses Mal auf das Experiment zu verzichten. Am Morgen des 15. Juli bestiegen wir das Schifflein in Ierissos, das uns zum Ziel unserer Reise bringen sollte. Blicken wir zusammenfassend zurück auf alles, was wir in mehrtägigen Gesprächen über den Hesychasmus gehört haben, so können wir uns fragen, ob diese Gebetsweise eine Beziehung zu den östlichen Meditationsmethoden, zu Yoga bzw. Zen, hat. Wenn man die Gebetstechnik, zumal die Verbindung zwischen Gebet und Atmung vergleicht, so sind gewisse Ähnlichkeiten nicht zu verkennen. Das Jesusgebet geschieht in der Weise, daß beim Einatmen der Name Jesu, nämlich »Jesus Christus, Sohn und Wort des lebendigen Gottes und Maria's« und beim Ausatmen »Erbarme dich meiner, des Sünders« gesprochen wird. Das Denken (den Geist) aus dem Kopf in das Herz verlegen, schließt notwendig ein, daß man das diskursive Denken ganz aufgibt; denn das ist nach unserer menschlichen Vorstellung nur im Kopf möglich. In Yoga und Zen wird großer Wert auf das richtige Atmen gelegt. Auch dort soll man die Gedanken aus dem Kopf nach unten verlegen, freilich nicht in das Herz sondern in den Unterleib unterhalb dies Nabels. Es scheint, daß man ursprünglich auch auf dem Athos sich auf diese Stelle des Körpers konzentriert hat und diese Technik Nabelbeschauung (von daher der griech. Name: Hesychasmus) nannte. Da ist freilich längst ein Wandel eingetreten. Man sagte mir ausdrücklich, dass die Nadelbefall »nicht mehr« gemacht würde. Es dürfte nicht leicht sein festzustellen, wann diese Umstellung stattgefunden hat. (siehe dazu: Nabelschau, Hesychasmusstreit, Wikipedia) Sicher ist gegenwärtig ein großer Unterschied in dieser Beziehung vorhanden. Denn jetzt kommt es beim Jesus Gebet für die Anfänger darauf an, den »Ort des Herzens« zu finden, während es in Yoga und Zen darauf ankommt, den Ort des »Hara« zu finden im Sinne des Schwerpunktes im Körper. Von den Hesychasten wird, wie ich in mehreren Gesprächen gehört habe, behauptet, dass schließlich das Herz selbst das Jesusgebet spricht, und zwar ununterbrochen bei Tag und bei Nacht, so dass man vom Hinhorchen auf das Herz reden kann. Was die Kontinuität betrifft, so finden wir, wenn man vom Inhalt des Gebietes absieht, eine Parallele im Zen. Es gibt dort z.B. das Koan »Mu«, bei denen in bestimmte Verbindung mit dem Atem das »Mu« (= Nichts) beständig wiederholt wird. Erfahrenen Zenmeister aber wissen, dass diese Übung mit dem Mu Tag und Nacht, und selbst im Schlafe fortgesetzt werden kann. Die Tatsache, dass man manchmal meint, Ikonen zu sehen bei der Übung des Hesychasmus, hat seine genaue Parallele in Yoga und Zen. In Hesychasmus nennt man das Teufelswerk, im Zen »Makyō« d.h. Teufelswelt. Beide lehren, dass man sich nicht auf solche »Visionen« einlassen darf.
Für unsere Frage ist auch die Geschichte des Jesusgebetes sehr wichtig. Darüber ist bereits viel studiert und auch geschrieben worden. Um nur einiges anzuführen von den Ergebnissen dieser Forschungen: Es steht fest, daß die Ursprünge dieses Gebetes, was den psychisch-physischen Teil betrifft, sich bereits bei den »Vätern in der Wüste« des 4. und 5. Jahrhunderts nachweisen lassen. Sobald die Anrufung des Namens Jesu hinzukam, war das Jesusgebet geschaffen. Das geschah spätestens zur Zeit des Johannes Klimakus († 649); denn dieser hat dieses Gebet bereits propagiert. Es wurde viel geübt von den Mönchen auf dem Sinai. Von dort kam es durch Gregorius Sinaita (1346) zum Athos, wo es weiter entwickelt wurde. Die Frage ist also, ob die Väter in der Wüste den psychophysischen Teil dieses Gebetes von Vertretern des Yoga oder Zen direkt oder indirekt übernommen haben, oder ob diese Technik auf einer allgemeinen religiösen Erfahrung der Menschheit beruht. Vieles spricht für das Erstere, aber ein zwingender historischer Beweis liegt meines Wissens nicht vor.
Eine weitere Frage, die uns in diesem Zusammenhang interessieren könnte, ist, ob das Taborlicht, von dem traditionsgemäß einer der Einsiedler sprach, mit der Erleuchtung von Yoga und Zen zusammenfällt. Es ist wohl anzunehmen, daß weit fortgeschrittene Hesychasten eine der Erleuchtung ähnliche innere Erfahrung haben. Aber damit ist noch nicht alles verwirklicht, was mit dem Taborlicht gemeint ist. Es heißt darüber: »Die Gnade des hl. Geistes ist ein Licht, das den Menschen durchleuchtet. So erscheint denn die Gnade des Allerheiligsten Geistes im unbeschreiblichen Licht allen denen, denen Gott ihr Wirken offenbart«. Mit anderen Worten: Die Gnade des hl. Geistes erhält der Christ in der Taufe. Aber sie ist etwas Geistiges und normalerweise nicht sichtbar. Wenn sie jedoch mehr und mehr wächst und den Menschen ganz durchdringt, dann wirkt sie auch auf den Körper ein und macht ihn schließlich leuchtend. Es ist sozusagen eine Vorwegnahme der Verklärung, wie sie nach christlicher Lehre den Leibern der Gerechten nach der Auferstehung von den Toten zukommt.
Athos 1 Die Republik der Mönche Dokumentation {52:25}
dimitris stavrianos Am 01.05.2017 veröffentlicht
https://ds-simple.blogspot.com/2019/0…
Mount Athos
Athos | Feature Documentary {1:35:35}
Sandicado TV Am 15.02.2019 veröffentlicht
Mount Athos on a peninsula off the cost of Greece is one of Europe's last remaining secrets: a monks' republic. Access to women is strictly denied and in order to keep unwanted tourists out, visas are granted only to pilgrims and workers. For the first time, a filmmaker was given access to all forms of monastic life on the holy mountain.
Falsche Freiheit (enorm 2/14) Wir nutzen unsere Wahlmöglichkeiten bloß, um ein vermeintlich optimales Leben zu führen, sagt Renata Salecl. Die Folgen: Unzufriedenheit und Schuldgefühle Aus der Psychoanalyse wissen wir, dass sich der Mensch längst nicht
immer für das entscheidet, was das Beste für ihn wäre. Stattdessen
leiten uns unbewusste Mechanismen. […] Unser Leben ist viel weniger kontrollierbar, als wir uns das vorstellen.
Eine Freundin, Psychotherapeutin aus London, erzählt mir oft von
Frauen, die zu ihr kommen. Sie waren auf den besten Schulen, ernähren
und kleiden sich gut, haben einen interessanten Job und einen netten
Mann. Und sie fragen sich: Warum bin ich trotzdem nicht glücklich? Die
Antwort ist: Weil es ein Irrglaube ist zu denken, dass am Ende einer
Reihe richtiger Entscheidungen auch zwangsläufig das Glück steht. […] Wir sehen das Glück als etwas, auf das wir hinarbeiten können. Aber
realistischerweise sind es nur Momente. Und die kommen oft, wenn wir sie
am wenigsten erwarten, und nicht als Ergebnis eines Masterplans. […] Das ganze Leben ist zu einem Produkt geworden, das wir angeblich
optimieren können, wenn wir uns nur richtig entscheiden. Werden wir
Eltern, melden wir unsere Kinder zu unzähligen Aktivitäten an, in der
Hoffnung, als Resultat das perfekte Kind zu bekommen. Das uns dann
hoffentlich glücklich und zufrieden macht. Der Gipfel dieser Idee, alles
bestimmen zu können, ist die Theorie des positiven Denkens. Sie besagt,
dass glücklich wird, wer richtig denkt. Im Umkehrschluss heißt das:
Unglück begründet sich in falschen Gedanken. So bringt man Menschen
dazu, ständig in sich hineinzublicken, anstatt sich sozial und kritisch
in die Gesellschaft einzubringen. […] Als Kinder hatten wir dadurch eine ganz intensive Freude am Konsum. Die
Grenzen waren klar gesteckt und keiner überlegte, ob es an seinem
eigenen Versagen liegen könnte, wenn er nichts hatte. Wir waren sehr
kreativ und ich glaube, ich habe nie etwas mehr gewollt als die erste
Jeans, die mir meine Mutter aus Italien mitbrachte. Dieses Verlangen und
diese Freude werde ich nie vergessen. […] Die deutschen Philosophen von Kant bis Hegel schrieben: Das Subjekt
kommt nur zur wahren Freiheit, wenn es seinen Geist diszipliniert. Hegel
war der Meinung, dass Kinder Latein lernen müssen. Nicht weil sie es
später bräuchten, sondern weil dieser Drill sie dazu befähigen würde,
als Erwachsene mit der Freiheit umzugehen. mehr: Falsche Freiheit (Katrin Zeug, enorm 2/14)
Die Lehre sollte nicht
aus leeren Worten und verstaubten Geschichten bestehen, sondern muss immer
frisch sein.
Das ist wirkliche Lehre.
Im Februar 1968 saß ich eines
Abends gemeinsam mit 50 Mitstudenten, alle in schwarze Roben gekleidet, im Zen
Mountain Center von Tassajara Springs, zehn Meilen hinter der Küste von Big Sur
in Kalifornien, tief in der Wildnis der Berge. Im Licht der Petroleumlampe sah
man unseren Atem in dem ungeheizten Raum aufsteigen. Shunryu Suzuki Roshi, der
Begründer des ersten zenbuddhistischen Klosters im Westen, hatte gerade einen
Vortrag beendet. «Vielen Dank», sagte er mit leiser Stimme, in der tiefe
Dankbarkeit mitschwang. Er trank einen Schluck Wasser und räusperte sich. «Gibt
es noch Fragen?», wollte er wissen. Ich verneigte mich mit
zusammengelegten Händen. «Hai?»,
sagte er. «Suzuki Roshi, ich folge Ihren
Vorträgen seit Jahren, sie sind sehr inspirierend für mich, und ich weiß, dass
das, wovon Sie sprechen, sehr klar und einfach ist. Aber ich verstehe es nicht.
Es kommt mir so vor, als könnte ich Ihnen noch tausend Jahre zuhören und würde
immer noch nichts verstehen. Würden Sie es bitte einmal kurz und bündig sagen.
Könnten Sie den Buddhismus in einem Satz zusammenfassen ?» Alle lachten. Er auch. Was für
eine lächerliche Frage! Niemand glaubte, dass er sie beantworten würde. Man
wusste nie, woran man bei ihm war, und er hatte oft gesagt, man solle sich
keine Vorstellung davon machen, was der Buddhismus sei. Aber Suzuki gab eine
Antwort. Er schaute mich an und sagte: «Alles wandelt sich.» Dann bat er um
weitere Fragen. Shunryu Suzuki, ein Priester der
Soto-Schule des Zen, war 1959 nach San Francisco gekommen, um der kleinen
Gemeinde der dort lebenden Japaner vorzustehen. Er hatte keinen Plan, war aber
voller Zuversicht, dass einige Menschen des Westens die Zen-Praxis, wie er sie
gelernt hatte, annehmen würden. Er hatte eine bestimmte Art, mit Dingen
umzugehen – Pflanzen, Steinen, Roben, Möbelstücken -, die eine Ahnung davon
vermittelte, wie es war, mit der Welt im Einklang zu sein. Und er hatte eine
bestimmte Art, mit Menschen und mit Worten umzugehen, die die Leute anzog und
sie dazu brachte, zuzuhören. Zen Mind, Beginner’s Mind (Deutsch: Zen-Geist, Anfänger-Geist), eine Sammlung seiner Vorträge, erschien
1970 und wurde in mehr als einer Million Exemplaren in einem Dutzend Sprachen
verkauft. Das Buch zeigt Suzukis eigentliche Passion: die kontinuierliche,
gemeinschaftliche Praxis des Zen. Er wollte das, was er gelernt hatte, an
andere weitergeben und hoffte, dass seine Nachfolger den Buddhismus in Amerika
mit Leben füllen und ihm in Japan Leben zurückgeben würden. Buddhistische Ideen waren seit
Emersons und Thoreaus Transzendentalismus in die amerikanische Kultur
eingegangen. Im Weltparlament der Religionen in Chicago, 1893, stellte Soen
Shaku Zen öffentlich dem Westen vor. Sein Schüler und Übersetzer D. T. Suzuki
wurde zu einem großen Vermittler, er lehrte in Harvard, an der Columbia
University und publizierte Dutzende viel gelesener Werke über den Buddhismus
auf Englisch. Wenn man Shunryu Suzuki mit D. T. Suzuki verwechselte, sagte er
immer: «Nein, er ist der große
Suzuki, und ich bin der kleine
Suzuki.» Erste kleine Gruppen versammelten
sich zur Meditation und zu gemeinsamen Studien an der Ostküste um Shigetsu
Sasaki und um Nyogen Senzaki im Westen. Vom Buddhismus beeinflusste Werke von
Hermann Hesse, Ezra Pound und den Schriftstellern der Beatgeneration wurden in
den Cafés von NewYork und San Francisco diskutiert. Shunryu Suzuki betrat diese Szene
und verkörperte, was für die meisten bis dahin nur von intellektuellem
Interesse gewesen war. Er rückte tägliches zazen,
die Zen-Meditation, in den Mittelpunkt und das, was er «Praxis» nannte: Zazen
sollte sich auf alle Tätigkeiten erstrecken. Er hatte eine frische Art, sich
des Lebens anzunehmen und über es zu reden, unglaubliche Energie, große Präsenz
und einen ansteckenden Sinn für Humor. Seit Suzukis Ordination im Alter
von dreizehn Jahren wurde er von seinem Meister Gyokujun So-on «Krumme Gurke»
genannt. Krumme Gurken waren nicht zu gebrauchen; die Bauern warfen sie auf den
Kompost. So-on sagte Suzuki, dass er ihm Leid tue, weil er sicher nie gute
Schüler haben werde. Lange Zeit schien es so, als habe So-on Recht gehabt. Dann
erfüllte Krumme Gurke sich einen Lebenstraum. Er ging nach Amerika, hatte viele
Schüler und starb in der Blüte eines erfolgreichen Wirkens. An einem milden Augustnachmittag
des Jahres 1993 hatte ich eine Verabredung mit Shunryu Suzukis Witwe Mitsu
Suzuki. Auf dem Weg in den ersten Stock des San Francisco Zen Centers, einem
dreigeschossigen Bau aus rotem Backstein, kam ich an einem Raum vorbei, der dem
Gedenken Shunryu Suzukis gewidmet ist. Er wird von einer fast lebensgroßen
Statue Suzukis beherrscht, die ein alter japanischer Bildhauer aus dem hellen
Holz eines Zypressenstammes geschnitzt hat. «Hallo, Roshi, tschüs, Roshi»,
murmelte ich, während ich mich im Vorbeigehen schnell verbeugte. Ich hatte nur Mitsu Suzuki-sensei
im Kopf. Wir waren einmal sehr eng befreundet gewesen, aber in den letzten
Jahren hatten wir uns nicht oft gesehen, und bald schon würde sie für immer
über den Pazifik nach Hause zurückkehren. Ich musste mit ihr reden, und obwohl
dafür nicht mehr viel Zeit blieb, wollte ich nichts überstürzen. Ich wollte
ihren Segen. «Komm rein, David», rief sie aus
der Küche am Ende des Korridors. Ich trat ein, und da stand sie und sah
auffallend jung aus für eine Frau, die sich im letzten Jahr ihres siebten
Lebensjahrzehnts befand. «Keine Umarmungen», sagte sie schnell und wehrte mich
mit ausgestreckten Händen ab. Fünfzehn Jahre zuvor hatte ich meiner Zuneigung
irgendwann einmal zu sehr Ausdruck gegeben, und meine Umarmung muss ihr einige
Rippen gequetscht haben. Ich verbeugte mich und sagte etwas Höfliches auf
Japanisch. Sie war fast einen Kopf kleiner
als ich. Das Gesicht rund und mädchenhaft wie immer, umrahmt von langem,
glattem schwarzen Haar, nur hier und da von ein paar grauen Strähnen
durchzogen. Sie trug eine selbst genähte weite Hose und eine mit Chrysanthemen
gemusterte Bluse aus dem gleichen Material. Nach einigen höflichen Worten über
meine Familie und ein Buch, das ich geschrieben hatte, kam ich auf den Grund
meines Besuchs zu sprechen. «Ein paar Verleger hätten vielleicht Interesse an …
Mir wurde vorgeschlagen, ich könnte … vielleicht …, also … vielleicht etwas
über Suzuki Roshi schreiben – eine Sammlung von Geschichten über ihn, die
Erinnerungen der Leute.» «Oh, danke schön, dass du über
Hojo-san schreiben wirst», sagte sie und betonte dabei das Danke. Hojo-san – so
nannte sie ihren Mann immer. Hojo
wird der Abt eines Tempels genannt, und san
ist eine höfliche Form der Anrede. «Sie glauben also, dass das in
Ordnung wäre?» «Oh, ja, ja», sagte sie
nachdrücklich. «Erzähle viele lustige Geschichten.» «Also … lustige Geschichten, ja
klar, … , aber nicht nur lustige. Ernste und traurige auch, alles eben, nicht
wahr?» «Ja, aber die Leute mögen lustige
Geschichten; dann wird es gut. Hojo-san mochte lustige Geschichten.» «Es gibt vielleicht ein paar
Leute, die es nicht so gut finden, wenn ich das Buch schreibe.» Jetzt setzte sie sich mir
gegenüber an den Tisch und blickte mich direkt an. «Was ich jetzt sage, sind
Suzuki Roshis Worte, es ist seine Stimme: ‹Schreib bitte ein Buch über mich,
und vielen Dank dafür.›» Es war Zeit zu gehen. Sie schenkte
mir einen grünen Frosch aus Metall, der die Größe meiner Handfläche hatte.
«Hier, nimm ihn, er hat Hojo-san gehört. Es würde ihn freuen, dass du ihn jetzt
hast. Er liebte Frösche sehr», sagte sie und zog diesmal das Sehr in die Länge.
«Ich verschenke alles. Wie eine Zikade möchte ich nach Japan zurückkehren; sie
lässt auch ihren Panzer zurück.» «Ich möchte Sie besuchen kommen
und mit Ihnen über Hojo-san sprechen.» «Nein, nein, nein», sagte sie mit
Nachdruck, «kein Englisch mehr. Ich werde mein schlechtes Englisch hier
lassen.» «Dann werde ich eben in meinem
schlechten Japanisch reden», antwortete ich in meinem schlechten Japanisch. «Gut, besuch mich bitte. Aber komm
mit einer kleinen Stimme, deine Stimme ist zu groß.» «In Ordnung», sagte ich mit einer
kleinen Stimme. «Und denk bitte daran, viele
lustige Geschichten aufzuschreiben.» Plötzlich fragte sie: «Wieso könnte
irgendjemand nicht wollen, dass du ein Buch über Hojo-san schreibst?» «Aus verschiedenen Gründen. Sie
wissen, dass er so etwas nicht wollte. Erinnern Sie sich an das, was Noiri
Roshi schon vor über zwanzig Jahren gesagt hat?» Noiri Roshi war ein Kollege
von Suzuki, ein strenger, der Tradition verbundener Priester, mittlelweile alt
geworden und hoch geehrt. «Nein, was hat Noiri-san gesagt?» «Dass Suzuki Roshi einer der
größten Japaner dieses Jahrhunderts gewesen sei, über den niemand schreiben
solle, der nicht alle seine samadhis
kenne.» «Großartig», sagte sie und schlug
die Hände zusammen, «da hast du ja schon deine erste lustige Geschichte!»
David
Chadwick, Shunryu Suzuki oder die Kunst, ein Zen-Meister zu werden,
Einleitung, S. 9 ff.
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 1
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 2
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 3
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 4
[9:21]
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 5
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 6
[9:09]
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 7
[9:54]
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Zen Buddhism: Shunryu Suzuki Roshi - Part 8
[5:19]
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Present! - Talks of Shunryu Suzuki Roshi at Tassajara Zen Mountain Center
[26:18]
Hochgeladen am 02.09.2008
Mel Van Dusen presents the talks of Shunryu Suzuki Roshi at Tassajara Zen Mountain Center.
Zen Mind, Beginner's Mind is a book of teachings by the late Shunryu Suzuki, a compilation of talks given to his satellite Zen center in Los Altos, California. Published in 1970 by Weatherhill, the book is not academic. These are frank and direct transcriptions of Suzuki's talks recorded by his student Marian Derby. Trudy Dixon and Richard Baker (Baker was Suzuki's successor) edited the talks by choosing those most relevant, arranging them into chapters. According to some, it has become a spiritual classic, helping readers to steer clear from the trappings of intellectualism.
Amano stand an Suzukis
Krankenbett, um sich zu verabschieden. «Ich habe alle meine Pflichten erfüllt»,
sagte Suzuki zu ihm, «berichtet bitte der Gemeinde davon.» «Hai», erwiderte Amano zur
Bestätigung.
Suzuki schenkte Amano seine Mala
mit den Perlen in Totenkopfform. Er bat Okusan, ein Rollbild für Yasuko
einzupacken und Hoitso den Stab mitzugeben, den er bei der Zeremonie getragen
hatte. Der Bronzeaufsatz an der Spitze des Stabs war der letzte der
Gegenstände, die von den Dingen, die sich Suzuki 1959 bei seinem Weggehen
ausgeliehen hatte, zurückgebracht werden sollten. «Also, wir gehen jetzt»,
sagte Amano. «In Ordnung. Auf Wiedersehen, Vater.
Ich wünsche Euch eine gute Reise!», antwortete Suzuki leise. Hoitsu konnte kaum fassen, wie
beiläufig die beiden Männer sich voneinander verabschiedeten – als würden sie
sich morgen wieder sehen. Vor dem Start fing Yasuko im
Flugzeug an zu weinen. Sie wollte aussteigen und bei ihrem Vater bleiben.
Hoitsu versuchte, sie zu trösten, indem er sagte, sie müssten zurückkehren, um
Amano dabei zu helfen, den Menschen zu erklären, was ihr Vater zwölf Jahre lang
in Amerika bewirkt, was er aufgebaut hatte und welches Vermächtnis er
hinterließ. Niemand hatte wirklich verstanden, wieso er weggegangen war. Jetzt
wussten sie es, konnten anderen davon berichten und ihren Stolz teilen.
Die Bodhisattvas aus alter Zeit fürchteten
sich nicht
vor dem Scheitern, vor Armut und Tod – darin, und in den
kleinen Dingen fanden sie ihre Freude.
Ein Krankenhausbett wurde in einem
Zimmer im ersten Stock aufgestellt, von dem aus man in den Innenhofblicken
konnte. Von hier aus konnte Suzuki am Leben des Zen Center teilnehmen und die
einfallende Sonne genießen. Die Buddha-Halle lag direkt unter ihm; während der
morgendlichen Zeremonie verfolgte er die Klänge der Rezitationen, der Trommeln
und Klangschalen, die durch das Fenster und die offene Tür hereindrangen. Okusan
wusch sein Gesicht, und er trank ein Glas Orangensaft – das war seine
morgendliche Zeremonie. Er war zu schwach, um das Bett zu verlassen.
Ryuho verlor sich im Anblick von Suzukis
Gesicht, während er ihm Shiatsu-Behandlungen gab. Es wirkte weit, offen und
wandelte sich ständig. In Ryuhos Augen hatte es alles Japanische verloren. Es
war offensichtlich, dass Suzuki jederzeit sterben konnte – Okusan und der Arzt
waren der gleichen Ansicht. Seine Haut war fast so dunkel wie sein braunes Okesa.
Aber auf Ryuho machte das Licht seiner Augen einen kraftvollen Eindruck. Yvonne war jeden Tag bei ihm,
während Okusan kochte, die Wäsche machte und putzte. Sie wechselten sich in der
Betreuung ab und massierten ihm Rücken, Beine und Arme – wo immer er wollte.
Manchmal, wenn Yvonne an seinem Bett saß, kam ein dünner Arm unter den Decken
zum Vorschein und reckte sich nach oben. Sie rieb ihn eine Weile, bis er ihn
wieder zurückzog. Etwas später kam dann der andere Arm hervor. Sie und Okusan
massierten und bewegten ihn, so dass er sich nicht wund lag. Er klagte nie und
freute sich immer über die Aufmerksamkeit, die man ihm entgegenbrachte. Auf dem Tisch stand ein Glas mit Schmerzmitteln.
Er lehnte sie ab, wie schon nach der Operation an seiner Gallenblase. Einmal
hatte er sie auf Anraten seines Arztes genommen, aber ihm missfiel der
Geisteszustand, in den sie ihn versetzten, und er bat Yvonne, sie wegzunehmen.
Richard gegenüber äußerte er jedoch, dass er sich manchmal wie unter der Folter
fühle. Eines Tages bat Suzuki Yvonne
näher zu kommen. Er entschuldigte sich dafür, sie nicht ordiniert zu haben, und
wiederholte noch einmal, dass er nicht genug Vertrauen zu seiner Fähigkeit
habe, Frauen auszubilden. «Ich habe deine Ernsthaftigkeit in
der Praxis nicht erkannt», sagte er ihr.
Innerhalb einer Woche nach der
Zeremonie hatte Suzuki fast gänzlich zu sprechen aufgehört. Schließlich aß er
auch nicht mehr. Sein Körper war weich, kraftlos, dünn und so groß wie der
eines achtjährigen Kindes. Immer schon war ihm etwas Kindliches eigen gewesen,
früher jedoch gepaart mit großer Stärke und Energie, einer Kraft, die massive
Steine versetzen konnte. Jetzt hatte er den dunklen Körper eines sterbenden
Kindes. Okusan erklärte Ryuho, dass er nicht mehr zu kommen brauche. Sie oder Yvonne
blieben stets in Suzukis Nähe. Sie massierten ihn auch weiterhin sanft, aber Yvonne
hatte den Eindruck, dass sie jetzt eigentlich nur noch miteinander atmeten. Es
gab fast nichts mehr zu tun, außer bei ihm zu sein und auf seine seltenen
Wünsche zu achten. Als er auch noch zu trinken aufhörte, befeuchteten sie ihm
Lippen und Mund mit einem Waschlappen. Richard kam jeden Tag. Manchmal
konnte er mit Okusans Unterstützung noch mit Suzuki sprechen. Sie sagte, dass
er jetzt kaum noch hören könne. «Wo werde ich dich treffen?», fragte Richard,
der in Gassho am Fußende des Bettes stand. Suzukis Hände kamen, ebenfalls in
Gassho, unter der Decke zum Vorschein. Dann malte er mit ausgestrecktem
Zeigefinger einen Kreis in die Luft, verneigte sich in ihn hinein und zog seine
Hände unter die Decke zurück. Richard verbeugte sich ebenfalls.
Dass wir hier sind, heißt, dass wir
verschwinden werden.
Am Abend des 3. Dezember wurde Suzuki
von seinem Krankenhausbett in sein eigenes Bett in die Wohnung gebracht.
«Morgen», bedeutete er Okusan mit einem heiseren Flüstern, «muss ich mit
Richard über Silas sprechen.» Okusan ging in das Tatami-Zimmer
und rollte den Futon aus. Zum ersten Mal zog sie kein Nachthemd an und legte
sich in ihren Kleidern erschöpft zum Schlafen nieder. Suzukis Sohn Otohiro war schon
seit mehreren Tagen da und entschloss sich, bis zum Ende zu bleiben. Er wusste,
dass es nicht mehr lange dauern würde. Er schlief in Okusans Bett, direkt neben
seinem Vater. Gegen 2 Uhr morgens weckte er Okusan: «Mutter! Mutter! Vater will
ein Bad nehmen.» «Nein, nein, nein.» Sie betrat Suzukis
Zimmer und gab ihm zu verstehen, dass er weiterschlafen solle. Er jedoch
bestand darauf, ein Bad zu nehmen. Die Vorstellung bereitete Okusan Angst. Suzuki
war schon lange nicht mehr in einer Wanne gewesen. «Es ist in Ordnung», flüsterte er. Otohiro schwieg. Er wusste, dass
sein Vater sich bis zum Schluss durchsetzen würde. Schließlich ging Okusan ins
Badezimmer und ließ Wasser einlaufen. Otohiro trug Suzuki langsam zum Bad und setzte
ihn in die Wanne. Dort rang Suzuki plötzlich nach Luft und atmete schnell. «Es
ist vorbei», stieß er zwischen kurzen Atemzügen hervor. «Beruhige dich, beruhige dich»,
flüsterte Otohiro ihm beschwichtigend ins Ohr und hielt ihn im Arm. «Atme
langsamer, Vater.» Otohiro atmete hörbar und langsam ein und aus, und Suzukis
Atem beruhigte sich. Dann fragte Suzuki nach dem
parfumierten Seifenstück, das Della ihm geschenkt hatte. Er hatte nie
irgendetwas Parfümiertes benutzt, aber jetzt rieb er sich zwischen seinen
Händen bedächtig einen dicken Schaum zurecht, und sie halfen ihm dabei, sich
gründlich zu reinigen. Danach nahm er ganz entspannt ein langes Bad.
Schließlich lag Suzuki wieder auf seinem Bett und seufzte erleichtert auf. Er
sprach sehr langsam und kaum noch vernehmbar: «Ahhh, wie gut sich das anfühlt»,
und ein Ausdruck des Vergnügens schien für kurze Zeit auf seinem Gesicht zu
liegen, «lasst mich morgen früh ausschlafen.» «Bist du vielleicht durstig»,
fragte ihn Okusan. «Möchtest du etwas Orangensaft oder Eiskrem?» «Orangensaft.» Er trank, schloss
die Augen und schlief ein. Okusan kehrte auf ihren Futon
zurück, und Otohiro legte sich wieder neben seinen Vater. Bald darauf war es 4
Uhr, und er hörte den Klang der Glocke, der sich durch die Gänge bewegte, um
alle zum Zazen zu wecken. An diesem Morgen saß die Gemeinschaft jedoch kein
gewöhnliches Zazen. Der 4. Dezember war der erste Tag eines fünftägigen Sesshin'
das am Tag der Erleuchtung Buddhas, am 8. Dezember, seinen Abschluss finden
würde. Mehr als 100 Personen nahmen daran teil. Otohiro hörte, wie Türen leise
geöffnet und geschlossen wurden und das Wasser in den Waschräumen auf der
anderen Seite des Treppenhauses rauschte. Dann kam der durchdringende Klang des
hölzernen Han, der anzeigte, dass der neue Abt, Zentatsu Baker Roshi (wie Suzuki
ihn genannt haben wollte) jetzt vor den verschiedenen Altären Räucherstäbchen
darbrachte. Der letzte Altar war der im Zendo, wo er das Sesshin eröffnen und
die erste Zazen-Periode einläuten würde. Der Klang einer Glocke drang leise
aus dem Zendo nach oben. Otohiro bemerkte, wie sein Vater sich leicht bewegte.
Plötzlich spürte er Suzukis Hand, die seinen Arm ergriff. Ein kaum hörbares Flüstern
erklang: «Hol Baker.» Otohiro sprang aus dem Bett und
rannte in das Tatami-Zimmer. «Mutter! Etwas geschieht mit Vater! Er will Baker
sehen!» Ohne ein Wort zu verlieren, erhob
sich Okusan und eilte in den Zendo. Richard hatte gerade auf seinem Kissen
Platz genommen und legte seine Roben zurecht, als Okusan die Seitentür öffnete.
Lew saß ihr am nächsten. «Hol Zentatsu», flüsterte sie mit Nachdruck. Richard eilte mit langen Schritten
der Zendo- Tür entgegen und rannte die Treppe hoch in Suzukis Zimmer. Okusan
und Otohiro ließen Suzuki mit Richard allein. Suzuki war noch bei Bewusstsein
und streckte seinem geliebten Schüler mit letzter Lebenskraft die Hand
entgegen. Halb sitzend, halb auf dem Bett kniend, hielt Richard seine Hand und
legte seine Stirn an die Suzukis. In dieser Position verharrten sie einige
Augenblicke, bis Richard spürte, dass der Mann, den er am meisten liebte, sein
Leben losließ und von ihm ging. Ganz langsam hauchte Shunryu Suzuki Roshi sein
Leben aus – so sacht, dass Richard der genaue Zeitpunkt entging. Er wusste nur,
dass es geschehen war. Richard ließ Suzukis Hand los. Er
wartete noch einen Moment und fühlte den Puls. Dann ging er zu Okusan und Otohiro.
Richard hatte seine Hand auf sein Herz gelegt. Er sprach Japanisch. Mit
brechender Stimme sagte er: «Suzuki Roshis Leben ist zu Ende.»
DavidChadwick, Shunryu Suzuki oder die Kunst, ein Zen-Meister zu werden,
Schluß, S. 384 ff.