Robbie Williams hat die Klinik, in der er sich wegen seiner Tablettensucht aufhielt, gegen den Rat der Ärzte schon nach drei statt nach vier Wochen verlassen. Seine Mutter, die selbst Drogenberaterin ist, »wird ihn unterstützen«, las ich heute in der HAZ. Jetzt braucht man nur noch eins und eins zusammenzählen.
Im Video zu »Rock DJ« reißt sich Robbie lachend alles vom Leib, was man sich »vom Leib reißen« kann …
… und steht schließlich als fröhlich tanzendes Skelett da.
Bei My Video und Yahoo kann man sich das Video ansehen.
Einen der auf Yahoo hinterlassenen Kommentare will ich nicht vorenthalten:
»I say we vote that that put more sexy guys flaunting their bodies around on videos... feed us hungry eyed women.«
Everything you want, baby…
Im Internet gibt es einige nachdenkliche Kommentare, u.a. bei www.theomag.de und bei Jungle World. Die Tendenz dieser Deutungen bezieht sich auf den Kontext Musikindustrie. Wenn wir den Kontext auf seine Drogenprobleme und die liebevolle Nachbetreuung durch seine Mutter verschieben, ändert sich auch die »Be-Deutung«. Aus einem Entertainer, der für seinen Erfolg bezahlen muß, wird ein Junge, der hinter der Maske des fröhlichen Lächelns verzweifelt gleichzeitig versucht, etwas loszuwerden und etwas zu bekommen. Dieser Versuch (man denke an Harald Juhnke) kann nur kurzfristig entlasten und muß langfristig scheitern. Ich lade dazu ein, darüber zu phantasieren, was Robbie da wohl loswerden will und nach was er dürstet und warum.
Man schaue sich die wenigen Szenen, in denen Robbie Williams zu sehen ist, an: entweder er tut unbeteiligt, oder er übertreibt. Die beiden Gegenteile sind dasselbe, beides soll die Not hinter der Fassade verbergen.
Bert Hellinger, der Familienaufstellungs-Guru, haut vorschlaghammerartig ab und zu Sätze raus wie diesen: »Jemand wird süchtig, wenn ihm die Mutter gesagt hat: Was vom Vater kommt, taugt nichts. Nimm nur von mir. Dann rächt sich das Kind an der Mutter und nimmt so viel von ihr, dass es ihm schadet. Die Sucht ist also die Rache des Kindes an seiner Mutter, weil sie verhindert, vom Vater zu nehmen.« (gefunden bei »Die Psychoszene hat einen neuen Star« im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt vom 6.10.2000 auf »mitglied.lycos.de/ueberlebende«) Abgesehen davon, daß seine rabiaten Aufstellungspräsentationen wohl häufig mehr schaden als nutzen und der Absolutheitsanspruch seiner Realitätsbeschreibungen mit äußerster Vorsicht zu genießen ist (man führe sich den eben erwähnten Artikel ruhig zu Gemüte), steckt in dieser Äußerung über die Sucht meiner Meinung nach einiges an Wahrheit. (Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß sich das Kind meiner Meinung nach nicht an der Mutter rächt, dazu ist es nicht souverän genug.) Wenn wir Robbie Williams’ Drogenprobleme unter diesem Aspekt betrachten, bekommen wir eine Ahnung davon, was sich Robbie da vom Leib reißt. Und wenn wir uns vergegenwärtigen, wer ihn nach seinem Klinikaufenthalt so liebevoll betreut, läuft es einem kalt den Rücken runter.
Unter diesem Aspekt wird deutlich, wie zumindest ein Teil des Erfolgs von Robbie (»beliebtester Schwiegersohn«) zustandekommt: Wir erleben einen Entertainer, der fröhlich um sein Leben singt, dessen verzweifelter Versuch um eine stabile Perspektive im Leben unsere eigene Verzweiflung an unserer Existenz künstlerisch überhöht und damit aushaltbarer macht.
»Was ist der Unterschied zwischen Piranhas und klammernden Müttern?
Der Piranha läßt mal los.« (Dr. Mathias Hirsch, Psychotherapeut in der Bruker-Klinik Lahnhöhe bei Lahnstein)
In diesem Kontext ein Zitat aus Erich Neumanns Buch »Ursprungsgeschichte des Bewußtseins« (Kapitel 2, Die große Mutter):
Die tödliche Spannung zwischen den orgiastischen Festen, in denen der Jüngling als Phallus die zentrale Rolle spielt, und der nachfolgenden rituellen Kastration und Tötung bestimmt archetypisch die Situation des Jünglings-Ich unter der Dominanz der Großen Mutter. Diese archetypische Situation ist sowohl kulturgeschichtlich aufzuweisen, wie entwicklungsgeschichtlich von der psychologischen Geschichte des Ich, aus zu verstehen. Die Beziehung des Sohngeliebten zur Großen Mutter ist eine archetypisch wirksame Situation, deren Überwindung auch heute noch die Voraussetzung ist für eine Weiterentwicklung des Ich und des Bewußtseins.Die blütenhaften Jünglingsknaben sind noch nicht stark genug, sich gegen die Übermacht der Großen Mutter wehren oder gar sie überwinden zu können. Noch sind sie mehr Geliebte als Liebende. Denn die Göttin ist die Begehrende, die sich die Knaben wählt und ihre Sexualität weckt. Die Aktivität geht niemals von ihnen aus, sondern sie sind Opfer, blütenhaft hinsterbende Geliebte. Der Jüngling dieser Stufe hat noch keine Männlichkeit, kein Bewußtsein, kein oberes geistiges Ich. Er ist narzißtisch identisch mit seinem männlichen Körper und dem, was ihn kennzeichnet, dem Phallus. Nicht nur, daß die Muttergöttin ihn nur als Phallus liebt und, kastrierend, sich seines Phallus bemächtigt zu ihrer Fruchtbarkeit, auch der Jüngling selber ist noch identisch mit dem Phallus, sein Schicksal ist Phallusschicksal.Die Jünglinge, ichschwach und ohne Persönlichkeit, besitzen nur ein kollektives Schicksal, kein eigenes, sie sind noch keine Individuen und haben so auch kein individuelles, sondern nur ein rituelles Dasein. Und auch die Muttergöttin ist nicht auf ein Individuum bezogen, sondern auf den Jüngling als eine archetypische Gestalt.
Und jetzt wissen wir ungefähr, wo sich Robbie aufhält, gegen was er – vergeblich – kämpft und was er zu betäuben versucht. Und wir können gespannt sein, wie es mit ihm weitergeht: »I hope I’m getting old before I die.«
Ich empfehle das Buch von Rafael Yglesias »Dr. Nerudas Kampf gegen das Böse«. Hier geht es nämlich nicht nur um Klammern…
Im Video zu »Rock DJ« reißt sich Robbie lachend alles vom Leib, was man sich »vom Leib reißen« kann …
… und steht schließlich als fröhlich tanzendes Skelett da.
Bei My Video und Yahoo kann man sich das Video ansehen.
Einen der auf Yahoo hinterlassenen Kommentare will ich nicht vorenthalten:
»I say we vote that that put more sexy guys flaunting their bodies around on videos... feed us hungry eyed women.«
Everything you want, baby…
Im Internet gibt es einige nachdenkliche Kommentare, u.a. bei www.theomag.de und bei Jungle World. Die Tendenz dieser Deutungen bezieht sich auf den Kontext Musikindustrie. Wenn wir den Kontext auf seine Drogenprobleme und die liebevolle Nachbetreuung durch seine Mutter verschieben, ändert sich auch die »Be-Deutung«. Aus einem Entertainer, der für seinen Erfolg bezahlen muß, wird ein Junge, der hinter der Maske des fröhlichen Lächelns verzweifelt gleichzeitig versucht, etwas loszuwerden und etwas zu bekommen. Dieser Versuch (man denke an Harald Juhnke) kann nur kurzfristig entlasten und muß langfristig scheitern. Ich lade dazu ein, darüber zu phantasieren, was Robbie da wohl loswerden will und nach was er dürstet und warum.
Man schaue sich die wenigen Szenen, in denen Robbie Williams zu sehen ist, an: entweder er tut unbeteiligt, oder er übertreibt. Die beiden Gegenteile sind dasselbe, beides soll die Not hinter der Fassade verbergen.
Bert Hellinger, der Familienaufstellungs-Guru, haut vorschlaghammerartig ab und zu Sätze raus wie diesen: »Jemand wird süchtig, wenn ihm die Mutter gesagt hat: Was vom Vater kommt, taugt nichts. Nimm nur von mir. Dann rächt sich das Kind an der Mutter und nimmt so viel von ihr, dass es ihm schadet. Die Sucht ist also die Rache des Kindes an seiner Mutter, weil sie verhindert, vom Vater zu nehmen.« (gefunden bei »Die Psychoszene hat einen neuen Star« im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt vom 6.10.2000 auf »mitglied.lycos.de/ueberlebende«) Abgesehen davon, daß seine rabiaten Aufstellungspräsentationen wohl häufig mehr schaden als nutzen und der Absolutheitsanspruch seiner Realitätsbeschreibungen mit äußerster Vorsicht zu genießen ist (man führe sich den eben erwähnten Artikel ruhig zu Gemüte), steckt in dieser Äußerung über die Sucht meiner Meinung nach einiges an Wahrheit. (Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß sich das Kind meiner Meinung nach nicht an der Mutter rächt, dazu ist es nicht souverän genug.) Wenn wir Robbie Williams’ Drogenprobleme unter diesem Aspekt betrachten, bekommen wir eine Ahnung davon, was sich Robbie da vom Leib reißt. Und wenn wir uns vergegenwärtigen, wer ihn nach seinem Klinikaufenthalt so liebevoll betreut, läuft es einem kalt den Rücken runter.
Unter diesem Aspekt wird deutlich, wie zumindest ein Teil des Erfolgs von Robbie (»beliebtester Schwiegersohn«) zustandekommt: Wir erleben einen Entertainer, der fröhlich um sein Leben singt, dessen verzweifelter Versuch um eine stabile Perspektive im Leben unsere eigene Verzweiflung an unserer Existenz künstlerisch überhöht und damit aushaltbarer macht.
»Was ist der Unterschied zwischen Piranhas und klammernden Müttern?
Der Piranha läßt mal los.« (Dr. Mathias Hirsch, Psychotherapeut in der Bruker-Klinik Lahnhöhe bei Lahnstein)
In diesem Kontext ein Zitat aus Erich Neumanns Buch »Ursprungsgeschichte des Bewußtseins« (Kapitel 2, Die große Mutter):
Die tödliche Spannung zwischen den orgiastischen Festen, in denen der Jüngling als Phallus die zentrale Rolle spielt, und der nachfolgenden rituellen Kastration und Tötung bestimmt archetypisch die Situation des Jünglings-Ich unter der Dominanz der Großen Mutter. Diese archetypische Situation ist sowohl kulturgeschichtlich aufzuweisen, wie entwicklungsgeschichtlich von der psychologischen Geschichte des Ich, aus zu verstehen. Die Beziehung des Sohngeliebten zur Großen Mutter ist eine archetypisch wirksame Situation, deren Überwindung auch heute noch die Voraussetzung ist für eine Weiterentwicklung des Ich und des Bewußtseins.Die blütenhaften Jünglingsknaben sind noch nicht stark genug, sich gegen die Übermacht der Großen Mutter wehren oder gar sie überwinden zu können. Noch sind sie mehr Geliebte als Liebende. Denn die Göttin ist die Begehrende, die sich die Knaben wählt und ihre Sexualität weckt. Die Aktivität geht niemals von ihnen aus, sondern sie sind Opfer, blütenhaft hinsterbende Geliebte. Der Jüngling dieser Stufe hat noch keine Männlichkeit, kein Bewußtsein, kein oberes geistiges Ich. Er ist narzißtisch identisch mit seinem männlichen Körper und dem, was ihn kennzeichnet, dem Phallus. Nicht nur, daß die Muttergöttin ihn nur als Phallus liebt und, kastrierend, sich seines Phallus bemächtigt zu ihrer Fruchtbarkeit, auch der Jüngling selber ist noch identisch mit dem Phallus, sein Schicksal ist Phallusschicksal.Die Jünglinge, ichschwach und ohne Persönlichkeit, besitzen nur ein kollektives Schicksal, kein eigenes, sie sind noch keine Individuen und haben so auch kein individuelles, sondern nur ein rituelles Dasein. Und auch die Muttergöttin ist nicht auf ein Individuum bezogen, sondern auf den Jüngling als eine archetypische Gestalt.
Und jetzt wissen wir ungefähr, wo sich Robbie aufhält, gegen was er – vergeblich – kämpft und was er zu betäuben versucht. Und wir können gespannt sein, wie es mit ihm weitergeht: »I hope I’m getting old before I die.«
Ich empfehle das Buch von Rafael Yglesias »Dr. Nerudas Kampf gegen das Böse«. Hier geht es nämlich nicht nur um Klammern…
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