Dienstag, 27. November 2012

Zu sich kommen am Fluß der Zeit


In seinem Roman Siddhartha läßt HERMANN HESSE den Fluß vom Geheimnis der Zeit erzählen. Der Fluß lehrt es Vasudeva, den Fährmann, und von diesem erfährt es der Wanderer Siddhartha am Ende seiner Lebensreise. Er gibt es weiter an Govinda, den Bettelmönch. Diese drei Menschen am Fluß stehen für die verschiedenen Wege: Vasudeva für den des Hausvaters, Govinda für den klassischen Klosterweg und Siddhartha selbst für den des individuellen Suchers. Alle drei erlangen sie Befreiung im Durchschauen des Zeitflusses.



Siddhartha blieb bei dem Fährmann und lernte das Boot bedienen, und wenn nichts an der Fähre zu tun war, arbeitete er mit Vasudeva im Reisfelde, sammelte Holz, pflückte die Früchte der Pisangbäume. Er lernte ein Ruder zimmern, und lernte das Boot ausbessern, und Körbe flechten, und war fröhlich über alles, was er lernte, und die Tage und Monate liefen schnell hinweg. Mehr aber, als Vasudeva ihn lehren konnte, lehrte ihn der Fluß. Von ihm lernte er unaufhörlich. Vor allem lernte er von ihm das Zuhören, das Lauschen mit stillem Herzen, mit wartender, geöffneter Seele, ohne Leidenschaft, ohne Wunsch, ohne Urteil, ohne Meinung.
Freundlich lebte er neben Vasudeva, und zuweilen tauschten sie Worte miteinander, wenige und lang bedachte Worte. Vasudeva war kein Freund der Worte, selten gelang es Siddhartha, ihn zum Sprechen zu bewegen.
»Hast du«, so fragte er ihn einst, »hast auch du vom Flusse jenes Geheime gelernt: daß es keine Zeit gibt?«
Vasudevas Gesicht überzog sich mit hellem Lächeln.
»Ja, Siddhartha«, sprach er. »Es ist doch dieses, was du meinst: daß der Fluß überall zugleich ist, am Ursprung und an der Mündung, am Wasserfall, an der Fähre, an der Stromschnelle, im Meer, im Gebirge, überall, zugleich, und daß es für ihn nur Gegenwart gibt, nicht den Schatten Zukunft?«
»Dies ist es«, sagte Siddhartha. »Und als ich es gelernt hatte, da sah ich mein Leben an, und es war auch ein Fluß, und es war der Knabe Siddhartha vom Manne Siddhartha und vom Greis Siddhartha nur durch Schatten getrennt, nicht durch Wirkliches. Es waren auch Siddharthas frühere Geburten keine Vergangenheit, und sein Tod und seine Rückkehr zu Brahma keine Zukunft. Nichts war, nichts wird sein; alles ist, alles hat Wesen und Gegenwart.«
Siddhartha sprach mit Entzücken, tief hatte diese Erleuchtung ihn beglückt. Oh, war denn nicht alles Leiden Zeit, war nicht alles Sichquälen und Sichfürchten Zeit, war nicht alles Schwere, alles Feindliche in der Welt weg und überwunden, sobald man die Zeit überwunden hatte, sobald man die Zeit wegdenken konnte? Entzückt hatte er gesprochen. Vasudeva aber lächelte ihn strahlend an und nickte Bestätigung, schweigend nickte er, strich mit der Hand über Siddharthas Schulter und wandte sich zu seiner Arbeit zurück.
Und wieder einmal, als eben der Fluß in der Regenzeit geschwollen war und mächtig rauschte, da sagte Siddhartha: »Nicht wahr, o Freund, der Fluß hat viele Stimmen, sehr viele Stimmen? Hat er nicht die Stimme eines Königs, und eines Kriegers, und eines Stieres, und eines Nachtvogels, und einer Gebärenden, und eines Seufzenden, und noch tausend andere Stimmen?«
»Es ist so«, nickte Vasudeva, »alle Stimmen der Geschöpfe sind in seiner Stimme.«
»Und weißt du«, fuhr Siddhartha fort, »welches Wort er spricht, wenn es dir gelingt, alle seine zehntausend Stimmen zugleich zu hören?«
Glücklich lachte Vasudevas Gesicht, er neigte sich gegen Siddhartha und sprach ihm das heilige Om ins Ohr. Und ebendies war es, was auch Siddhartha gehört hatte.
Und von Mal zu Mal ward sein Lächeln dem des Fährmanns ähnlicher, ward beinahe ebenso strahlend, beinahe ebenso von Glück durchglänzt, ebenso aus tausend kleinen Falten leuchtend, ebenso kindlich, ebenso greisenhaft. Viele Reisende, wenn sie die beiden Fährmänner sahen, hielten sie für Brüder. Oft saßen sie am Abend gemeinsam beim Ufer auf dem Baumstamm, schwiegen und hörten beide dem Wasser zu, welches für sie kein Wasser war, sondern die Stimme des Lebens, die Stimme des Seienden, des ewig Werdenden. Und es geschah zuweilen, daß beide beim Anhören des Flusses an dieselben Dinge dachten, an ein Gespräch von vorgestern, an einen ihrer Reisenden, dessen Gesicht und Schicksal sie beschäftigte, an den Tod, an ihre Kindheit, und daß sie beide im selben Augenblick, wenn der Fluß ihnen etwas Gutes gesagt hatte, einander anblickten, beide genau dasselbe denkend, beide beglückt über dieselbe Antwort auf dieselbe Frage …
»Neige dich zu mir!« flüsterte Siddhartha leise in Govindas Ohr. »Neige dich zu mir her! So, noch näher! Ganz nahe! Küsse mich auf die Stirn, Govinda!«
Während aber Govinda verwundert, und dennoch von großer Liebe und Ahnung gezogen, seinen Worten gehorchte, sich nahe zu ihm neigte und seine Stirn mit den Lippen berührte, geschah ihm etwas Wunderbares. Während seine Gedanken noch bei Siddharthas wunderlichen Worten verweilten, während er sich noch vergeblich und mit Widerstreben bemühte, sich die Zeit hinwegzudenken, sich Nirwana und Sansara als eines vorzustellen, während sogar eine gewisse Verachtung für die Worte des Freundes in ihm mit einer ungeheuren Liebe und Ehrfurcht stritt, geschah ihm dieses:
Er sah seines Freundes Siddhartha Gesicht nicht mehr, er sah statt dessen andre Gesichter, viele, eine lange Reihe, einen strömenden Fluß von Gesichtern, von Hunderten, von Tausenden, welche alle kamen und vergingen, und doch alle zugleich dazusein schienen, welche alle sich beständig veränderten und erneuerten, und welche doch alle Siddhartha waren. Er sah das Gesicht eines Fisches, eines Karpfens, mit unendlich schmerzvoll geöffnetem Maule, eines sterbenden Fisches, mit brechenden Augen – er sah das Gesicht eines neugeborenen Kindes, rot und voll Falten, zum Weinen verzogen – er sah das Gesicht eines Mörders, sah ihn ein Messer in den Leib eines Menschen stechen – er sah, zur selben Sekunde, diesen Verbrecher gefesselt knien und sein Haupt vom Henker mit einem Schwertschlag abgeschlagen werden – er sah die Körper von Männern und Frauen nackt in Stellungen und Kämpfen rasender Liebe – er sah Leichen ausgestreckt, still, kalt, leer – er sah Tierköpfe, von Ebern, von Krokodilen, von Elefanten, von Stieren, von Vögeln – er sah Götter, sah Krischna, sah Agni – er sah alle diese Gestalten und Gesichter in tausend Beziehungen zueinander, jede der andern helfend, sie liebend, sie hassend, sie vernichtend, sie neu gebärend, jede war ein Sterbenwollen, ein leidenschaftlich schmerzliches Bekenntnis der Vergänglichkeit, und keine starb doch, jede verwandelte sich nur, wurde stets neu geboren, bekam stets ein neues Gesicht, ohne daß doch zwischen einem und dem anderen Gesicht Zeit gelegen wäre – und alle diese Gestalten und Gesichter ruhten, flossen, erzeugten sich, schwammen dahin und strömten ineinander, und über alle war beständig etwas Dünnes, Wesenloses, dennoch Seiendes, wie ein dünnes Glas oder Eis gezogen, wie eine durchsichtige Haut, eine Schale oder Form oder Maske von Wasser, und diese Maske lächelte, und diese Maske war Siddharthas lächelndes Gesicht, das er, Govinda, in eben diesem selben Augenblick mit den Lippen berührte. Und, so sah Govinda, dies Lächeln der Maske, dies Lächeln der Einheit über den strömenden Gestaltungen, dies Lächeln der Gleichzeitigkeit über den tausend Geburten und Toden, dies Lächeln Siddharthas war genau dasselbe, war genau das gleiche, stille, feine, undurchdringliche, vielleicht gütige, vielleicht spöttische, weise tausendfältige Lächeln Gotamas, des Buddha, wie er selbst es hundertmal mit Ehrfurcht gesehen hatte. So, das wußte Govinda, lächelten die Vollendeten.
Nicht mehr wissend, ob es Zeit gebe, ob diese Schauung eine Sekunde oder hundert Jahre gewährt habe, nicht mehr wissend, ob es einen Siddhartha, ob es einen Gotama, ob es Ich und Du gebe, im Innersten wie von einem göttlichen Pfeil verwundet, dessen Verwundung süß schmeckt, im Innersten verzaubert und aufgelöst, stand Govinda noch eine kleine Weile, über Siddharthas stilles Gesicht gebeugt, das er soeben geküßt hatte, das soeben Schauplatz aller Gestaltungen, alles Werdens, alles Seins gewesen war. Das Antlitz war unverändert, nachdem unter seiner Oberfläche die Tiefe der Tausendfältigkeit sich wieder geschlossen hatte, er lächelte still, lächelte leise und sanft, vielleicht sehr gütig, vielleicht sehr spöttisch, genau, wie er gelächelt hatte, der Erhabene. Tief verneigte sich Govinda, Tränen liefen, von welchen er nichts wußte, über sein altes Gesicht, wie ein Feuer brannte das Gefühl der innigsten Liebe, der demütigsten Verehrung in seinem Herzen. Tief verneigte er sich, bis zur Erde, vor dem regungslos Sitzenden, dessen Lächeln ihn an alles erinnerte, was er in seinem Leben jemals geliebt hatte, was jemals in seinem Leben ihm wert und heilig gewesen war … Vasudeva nahm Siddharthas Hand, führte ihn zum Sitz am Ufer, setzte sich mit ihm nieder, lächelte dem Flusse zu. »Du hast ihn lachen hören«, sagte er. »Aber du hast nicht alles gehört. Laß uns lauschen, du wirst mehr hören.«
Sie lauschten. Sanft klang der vielstimmige Gesang des Flusses. Siddhartha schaute ins Wasser, und im ziehenden Wasser erschienen ihm die Bilder: sein Vater erschien, einsam, um den Sohn trauernd, er selbst erschien, einsam, auch er mit den Banden der Sehnsucht an den fernen Sohn gebunden; es erschien sein Sohn, einsam auch er, der Knabe, begehrlich auf der brennenden Bahn seiner jungen Wünsche stürmend, jeder auf sein Ziel gerichtet, jeder vom Ziel besessen, jeder leidend. Der Fluß sang mit einer Stimme des Leidens, sehnlich sang er, sehnlich floß er seinem Ziele zu, klagend klang seine Stimme.
»Hörst du?« fragte Vasudevas stummer Blick. Siddhartha nickte.
»Höre besser!« flüsterte Vasudeva.
Siddhartha bemühte sich, besser zu hören. Das Bild des Vaters, sein eigenes Bild, das Bild des Sohnes flossen ineinander, auch Kamalas Bild erschien und zerfloß, und das Bild Govindas, und andere Bilder, und flossen ineinander über, wurden alle zum Fluß, strebten alle als Fluß dem Ziele zu, sehnlich, begehrend, leidend, und des Flusses Stimme klang voll Sehnsucht, voll von brennendem Weh, voll von unstillbarem Verlangen. Zum Ziele strebte der Fluß, Siddhartha sah ihn eilen, den Fluß, der aus ihm und den Seinen und aus allen Menschen bestand, die er je gesehen hatte, alle die Wellen und Wasser eilten, leidend, Zielen zu, vielen Zielen, dem Wasserfall, dem See, der Stromschnelle, dem Meere, und alle Ziele wurden erreicht, und jedem folgte ein neues, und aus dem Wasser ward Dampf und stieg in den Himmel, ward Regen und stürzte aus dem Himmel herab, ward Quelle, ward Bach, ward Fluß, strebte aufs neue, floß aufs neue. Aber die sehnliche Stimme hatte sich verändert. Noch tönte sie, leidvoll, suchend, aber andre Stimmen gesellten sich zu ihr, Stimmen der Freude und des Leides, gute und böse Stimmen, lachende und trauernde, hundert Stimmen, tausend Stimmen.
Siddhartha lauschte. Er war nun ganz Lauscher, ganz ins Zuhören vertieft, ganz leer, ganz einsaugend, er fühlte, daß er nun das Lauschen zu Ende gelernt habe. Oft schon hatte er all dies gehört, diese vielen Stimmen im Fluß, heute klang es neu. Schon konnte er die vielen Stimmen nicht mehr unterscheiden, nicht frohe von weinenden, nicht kindliche von männlichen, sie gehörten alle zusammen, Klage der Sehnsucht und Lachen des Wissenden, Schrei des Zorns und Stöhnen der Sterbenden, alles war eins, alles war ineinander verwoben und verknüpft, tausendfach verschlungen. Und alles zusammen, alle Stimmen, alle Ziele, alles Sehnen, alle Leiden, alle Lust, alles Gute und Böse, alles zusammen war die Welt. Alles zusammen war der Fluß des Geschehens, war die Musik des Lebens. Und wenn Siddhartha aufmerksam diesem Fluß, diesem tausendstimmigen Liede lauschte, wenn er nicht auf das Leid noch auf das Lachen hörte, wenn er seine Seele nicht an irgendeine Stimme band und mit seinem Ich in sie einging, sondern alle hörte, das Ganze, die Einheit vernahm, dann bestand das große Lied der tausend Stimmen aus einem einzigen Worte, das hieß Om: die Vollendung. »Hörst du?« fragte wieder Vasudevas Blick.
Hell glänzte Vasudevas Lächeln, über all den Runzeln seines alten Antlitzes schwebte es leuchtend, wie über all den Stimmen des Flusses das Om schwebte. Hell glänzte sein Lächeln, als er den Freund anblickte, und hell glänzte nun auch auf Siddharthas Gesicht dasselbe Lächeln auf. Seine Wunde blühte, sein Leid strahlte, sein Ich war in die Einheit geflossen.
In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden, auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist mit dem Fluß des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegen, der Einheit zugehörig.
Als Vasudeva sich von dem Sitz am Ufer erhob, als er in Siddharthas Augen blickte und die Heiterkeit des Wissens darin strahlen sah, berührte er dessen Schulter leise mit der Hand, in seiner behutsamen und zarten Weise, und sagte: »Ich habe auf diese Stunde gewartet, Lieber. Nun sie gekommen ist, laß mich gehen. Lange habe ich auf diese Stunde gewartet, lange bin ich der Fährmann Vasudeva gewesen. Nun ist es genug. Lebe wohl, Hütte, lebe wohl, Fluß, lebe wohl, Siddhartha.«
Siddhartha verneigte sich tief vor dem Abschiednehmenden. »Ich habe es gewußt«, sagte er leise. »Du wirst in die Wälder gehen?«
»Ich gehe in die Wälder, ich gehe in die Einheit«, sprach Vasudeva strahlend.
Strahlend ging er hinweg; Siddhartha blickte ihm nach. Mit tiefer Freude, mit tiefem Ernst blickte er ihm nach, sah seine Schritte voll Frieden, sah sein Haupt voll Glanz, sah seine Gestalt voll Licht.

aus Hermann Hesse, Siddharta, gefunden in Margit und Rüdiger Dahlke, Das spirituelle Lesebuch

Sonntag, 25. November 2012

Die logischen Kategorien von Lernen und Kommunikation

Vorbemerkung von mir:
Lange und schwierige Texte durchzuarbeiten kann ermüdend und frustrierend sein. Ich empfehle, mit der Lektüre bei der Überschrift »Lernen III« zu beginnen. Dann machen die vorhergehenden Abschnitte mehr Sinn, weil klar wird, wohin es geht.






Dieser Aufsatz wurde im Jahr 1964 geschrieben, als der Autor am Communications Research Institute beschäftigt war, wo er mit einem Career Development Award (K3-NH-21,931) des National Institute of Mental Health arbeitete. Er wurde als Positionspapier bei der »Conference on World Views« vorgelegt, die vom 2.-11. August durch die Wenner-Gren Foundation gefördert wurde. Der Abschnitt über »Lernen III« wurde im Jahr 1971 angefügt.



Alle Verhaltenswissenschaftler haben es in dem einen oder anderen Sinne des Wortes mit »Lernen« zu tun. Und da »Lernen« ein Kommunikationsphänomen ist, sind sie alle von der kybernetischen Revolution im Denken betroffen, die sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren ereignet hat. Diese Revolution wurde zwar durch Ingenieure und Kommunikationstheoretiker ausgelöst, sie hat aber ältere Wurzeln in der physiologischen Arbeit von Cannon und Claude Bernard, in der Physik von Clarke Maxwell und in der mathematischen Philosophie von Russell und Whitehead. Sofern die Verhaltenswissenschaftler noch immer die Probleme der Principia Mathematica[1] ignorieren, können sie für sich in Anspruch nehmen, seit annähernd sechzig Jahren hinter dem Mond zu sein.
Es scheint jedoch, als könnten die Barrieren des Mißverständnisses, die zwischen den verschiedenen Arten von Verhaltenswissenschaftlern liegen, durch eine Anwendung von Russells logischer Typenlehre auf den Begriff des »Lernens«, mit dem sie alle zu tun haben, abgebaut (allerdings nicht beseitigt) werden. Dies zu versuchen, wird eine Absicht des vorliegenden Aufsatzes sein.


Die Theorie der logischen Typen

Zunächst ist es angebracht, das Thema der logischen Typenlehre zu bezeichnen: Die Theorie besagt, daß keine Menge in der formalen Logik oder im mathematischen Diskurs Element ihrer selbst sein kann; daß eine Menge von Mengen nicht eine der Mengen sein kann, die ihre Elemente sind; daß ein Name nicht die bezeichnete Sache ist; daß »John Bateson« die Menge ist, die nur diesen Jungen als einziges Element hat; und so weiter. Diese Behauptungen mögen trivial und sogar offenkundig erscheinen, wir werden aber später sehen, daß es unter den Theoretikern der Verhaltenswissenschaft ganz und gar nicht unüblich ist, Irrtümer zu begehen, die haargenau dem Irrtum entsprechen, den Namen mit der benannten Sache gleichzusetzen oder die Speisekarte anstelle der Mahlzeit zu essen, ein Irrtum der logischen Typisierung.
Etwas weniger offenkundig ist die weitere Behauptung der Theorie: daß eine Menge nicht eine jener Einheiten sein kann, die zutreffend als ihre Nichtelemente klassifiziert werden. Wenn wir Stühle zusammenfassen, um die Menge der Stühle zu bilden, können wir weitergehen und erwähnen, daß Tische und Lampenschirme Elemente einer großen Menge von »Nichtstühlen« sind, aber wir werden einen Irrtum im formalen Diskurs begehen, falls wir die Menge der Stühle zu den Einheiten innerhalb der Menge der Nichtstühle rechnen.
Da keine Menge Element ihrer selbst sein kann, kann die Menge der Nichtstühle eindeutig kein Nichtstuhl sein. Einfache Erwägungen der Symmetrie werden hinreichen, um den nichtmathematischen Leser zu überzeugen: (a) daß die Menge der Stühle derselben Abstraktionsstufe angehört (d. h. demselben logischen Typ) wie die Menge der Nichtstühle; und (b) daß, wenn die Menge der Stühle kein Stuhl ist, dann die Menge der Nichtstühle entsprechend auch kein Nichtstuhl ist.
Schließlich besagt die Theorie, daß, wenn gegen diese einfachen Regeln des formalen Diskurses verstoßen wird, Paradoxien erzeugt werden und der Diskurs zu Fehlern führt.
Die Theorie befaßt sich dann mit hochabstrakten Themen und wurde zuerst in der abstrakten Welt der Logik gewonnen. Wenn in dieser Welt gezeigt werden kann, daß eine Kette von Aussagen eine Paradoxie hervorbringt, dann wird die Gesamtstruktur von Axiomen, Theoremen usw., die an der Erzeugung des Paradoxons beteiligt waren, negiert und in Nichts aufgelöst. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Aber in der realen Welt (zumindest in unseren Beschreibungen von ihr) gibt es immer die Zeit, und nichts, was gewesen ist, kann jemals in dieser Weise vollkommen negiert werden. Der Computer, der auf ein Paradoxon stößt (das sich einer falschen Programmierung verdankt), löst sich nicht in Nichts auf.
Das »wenn … dann … « der Logik enthält keine Zeit. Aber im Computer werden Ursache und Wirkung verwendet, um das »wenn … dann … « der Logik zu simulieren; und alle Abfolgen von Ursache und Wirkung schließen notwendig Zeit ein. (Umgekehrt können wir sagen, daß in wissenschaftlichen Erklärungen das » wenn … dann … « der Logik verwendet wird, um das » wenn … dann … « von Ursache und Wirkung zu simulieren.)
Der Computer stößt niemals wirklich auf eine logische Paradoxie, sondern nur auf die Simulation einer Paradoxie in Ketten von Ursache und Wirkung. Der Computer vergeht daher nicht. Er oszilliert nur.
In der Tat bestehen bedeutende Unterschiede zwischen der Welt der Logik und der Welt der Phänomene, und diese Unterschiede müssen berücksichtigt werden, wann immer wir unsere Argumente auf die partielle, aber wichtige Analogie zwischen ihnen stützen.
Es ist die These des vorliegenden Aufsatzes, daß sich aus dieser partiellen Analogie ein wichtiger Leitfaden für die Verhaltenswissenschaftler ergeben kann, wenn sie die mit dem Lernen zusammenhängenden Phänomene einordnen wollen. Insbesondere im Bereich der tierischen und mechanischen Kommunikation muß so etwas wie die Typenlehre anwendbar sein.
Fragen dieser Art werden jedoch in zoologischen Laboratorien, anthropologischen Feldlagern oder auf psychiatrischen Kongressen nicht oft diskutiert, und es ist daher notwendig, zu zeigen, daß diese abstrakten Erwägungen von großer Bedeutung für die Verhaltenswissenschaftler sind.
Man überdenke den folgenden Syllogismus:

(a) Veränderungen in der Häufigkeit von Verhaltenseinheiten bei Säugetieren lassen sich mit Hilfe verschiedener »Gesetze« der Verstärkung beschreiben und vorhersagen.
(b) »Erkundung«, wie sie bei Ratten beobachtet wird, ist eine Kategorie oder Klasse des Verhaltens von Säugetieren.
(c) Daher sollten Veränderungen in der Häufigkeit der »Erkundung« mit Hilfe derselben »Gesetze« der Verstärkung beschreibbar sein.

Um es gleich zu sagen: Erstens zeigen empirische Daten, daß die Schlußfolgerung (c) falsch ist; und zweitens, wenn die Schlußfolgerung (c) nachweislich wahr wäre, dann wäre entweder (a) oder (b) falsch.[2]
Der Logik und der Naturgeschichte käme man näher, wenn man die Schlußfolgerung (c) etwa folgendermaßen erweitern und berichtigten würde:

(c) Wenn, wie in (b) behauptet, »Erkundung« nicht eine Verhaltenseinheit bei Säugetieren ist, sondern eine Kategorie solcher Einheiten, dann kann keine deskriptive Darstellung, die für Verhaltenseinheiten gilt, für die »Erkundung« zutreffen. Wenn jedoch deskriptive Darstellungen, die für Verhaltenseinheiten gelten, auch für die »Erkundung« zutreffen, dann ist »Erkundung« eine Einheit und nicht eine Kategorie von Einheiten.

Das ganze Problem hängt davon ab, ob die Unterscheidung zwischen einer Klasse und ihren Elementen ein Ordnungsprinzip in den Verhaltensphänomenen ist, die wir untersuchen.
In einer weniger formalen Sprache: Man kann eine Ratte (positiv oder negativ) verstärken, wenn sie ein besonderes fremdes Objekt erkundet, und sie wird dementsprechend lernen, sich ihm zu nähern oder es zu meiden. Aber der Zweck der Erkundung besteht ja gerade darin, Informationen darüber zu erhalten, welchen Objekten sie sich nähern und welche sie vermeiden soll. Die Entdeckung, daß ein gegebenes Objekt gefährlich ist, ist daher ein Erfolg bei der Aufgabe, Informationen zu sammeln. Der Erfolg wird die Ratte nicht davon abhalten, auch in Zukunft andere fremde Objekte zu erkunden.
Apriori kann man so argumentieren, daß alle Wahrnehmung und alle Reaktion, alles Verhalten und alle Klassen von Verhalten, alles Lernen und alle Genetik, alle Neurologie und Endokrinologie, alle Organisation und alle Evolution – ein vollständiges Themengebiet – als dem Wesen nach kommunikativ angesehen werden muß und daher den großen Verallgemeinerungen oder »Gesetzen« unterliegt, die sich auf Kommunikationsphänomene anwenden lassen. Wir werden also daran gemahnt, in unseren Daten jene Ordnungsprinzipien zu erwarten, die sich aus der grundlegenden Kommunikationstheorie ergeben würden. Die Theorie der logischen Typen, die Informationstheorie und so fort, werden erwartungsgemäß unsere Richtlinien sein.


Das »Lernen« bei Computern, Ratten und Menschen

Das Wort »Lernen« bezeichnet zweifellos eine Veränderung irgendeiner Art. Zu sagen, um was für eine Art der Veränderung es sich handelt, ist eine schwierige Angelegenheit.
Wir können jedoch von dem groben Hauptnenner »Veränderung« deduzieren, daß unsere Beschreibungen des »Lernens« genauso die Mannigfaltigkeiten logischer Typen berücksichtigen müssen, wie dies in der Physik seit der Zeit Newtons gang und gäbe war. Die einfachste und bekannteste Form der Veränderung ist Bewegung, und selbst wenn wir auf dieser sehr einfachen physikalischen Ebene arbeiten, müssen wir unsere Beschreibungen mit Hilfe von »Position oder Ruhelage« , »konstante Geschwindigkeit«, »Beschleunigung«, »Maß der Veränderung von Beschleunigung« und so weiter strukturieren.[3] Veränderung bedeutet Prozeß. Aber Prozesse sind selbst der »Veränderung« unterworfen. Der Prozeß kann sich beschleunigen, er kann sich verlangsamen, oder er kann andere Typen der Veränderung durchlaufen, so daß wir sagen werden, daß es sich nunmehr um einen »anderen« Prozeß handelt.
Diese Erwägungen deuten darauf hin, daß wir mit der Ordnung unserer Ideen vom »Lernen« auf der allereinfachsten Ebene beginnen sollten.
Wir wollen zunächst den Sonderfall der Reaktion oder des Lernens null betrachten. Das ist der Fall, bei dem ein Einzelwesen minimale Veränderung in seiner Reaktion auf eine wiederholte Einheit der sensorischen Eingabe zeigt. Phänomene, die sich diesem Grad der Einfachheit annähern, tauchen in verschiedenen Zusammenhängen auf:
(a) In Versuchsanordnungen, bei denen das »Lernen« abgeschlossen ist und das Tier annähernd hundert Prozent richtige Reaktionen auf den wiederholten Reiz gibt.
(b) In Fällen der Gewöhnung, bei denen das Tier aufgehört hat, offene Reaktionen auf das zu zeigen, was vorher ein störender Reiz war.
(c) In Fällen, bei denen das Reaktionsmuster minimal durch Erfahrung und maximal durch genetische Faktoren determiniert ist.
(d) In Fällen, bei denen die Reaktion jetzt in hohem Maße stereotyp ist.
(e) In einfachen elektronischen Schaltungen, wo die Schaltungsstruktur selbst nicht der Veränderung unterworfen ist, die sich aus dem Durchgang von Impulsen innerhalb der Schaltung ergibt – d. h. wo die kausalen Verknüpfungen zwischen »Reiz« und »Reaktion« »eingelötet« sind, wie die Techniker sagen.
In gewöhnlicher, nichttechnischer Redeweise wird das Wort »Lernen« häufig auf das angewandt, was hier als »Lernen null« bezeichnet wird, d. h. auf die einfache Informationsaufnahme von einem äußeren Ereignis, dergestalt, daß ein ähnliches Ereignis zu einem späteren (und geeigneten) Zeitpunkt dieselbe Information übermitteln wird: Ich »lerne« von der Werkssirene, daß es zwölf Uhr ist.
Es ist auch interessant, anzumerken, daß im Rahmen unserer Definition viele sehr einfache mechanische Geräte zumindest das Phänomen des ›Lernens null‹ zeigen. Die Frage lautet nicht: »Können Maschinen lernen?«, sondern: »Welche Ebene oder Ordnung des Lernens erreicht eine gegebene Maschine wirklich?« Es lohnt sich, einen extremen, wenn auch hypothetischen Fall zu betrachten:
Der »Spieler« eines von Neumannschen Spiels ist eine mathematische Fiktion, vergleichbar mit Euklids gerader Linie in der Geometrie oder mit Newtons Partikel in der Physik. Definitionsgemäß ist der »Spieler« in der Lage, alle notwendigen Rechenoperationen durchzuführen, um die Probleme zu lösen, die sich im Verlauf des Spiels stellen können; er ist unfähig, diese Rechenoperationen nicht auszuführen, wenn sie angebracht sind; er folgt immer den Ergebnissen seiner Berechnungen. Ein solcher »Spieler« erhält Informationen aus den Ereignissen des Spiels und verhält sich diesen Informationen gemäß. Aber sein Lernen beschränkt sich auf das, was hier ›Lernen null‹ genannt wird.
Eine Überprüfung dieser formalen Fiktion wird zu unserer Definition des ›Lernens null‹ beitragen.
(I) Der »Spieler« kann aus den Ereignissen des Spiels Informationen eines höheren oder niedrigeren logischen Typs erhalten, und er kann diese Informationen verwenden, um Entscheidungen eines höheren oder niedrigeren Typs zu treffen. Das heißt, seine Entscheidungen können entweder strategisch oder taktisch sein, und er kann die Indikationen sowohl der Taktik als auch der Strategie seines Gegenspielers identifizieren und auf sie reagieren. Er verhält sich jedoch so, daß in von Neumanns formaler Definition eines »Spiels« alle Probleme, die das Spiel stellen kann, als berechenbar aufgefaßt sind, d. h. obwohl das Spiel Probleme und Informationen vieler verschiedener logischer Typen enthalten kann, ist die Hierarchie dieser Typen streng begrenzt.
Es scheint also, daß eine Definition des ›Lernens null‹ weder auf der logischen Typisierung der Informationen beruht, die der Organismus empfängt, noch auf der logischen Typisierung der adaptiven Entscheidungen, die der Organismus treffen kann. Ein sehr hoher (aber endlicher) Komplexitätsgrad kann adaptives Verhalten charakterisieren, das auf nichts Höherem als dem ›Lernen null‹ basiert.
(2) Der »Spieler« kann den Wert einer Information berechnen, die ihm helfen würde, und er kann auch ausrechnen, daß es sich für ihn auszahlen wird, diese Information zu erlangen, indem er sich für »Erkundungs«-Züge entscheidet. Statt dessen kann er auch aufschiebende oder vorläufige Züge machen, während er auf die benötigte Information wartet.
Es folgt, daß eine Ratte, die sich für erkundendes Verhalten entscheidet, dies auf einer Grundlage des Lernens null tun kann.
(3) Der »Spieler« kann ausrechnen, daß es sich für ihn bezahlt machen wird, planlose Züge zu machen. Bei dem Spiel des Münzenwerfens wird er berechnen, daß, wenn er planlos »Zahl« oder »Wappen« wählt, die Gewinnchance gleich bleibt. Benutzt er einen Plan oder ein Muster, wird sich dies in der Abfolge seiner Züge als Muster oder Redundanz darstellen, und sein Gegenspieler wird dadurch Informationen erhalten. Der »Spieler« wird sich also dafür entscheiden, planlos zu spielen.
(4) Der »Spieler« ist nicht des »Irrtums« fähig. Er kann sich aus guten Gründen für planlose Züge oder für Erkundungszüge entscheiden, er ist aber definitionsgemäß nicht fähig, »durch Versuch und Irrtum zu lernen«.
Wenn wir annehmen, daß das Wort »Irrtum« im Namen dieses Lernprozesses das bedeutet, was wir mit der Aussage meinten, der »Spieler« sei nicht des Irrtums fähig, dann ist »Versuch und Irrtum« aus dem Repertoire des von Neumannschen Spielers ausgeschlossen. In der Tat zwingt uns von Neumanns »Spieler« zu einer sehr sorgfältigen Untersuchung dessen, was wir mit Lernen durch »Versuch und Irrtum« meinen: und natürlich auch, was wir unter »Lernen« überhaupt verstehen. Die Annahme hinsichtlich der Bedeutung des Worts »Irrtum« ist nicht trivial und muß jetzt überprüft werden.
In einem Sinne kann sich der »Spieler« doch irren. Beispielsweise kann er eine Entscheidung auf Wahrscheinlichkeitserwägungen stützen und dann den Zug machen, der angesichts der begrenzten zur Verfügung stehenden Informationen am wahrscheinlichsten richtig war. Stehen mehr Informationen zur Verfügung, kann er herausfinden, daß dieser Zug falsch war. Aber diese Entdeckung kann nichts zu seiner zukünftigen Fertigkeit beitragen. Definitionsgemäß hat der Spieler alle verfügbaren Informationen richtig benutzt. Er hat die Wahrscheinlichkeiten richtig eingeschätzt und den Zug gemacht, der am wahrscheinlichsten richtig war. Die Entdeckung, daß er in dem Einzelfall unrecht hatte, kann keine Auswirkungen auf zukünftige Fälle haben. Wenn dasselbe Problem zu einem späteren Zeitpunkt wiederkehrt, wird er dieselben Berechnungen erneut richtig durchführen und zu dem nämlichen Ergebnis gelangen. Zudem wird es sich um dieselbe Menge von Alternativen handeln, zwischen denen er die Auswahl treffen kann –, und daher wird sie richtig sein.
Im Kontrast hierzu ist ein Organismus fähig, bei einer Reihe von Möglichkeiten zu irren, die der »Spieler« nicht hat. Diese Fehlentscheidungen werden zu Recht »Irrtum« genannt, wenn sie so beschaffen sind, daß sie dem Organismus Informationen liefern, die etwas zu seiner zukünftigen Fertigkeit beitragen können. Es wird sich immer um Fälle handeln, in denen einige der verfügbaren Informationen entweder ignoriert oder falsch eingesetzt wurden. Dabei lassen sich verschiedene Arten solcher nützlichen Irrtümer unterscheiden.
Nehmen wir an, daß das System der äußeren Ereignisse Einzelheiten enthält, die dem Organismus mitteilen könnten: (a) aus welcher Menge von Alternativen er seinen nächsten Zug wählen soll; und (b) welches Element dieser Menge er wählen soll. Eine solche Situation erlaubt zwei Arten von Irrtümern:
(I) Der Organismus kann die Information richtig einsetzen, die ihm mitteilt, aus welcher Menge von Alternativen er wählen soll, dann aber die falsche Alternative innerhalb dieser Menge wählen; oder
(2) Er kann aus der falschen Menge von Alternativen wählen.
(Es gibt noch eine interessante Klasse von Fällen, in denen die Mengen von Alternativen gemeinsame Elemente haben. Dann ist es möglich, daß sich der Organismus aus den falschen Gründen »richtig« entscheidet. Diese Form des Irrtums verstärkt sich unvermeidlich selbst.)
Wenn wir nun die durchgängige Vorstellung akzeptieren, daß alles Lernen (außer dem ›Lernen null‹) in gewissem Maße stochastisch ist (d. h. Komponenten von »Versuch und Irrtum« enthält), dann folgt, daß eine Ordnung der Lernprozesse auf eine hierarchische Klassifizierung der Irrtumstypen gestützt werden kann, die in den vielfältigen Lernprozessen korrigiert werden sollen. ›Lernen null‹ wird dann zur Bezeichnung für die unmittelbare Grundlage all jener (einfachen und komplexen) Akte, die nicht der Berichtigung durch Versuch und Irrtum unterworfen sind. Lernen I wird ein geeignetes Etikett für die Zurücknahme der Wahl innerhalb einer unveränderten Menge von Alternativen sein; Lernen II wird das Etikett für die Revision der Menge sein, aus der die Wahl getroffen werden soll; und so weiter.


Lernen I

Folgt man der formalen Analogie, die sich aus den »Gesetzen« der Bewegung ergibt (d. h. den Regeln zur Beschreibung von Bewegung), dann hat man sich jetzt nach der Menge von Phänomenen umzusehen, die passend als Veränderungen im ›Lernen null‹ beschrieben werden (wie »Bewegung« die Veränderung der Position beschreibt). Dies sind die Fälle, in denen ein Einzelwesen zum Zeitpunkt 2 eine andere Reaktion zeigt als zum Zeitpunkt 1, und erneut begegnen wir einer Vielfalt von Fällen, die unterschiedlich auf Erfahrung, Physiologie, Genetik und mechanische Prozesse bezogen sind:
(a) Es gibt das Phänomen der Gewöhnung – die Veränderung, die von der Reaktion auf jedes Auftreten eines wiederholten Ereignisses zum Ausbleiben einer offenen Reaktion führt. Und es gibt das Erlöschen oder den Verlust von Gewöhnung, die als Ergebnis einer mehr oder weniger großen Lücke oder einer anderen Unterbrechung in der Abfolge von Wiederholungen des Reizereignisses auftreten können. (Gewöhnung ist von besonderem Interesse. Die Besonderheit der Reaktion, die wir ›Lernen null‹ nennen, ist charakteristisch für jedes Protoplasma; es ist aber interessant zu sehen, daß »Gewöhnung« vielleicht die einzige Form von Lernen I ist, die Lebewesen ohne Nervensystem erreichen können.)
(b) Der bekannteste und vielleicht am meisten untersuchte Fall ist die klassische pawlowsche Konditionierung. Zum Zeitpunkt 2 sondert der Hund als Reaktion auf den Summer Speichel ab; zum Zeitpunkt 1 hat er das nicht getan.
(c) Es gibt das »Lernen«, das im Zusammenhang mit instrumenteller Belohnung und instrumenteller Vermeidung auftritt.
(d) Wir kennen das Phänomen des mechanischen Lernens, bei dem eine Einheit im Verhalten des Organismus zu einem Reiz für eine andere Verhaltenseinheit wird.
(e) Es gibt die Unterbrechung, Auslöschung oder Hemmung von »abgeschlossenem« Lernen, die auf Veränderung oder Fehlen von Verstärkung folgen kann.
Mit einem Wort, die Liste des Lernens I enthält jene Einheiten, die in psychologischen Laboratorien ganz allgemein als »Lernen« bezeichnet werden.
Es ist zu beachten, daß bei allen Fällen des Lernens I in unserer Beschreibung eine Annahme über den »Kontext« steckt. Diese Annahme muß deutlich ausgesprochen werden. Die Definition des Lernens I unterstellt, daß der Summer (der Reiz) im Zeitpunkt I und im Zeitpunkt 2 irgend wie »derselbe« ist. Diese Annahme der »Selbigkeit« muß auch den »Kontext« abgrenzen, der (theoretisch) beide Male derselbe sein muß. Es folgt, daß die Ereignisse, die zum Zeitpunkt 1 auftraten, bei unserer Beschreibung nicht in unserer Definition des Kontexts zum Zeitpunkt 2 enthalten sind, weil sonst ein großer Unterschied zwischen »Kontext zum Zeitpunkt 1« und »Kontext zum Zeitpunkt 2« geschaffen würde. (Um Heraklit zu paraphrasieren: »Kein Mann kann zweimal mit demselben Mädchen zum ersten Mal ins Bett gehen.«)
Die konventionelle Annahme, daß ein Kontext zumindest in einigen Fällen wiederholt werden kann, übernimmt der Autor in diesem Aufsatz als Eckpfeiler der These, daß die Erforschung des Verhaltens sich nach der logischen Typenlehre richten muß. Ohne die Annahme eines wiederholbaren Kontexts (und ohne die Hypothese, daß die Abfolge der Erfahrung für den Organismus, den wir studieren, tatsächlich irgend wie in dieser Weise interpunktiert ist) würde folgen, daß alles »Lernen« von einem Typ wäre: nämlich ›Lernen null‹. Über das Pawlowsche Experiment würden wir einfach sagen, daß die Nervenschaltungen des Hundes von Anfang an »eingelötete« Charakteristika dergestalt enthalten, daß er im Kontext A zum Zeitpunkt 1 keinen Speichel absondert, dies aber in dem vollkommen verschiedenen Kontext B zum Zeitpunkt 2 tun wird. Was wir zuvor als »Lernen« bezeichneten, würden wir nun als »Unterscheidung« zwischen den Ereignissen des Zeitpunkts 1 und den Ereignissen von Zeitpunkt 1 plus Zeitpunkt 2 beschreiben. Daraus würde dann logisch folgen, daß alle Fragen des Typs »Ist dieses Verhalten ›erlernt‹ oder ›angeboren‹?« zugunsten der Genetik beantwortet werden müßten.
Wir würden argumentieren, daß unsere These und auch der ganze allgemeine Begriff des »Lernens« ohne die Annahme des wiederhol baren Kontexts zusammenbräche. Wird andererseits die Annahme des wiederholbaren Kontexts als in gewisser Weise wahr für die von uns untersuchten Organismen akzeptiert, dann hält der Beweis für die logische Typisierung der Lernphänomene notwendigerweise stand, weil der Begriff »Kontext« selbst der logischen Typisierung unterliegt.
Wir müssen den Begriff des »Kontexts« entweder aufgeben, oder wir halten an diesem Begriff fest und akzeptieren mit ihm auch die hierarchische Reihe – Reiz, Kontext des Reizes, Kontext des Kontexts des Reizes usw. Diese Reihe läßt sich wie folgt in Form einer Hierarchie von logischen Typen ausdifferenzieren:
Reiz ist ein elementares inneres oder äußeres Signal.
Der Kontext des Reizes ist eine Metamitteilung, die das elementare Signal klassifiziert.
Der Kontext des Kontexts des Reizes ist eine Meta-Metamitteilung, die die Metamitteilung klassifiziert.
Und so weiter.
Die gleiche Hierarchie ließe sich auch vom Begriff der »Reaktion« oder vom Begriff der »Verstärkung« her aufbauen. Verfolgen wir aber die hierarchische Klassifizierung von Irrtümern, die durch stochastische Prozesse oder durch »Versuch und Irrtum« korrigiert werden sollen, nach oben, dann können wir »Kontext« als einen gemeinsamen Terminus für alle jene Ereignisse ansehen, die dem Organismus mitteilen, unter welcher Menge von Alternativen er seine nächste Wahl treffen muß.
An diesem Punkt ist es vorteilhaft, den Terminus »Kontext-Markierung« einzuführen. Ein Organismus reagiert auf »denselben« Reiz in verschiedenen Kontexten verschieden, und daher müssen wir nach der Informationsquelle für den Organismus fragen. Durch welche Wahrnehmung weiß er, daß Kontext A sich von Kontext B unterscheidet?
In vielen Fällen wird es kein spezifisches Signal oder Etikett geben, das die beiden Kontexte klassifiziert und differenziert, und der Organismus wird gezwungen sein, seine Information aus den wirklichen Anhäufungen von Ereignissen zu beziehen, die den Kontext des Einzelfalls ausmachen. Sicherlich treten aber im menschlichen Leben und vermutlich auch in dem vieler anderer Organismen Signale auf, deren Hauptfunktion darin besteht, Kontexte zu klassifizieren. Es ist nicht unvernünftig, anzunehmen, daß der Hund, der ein ausgiebiges Training im psychologischen Laboratorium hinter sich hat, sobald ihm das Gurtzeug angelegt wird, weiß, daß er es jetzt mit einer Reihe von Kontexten einer bestimmten Art zu tun haben wird. Eine solche Informationsquelle werden wir als »Kontext-Markierung« bezeichnen und sofort feststellen, daß es zumindest auf der menschlichen Ebene auch »Markierungen von Kontexten von Kontexten« gibt. Zum Beispiel: Ein Publikum sieht Hamlet im Theater und hört, wie der Held im Kontext seiner Beziehung zu seinem toten Vater, zu Ophelia und zu den anderen über Selbstmord spricht. Die einzelnen Zuschauer rufen nicht unmittelbar die Polizei an, weil sie Informationen über den Kontext von Hamlets Kontext erhalten haben. Sie wissen, daß es ein »Stück« ist, und haben diese Information aus vielen »Markierungen des Kontexts des Kontexts« gewonnen – den Eintrittskarten, der Sitzordnung, dem Vorhang usw., usw. Der »König« jedoch, der sein Bewußtsein durch das Spiel innerhalb des Spiels anregen läßt, ignoriert viele »Markierungen des Kontexts des Kontexts«.
Auf der menschlichen Ebene fällt eine ganz andere Menge von Ereignissen unter die Kategorie der »Kontext-Markierungen«. Einige Beispiele sind hier aufgeführt:

(a) Der Heilige Stuhl, von dem aus der Papst Bekanntmachungen ex cathedra verkündet, die dadurch einen besonderen Rang der Geltung erhalten.
(b) Das Placebo, durch welches der Arzt die Grundlage für eine Veränderung in der subjektiven Erfahrung des Patienten legt.
(c) Der glänzende Gegenstand, den einige Hypnotiker verwenden, um jemanden »in Trance zu versetzen«.
(d) Die Alarmsirene und die »Entwarnung«.
(e) Der Handschlag von Boxern vor dem Kampf.
(f) Die Einhaltung der Etikette.

Dabei handelt es sich allerdings um Beispiele aus dem sozialen Leben eines hochkomplexen Organismus, und es ist auf dieser Stufe ergiebiger, nach analogen Phänomenen auf der vorsprachlichen Ebene zu fragen.
Ein Hund kann die Leine in der Hand seines Herrn sehen und sich so verhalten, als wisse er, daß dies einen Spaziergang bedeutet; oder er kann die Information aus dem Klang des Worts »Gassi« beziehen und wissen, daß jetzt dieser Typ von Kontext oder Abfolge kommt.
Wenn eine Ratte mit einer Reihe von Erkundungstätigkeiten beginnt – tut sie das als Reaktion auf einen »Reiz«? Oder als Reaktion auf einen Kontext? Oder als Reaktion auf eine Kontext- Markierung?
Diese Fragen decken formale Probleme im Zusammenhang mit der logischen Typenlehre auf, die diskutiert werden müssen. Die Theorie hat es in ihrer ursprünglichen Form nur mit streng digitaler Kommunikation zu tun, und es ist zweifelhaft, wie weit sie sich auf analoge oder ikonische Systeme anwenden läßt. Was wir hier als »Kontext-Markierungen« bezeichnen, kann digital sein (z. B. das oben erwähnte Wort »Gassi«); oder es kann sich um analoge Signale handeln – eine Lebhaftigkeit in den Bewegungen des Herrn kann zeigen, daß ein Spaziergang bevorsteht; oder irgendein Teil des kommenden Kontexts kann als Markierung dienen (die Leine als ein Teil des Spaziergangs); oder im Extremfall kann der Spaziergang mit seiner ganzen Komplexität für sich selbst stehen, ohne eine Bezeichnung oder Markierung zwischen dem Hund und der Erfahrung. Das wahrgenommene Ereignis selbst kann sein eigenes Auftreten kommunizieren. In diesem Fall kann natürlich kein Irrtum des Typs »Speisekarte« aufkommen. Zudem kann auch keine Paradoxie erzeugt werden, weil es in rein analoger oder bildlicher Kommunikation kein Signal für »nicht« gibt.
Es gibt in der Tat fast keine formale Theorie, die sich mit analoger Kommunikation befaßt, und insbesondere kein Äquivalent der Informationstheorie oder der logischen Typenlehre. Diese Lücke im formalen Wissen ist hinderlich, wenn wir die verfeinerte Welt der Logik und Mathematik verlassen und den Phänomenen der Naturgeschichte direkt gegenüberstehen. In der natürlichen Welt ist Kommunikation nur selten rein digital oder rein analog. Oft werden diskrete digitale Kerne zu analogen Bildern verbunden, wie im Druckstock für die photomechanische Reproduktion; und manchmal gibt es, wie bei der Sache mit den Kontext-Markierungen, eine kontinuierliche Abstufung vom Ostensiven über das Bildliche zum rein Digitalen. Am digitalen Ende dieser Skala besitzen alle Theoreme der Informationstheorie ihre volle Stärke, am ostensiven und analogen Ende sind sie dagegen bedeutungslos.
Es scheint auch, daß die inneren Mechanismen selbst bei höheren Säugetieren, zumindest auf der neuralen Ebene, digitalisiert wurden, obwohl vieles vom Kommunikationsverhalten dieser Lebewesen ostensiv oder analog bleibt. Anscheinend ist die analoge Kommunikation in gewissem Sinne primitiver als digitale, und es gibt einen starken evolutionären Trend in Richtung auf die Ersetzung analoger durch digitale Mechanismen. Dieser Trend scheint sich bei der Entwicklung innerer Mechanismen schneller durchzusetzen als bei der des äußeren Verhaltens. Um das bisher Gesagte zu rekapitulieren und zu erweitern:
(a) Der Begriff des wiederholbaren Kontexts ist eine notwendige Voraussetzung für jede Theorie, die »Lernen« als Veränderung definiert.
(b) Dieser Begriff ist nicht nur ein Hilfsmittel für unsere Beschreibung, sondern er enthält auch die Hypothese, daß die Abfolge der Lebenserfahrung, Aktion usw. bei den Organismen, die wir untersuchen, irgendwie in Subsequenzen oder ~ »Kontexte« unterteilt oder interpunktiert ist, die der Organismus gleichsetzen oder differenzieren kann.
(c) Die Unterscheidung, die man gemeinhin zwischen Wahrnehmung und Handlung, Empfindungsnerv (afferens) und motorischem Nerv (efferens), Eingabe und Ausgabe trifft, ist für höhere Organismen in komplexen Situationen. Auf der einen Seite kann fast jede Handlungseinheit entweder durch äußere Sinne oder durch endozeptive Mechanismen an das Zentralnervensystem weitergeleitet werden, und in diesem Fall wird die übermitt1ung dieser Einheit zu einer Eingabe. Und auf der anderen Seite ist Wahrnehmung bei höheren Organismen keineswegs ein Prozeß bloß passiver Rezeptivität, sondern zumindest teilweise bestimmt durch die nach außen führende Kontrolle höherer Zentren. Wahrnehmung kann immer durch Erfahrung verändert werden. Im Prinzip müssen wir sowohl die Möglichkeit berücksichtigen, daß jede Handlungseinheit – oder Ausgabe [output] – eine Eingabeeinheit hervorbringen kann, als auch die, daß Wahrnehmungselemente in einigen Fällen an der Natur der Ausgabe teilhaben können. Es ist kein Zufall, daß fast alle Sinnesorgane für die Aussendung von Signalen zwischen Organismen verwendet werden. Ameisen kommunizieren mit ihren Fühlern; Hunde mit dem Spitzen der Ohren; und so weiter.
(d) Im Prinzip kann selbst beim ›Lernen null‹, jede Erfahrungs- oder Verhaltenseinheit als ein »Reiz«, eine »Reaktion« oder beides angesehen werden, je nachdem, wie die Gesamtsequenz interpunktiert wird. Wenn der Wissenschaftler sagt, daß der Summer in einer gegebenen Abfolge der »Reiz« ist, dann impliziert diese Äußerung eine Hypothese darüber, wie der Organismus diese Abfolge interpunktiert. Beim Lernen I kann jede Wahrnehmungs- oder Verhaltenseinheit Reiz, Reaktion oder Verstärkung sein, je nachdem, wie die gesamte Interaktionsfolge interpunktiert wird.



Lernen II

Das oben Gesagte hat die Grundlage für die Untersuchung der nächsten Ebene oder des nächsten logischen Typs von »Lernen« geklärt, den wir hier als Lernen II bezeichnen. In der Literatur sind verschiedene Termini für die verschiedenen Phänomene dieser Klasse vorgeschlagen worden. »Deutero-Lernen«,[4] »Set-Lernen«,[5] »Lernen lernen« und »Lerntransfer« seien hier erwähnt.
Wir rekapitulieren und erweitern die Definitionen, soweit sie vorliegen:
Lernen null ist durch die spezifische Wirksamkeit der Reaktion charakterisiert, die – zu Recht oder zu Unrecht – keiner Korrektur unterliegt.
Lernen I ist Veränderung in der spezifischen Wirksamkeit der Reaktion durch Korrektur von Irrtümern der Auswahl innerhalb einer Menge von Alternativen.
Lernen II ist Veränderung im Prozeß des Lernens I, z. B. eine korrigierende Veränderung in der Menge von Alternativen, unter denen die Auswahl getroffen wird, oder es ist eine Veränderung in der Art und Weise, wie die Abfolge der Erfahrung interpunktiert wird.
Lernen III ist Veränderung im Prozeß des Lernens II, z. B. eine korrigierende Veränderung im System der Mengen von Alternativen, unter denen die Auswahl getroffen wird. (Wir werden später sehen, daß es manchmal pathogen ist, diese Leistungsstufe von einigen Menschen und einigen Säugetieren zu verlangen.)
Lernen IV wäre Veränderung im Lernen III, kommt aber vermutlich bei keinem ausgewachsenen lebenden Organismus auf dieser Erde vor. Der Evolutionsprozeß hat jedoch Organismen hervorgebracht, deren Ontogenese sie zum Lernen III bringt. Die Verbindung von Ontogenese und Phylogenese erreicht in der Tat Ebene IV.
Unsere unmittelbare Aufgabe besteht darin, die Definition des Lernens II als »Veränderung im Lernen I« inhaltlich zu füllen, und zu diesem Zweck haben wir die Grundlage vorbereitet. Kurz gesagt, ich glaube, daß alle Phänomene des Lernens II unter der Rubrik von Veränderungen in der Art, wie der Handlungs- und Erfahrungsstrom zusammen mit den Veränderungen in der Verwendung von Kontext-Markierungen in Kontexte unterteilt oder interpunktiert wird, zusammengefaßt werden können.
Die Liste der unter Lernen I eingeordneten Phänomene schließt eine beachtliche (wenn auch nicht erschöpfende) Menge von verschieden strukturierten Kontexten ein. In klassischen Pawlowschen Kontexten ist das Kontingenzmuster, das die Relation zwischen »Reiz« (CS), »Handlung des Tiers« (CR) und Verstärkung (UCS) beschreibt, völlig verschieden vom Kontingenzmuster, das für die instrumentellen Lernkontexte charakteristisch ist.
Im Pawlowschen Fall: Wenn Reiz und ein gewisser Zeitablauf: dann Verstärkung.
Im Fall der instrumentellen Belohnung: Wenn Reiz und eine besondere Verhaltenseinheit: dann Verstärkung.
Im Pawlowschen Fall ist die Verstärkung nicht kontingent vom Verhalten des Tieres abhängig, wohl aber im instrumentellen Fall. Mit diesem Kontrast als Beispiel können wir sagen, daß Lernen II dann, wenn gezeigt werden kann, daß die Erfahrung eines oder mehrerer Kontexte des Pawlowschen Typs zu einem Handeln des Tiers in irgendeinem späteren Kontext führt, das so ist, als hätte auch dieser Kontext das Pawlowsche Kontingenzmuster. Ähnlich werden wir dann, wenn eine vergangene Erfahrung von instrumentellen Abfolgen ein Tier dazu veranlaßt, in irgendeinem späteren Kontext so zu handeln, als erwarte es auch hier einen instrumentellen Kontext, ebenfalls sagen, daß es zu Lernen II gekommen ist.
So definiert, ist Lernen II nur dann adaptiv, wenn das Tier zufällig mit seiner Erwartung eines gegebenen Kontingenzmusters recht hat, und in einem solchen Fall werden wir erwarten, ein meßbares Lernen zu lernen festzustellen. Es sollte im neuen Kontext weniger Versuche benötigen, um »richtiges« Verhalten einzuüben. Wenn andererseits das Tier sich bei seiner Identifikation des späteren Kontingenzmusters irrt, dann werden wir eine Verzögerung des Lernens I im neuen Kontext erwarten. Das Tier, das ausgedehnte Erfahrungen mit Pawlowschen Kontexten hat, gelangt möglicherweise niemals zu der besonderen Art von Versuch-und-Irrtum-Verhalten, die notwendig ist, um eine richtige instrumentelle Reaktion herauszufinden.
Es gibt zumindest vier Experimentalbereiche, in denen Lernen II sorgfältig beobachtet worden ist:
(a) Im mechanischen Lernen des Menschen. Hull[6] hat sehr sorgfältige quantitative Untersuchungen durchgeführt, die dieses Phänomen enthüllten, und er hat ein mathematisches Modell konstruiert, das die von ihm berichteten Kurven des Lernens I simulieren oder erklären konnte. Er beobachtete auch ein Phänomen zweiter Ordnung, das wir als »Lernen, mechanisch zu lernen« bezeichnen können, und veröffentlichte die Kurven für dieses Phänomen im Anhang zu seinem Buch. Diese Kurven wurden vom Hauptteil seines Buchs abgetrennt, weil dessen mathematisches Modell (des mechanischen Lernens I), wie er berichtet, diesen Aspekt der Daten nicht abdeckte.
Es ist ein Nebenergebnis der theoretischen Position, die wir hier einnehmen, daß auch ein strikter Diskurs eines gegebenen logischen Typs die Phänomene eines höheren Typs nicht »erklären« kann. Hulls Modell wirkt wie ein Prüfstein für die logische Typisierung, da es automatisch jene Phänomene von der Erklärung ausschließt, die jenseits seiner logischen Reichweite liegen. Daß es sich so verhielt – und daß Hull es bemerkte –, zeugt sowohl von seiner Strenge als auch von seinem Scharfsinn.
Die Daten zeigen nun, daß es bei jedem gegebenen Subjekt eine Steigerung des mechanischen Lernens in aufeinanderfolgenden Übungen gibt, die sich asymptotisch einem Grad der Geschicklichkeit annähert, der von Subjekt zu Subjekt variiert.
Der Kontext für dieses mechanische Lernen war ziemlich komplex und stellte sich zweifellos für jeden Lernenden subjektiv verschieden dar. Einige wurden wohl eher durch die Angst vor Fehlern motiviert, während andere mehr auf die Befriedigung aus waren, recht zu haben. Einige waren mehr dadurch beeinflußt, im Vergleich mit den anderen Subjekten besser abzuschneiden; andere waren davon begeistert, in jeder Sitzung mit ihren eigenen Vorleistungen zu konkurrieren, und so weiter. Alle müssen sie (richtige oder unrichtige) Vorstellungen von der Natur des Versuchsaufbaus gehabt haben, sie müssen »Erwartungshaltungen« und frühere Erfahrungen mit der Erinnerung verschiedener Arten von Materialien gehabt haben. Kein einziges von Hulls Subjekten hätte unbeeinflußt durch früheres Lernen II in den Lernkontext eintreten können.
Trotz all dieses vorausgegangenen Lernens II und trotz genetischer Unterschiede, die sich auf dieser Ebene auswirken könnten, zeigten alle über mehrere Sitzungen hinweg eine Steigerung. Diese kann nicht von Lernen I hergerührt haben, da keine Erinnerung an die spezifische Silbenfolge, die in der vorangegangenen Sitzung gelernt wurde, im Umgang mit der neuen Folge von Nutzen gewesen wäre. Eine solche Erinnerung wäre eher ein Hindernis gewesen. Ich unterstelle daher, daß die Steigerung von Sitzung zu Sitzung nur durch irgendeine Art Anpassung an den Kontext erklärbar ist, den Hull für das mechanische Lernen herstellte.
Es gilt auch festzuhalten, daß Erzieher eine hohe Meinung vom (positiven oder negativen) Wert des Trainings beim mechanischen Lernen haben. »Progressive« Lehrer bestehen auf dem Training von »Einsicht«, während die konservativeren auf dem Auswendiglernen und gedrilltem Abfragen beharren. 
(b) Der zweite Typ des Lernens II, der experimentell untersucht worden ist, wird »Set-Lernen« genannt. Das Konzept und die Bezeichnung stammen von Harlow und gelten für einen ziemlich speziellen Fall des Lernens II. Harlows Vorgehen bestand, grob gesagt, darin, Rhesusaffen mehr oder weniger komplexe Gestalten [deutsch im Original] oder »Probleme« vorzulegen. Diese mußte der Affe lösen, um mit Nahrung belohnt zu werden. Harlow zeigte, daß, wenn diese Probleme von ähnlicher »Anordnung« [set} waren, d. h. ähnliche Typen von logischer Komplexität enthielten, eine Übertragung von einem Problem zum nächsten stattfand. In Harlows Experiment waren tatsächlich zwei Ordnungen von Kontingenzmustern angelegt: Erstens das umfassende Muster des Instrumentalismus (wenn der Affe das Problem löst, dann Verstärkung); und zweitens die Kontingenzmuster der Logik innerhalb der spezifischen Probleme.
(c) Bitterman und andere haben kürzlich eine Methode für das Experimentieren mit »Umkehrungs-Lernen« entwickelt. Bei diesen Experimenten lernt das Subjekt zunächst immer eine binäre Unterscheidung. Wenn diese als Kriterium gelernt ist, wird die Bedeutung der Reize umgekehrt. Wenn X anfänglich R1 »bedeutete«, und Y anfänglich R2 bedeutete, dann bedeutet X nach der Umkehrung R2 und Y bedeutet R1. Erneut wurden die Versuche bis zum Kriterium fortgesetzt, und dann werden die Bedeutungen wiederum umgekehrt. Bei diesen Experimenten ist die entscheidende Frage: Lernt das Subjekt etwas über die Umkehrung? D. h., erreicht das Subjekt das Kriterium nach einer Reihe von Umkehrungen mit weniger Versuchen als am Anfang der Reihe?
Bei diesen Experimenten tritt sehr deutlich zutage, daß die gestellte Frage von einem höheren logischen Typ ist als Fragen zum einfachen Lernen. Wenn einfaches Lernen auf einer Menge von Versuchen beruht, dann basiert das Umkehrungs-Lernen auf einer Menge solcher Mengen. Es besteht eine direkte Parallele zwischen dieser Relation und Russells Relation zwischen »Klasse« und »Klasse von Klassen«.
(d) Lernen II kommt auch in den wohlbekannten Phänomenen der »Experimentalneurose« zum Ausdruck. Hierfür ist typisch, daß ein Tier entweder in einem Pawlowschen oder in einem instrumentellen Lernkontext trainiert wird, zwischen einem beliebigen X und einem Y zu unterscheiden; z. B. zwischen einer Ellipse und einem Kreis. Sobald diese Unterscheidung gelernt wurde, wird die Aufgabe erschwert: die Ellipse wird immer runder und der Kreis immer flacher gemacht. Schließlich wird eine Stufe erreicht, auf der die Unterscheidung unmöglich ist. Auf dieser Stufe fängt das Tier an, Symptome ernsthafter Störung zu zeigen.
Auffallend ist, (a) daß ein naives Tier, das eine Situation vorgeführt bekommt, in der irgendein X (auf irgendeiner planlosen Grundlage) entweder A oder B bedeuten kann, keine Störung zeigt; und (b), daß die Störung nicht in Abwesenheit der vielen Kontext-Markierungen auftritt, die für die Laboratoriumssituation charakteristisch sind.[7]
Es scheint also, daß Lernen II eine notwendige Vorbereitung auf die Verhaltensstörung ist. Die Information »Dies ist ein Kontext für Unterscheidungen« wird am Anfang der Abfolge vermittelt und durch die Stufenreihe, in der die Unterscheidung immer schwieriger wird, unterstrichen. Wenn aber die Unterscheidung unmöglich wird, verändert sich die Struktur des Kontexts vollkommen. Die Kontext-Markierungen (z. B. der Geruch des Laboratoriums und die angelegten Apparaturen) werden nun irreführend, weil sich das Tier in einer Situation befindet, die Raten oder Hasardieren erfordert, nicht aber Unterscheiden. Die gesamte Versuchsabfolge ist in der Tat ein Vorgehen, um das Tier auf der Ebene des Lernens II in die Irre zu führen.
In meiner Formulierung wird das Tier in einen typischen »double bind« versetzt, der aller Wahrscheinlichkeit nach schizophrenogen ist.[8]
In der fremden Welt außerhalb des psychologischen Laboratoriums sind Phänomene, die zur Kategorie des Lernens II gehören, die Hauptbeschäftigung von Anthropologen, Erziehern, Psychiatern, Tierzüchtern, menschlichen Eltern und Kindern. Alle, die über die Prozesse nachdenken, die den Charakter des Individuums oder die Veränderungsprozesse in menschlichen (oder tierischen) Beziehungen bestimmen, müssen in ihrem Denken eine Vielfalt von Annahmen über das Lernen II anwenden. Von Zeit zu Zeit wenden sich diese Menschen an einen Laboratoriumspsychologen als Berater und werden dann mit einer Sprachbarriere konfrontiert. Solche Barrieren müssen sich immer dann ergeben, wenn etwa der Psychiater von Lernen II spricht, der Psychologe von Lernen I, und keiner von ihnen die logische Struktur des Unterschiedes erkennt.
Von den mannigfaltigen Möglichkeiten, in denen Lernen II in menschlichen Angelegenheiten auftreten kann, werden in diesem Aufsatz nur drei diskutiert:
(a) Bei der Beschreibung individueller menschlicher Wesen greift sowohl der Wissenschaftler als auch der Laie gewöhnlich auf Adjektive zurück, die den »Charakter« beschreiben. Man sagt, daß Herr Schmidt abhängig, feindlich, weltfremd, affektiert, ängstlich, exhibitionistisch, narzißtisch, passiv, konkurrenzorientiert, energisch, kühn, feige, fatalistisch, humorvoll, spielerisch, schlau, optimistisch, perfektionistisch, sorglos, sorgfältig, unberechenbar usw. ist. Im Lichte des bisher Gesagten wird der Leser alle diese Adjektive ihrem entsprechenden logischen Typ zuordnen können. Sie alle beschreiben (mögliche) Ergebnisse des Lernens II, und wenn wir diese Wörter sorgfältiger definieren würden, bestünde unsere Definition darin, das Kontingenzmuster des Kontexts von Lernen I darzulegen, das vermutlich zum Lernen II führen würde, aus dem sich die Anwendbarkeit des Adjektivs ergäbe.
Wir könnten von einem »fatalistischen« Menschen sagen, das Muster seiner Transaktionen mit der Umgebung sei so beschaffen, als habe er längere oder wiederholte Erfahrungen als Versuchsperson eines Pawlowschen Experiments gemacht; und wir könnten feststellen, daß diese Definition des »Fatalismus« spezifisch und genau ist. Es gibt noch viele andere Formen des »Fatalismus« neben dieser, die mit Hilfe dieses besonderen Lernkontexts definiert wird. Zum Beispiel den komplexeren Typ, der für die klassische griechische Tragödie charakteristisch ist, wo das Handeln eines Menschen selbst als ein Beitrag zum unausweichlichen Wirken des Schicksals empfunden wird.
(b) In der Interpunktion der menschlichen Interaktion. Der kritische Leser wird bemerkt haben, daß die oben erwähnten Adjektive, die den Anschein erwecken, individuelle Eigenschaften zu beschreiben, in Wirklichkeit eigentlich nicht auf das Individuum anwendbar sind, sondern eher Transaktionen zwischen dem Individuum und seiner materiellen und menschlichen Umgebung beschreiben. Niemand ist in einem Vakuum »findig«, »abhängig« oder »fatalistisch«. Das Charakteristische eines Menschen, was es auch sein mag, ist nicht etwas an ihm, sondern eher ein Charakteristikum dessen, was zwischen ihm und etwas (oder jemand) anderem vorgeht.
Wenn es sich so verhält, ist es natürlich, das zu beobachten, was zwischen Menschen vorgeht, um dort Kontexte des Lernens I zu finden, die geeignet sind, Einfluß auf Prozesse des Lernens II zu nehmen. In solchen Systemen, die zwei oder mehr Personen umfassen, wo die Mehrzahl der wichtigen Ereignisse Haltungen, Handlungen oder Äußerungen der Lebewesen sind, beobachten wir unmittelbar, daß der Strom der Ereignisse gewöhnlich durch eine stillschweigende Übereinkunft zwischen den Personen hinsichtlich der Natur ihrer Beziehung in Lernkontexte interpunktiert wird – oder aber durch Kontext-Markierungen und die stillschweigende Übereinkunft, daß diese Kontext-Markierungen für beide Seiten dasselbe »bedeuten« sollen. Sehr lehrreich ist der Versuch, einen fortlaufenden Austausch zwischen A und B zu analysieren. Wir fragen nach irgendeiner besonderen Einzelheit in A’s Verhalten: Ist diese Einzelheit ein Reiz für B? Oder ist sie eine Reaktion A’s auf etwas, das B vorher sagte? Oder ist sie eine Verstärkung einer Einzelheit, die durch B beigetragen wurde? Oder vollzieht A in dieser Einzelheit für sich selbst eine Verstärkung? Usw. Solche Fragen werden sofort aufdecken, daß die Antwort für viele Einzelheiten in A’s Verhalten oft ziemlich unklar ist. Wenn es aber eine klare Antwort gibt, dann beruht diese Klarheit nur auf einer stillschweigenden (selten ganz ausgesprochenen) Übereinkunft zwischen A und B hinsichtlich der Natur ihrer wechselseitigen Rollen, d. h. hinsichtlich der Natur der Kontextstruktur, die sie voneinander erwarten.
Betrachten wir einen solchen Austausch abstrakt: … a1b1a2b2a3b3a4b4a5b5 … , wobei sich die A’s auf Einzelheiten von A’s Verhalten, die b’s auf Einzelheiten von B’s Verhalten beziehen, dann können wir irgendein ai nehmen und darum herum drei einfache Lernkontexte konstruieren. Diese werden sein: 

i. (ai bi ai +1), wobei ai der Reiz für bi ist.
ii. (bi-1ai bi), wobei ai die Reaktion auf bi-1, ist, welche Reaktion B mit bi verstärkt.
iii. (ai-1bi -1 ai), wobei ai nunmehr A’s Verstärkung von B’s bi-1, ist, das eine Reaktion auf ai-1 war.

Es folgt, daß ai ein Reiz für B, A’s Reaktion auf B oder A’s Verstärkung von B sein kann.
Wenn wir jedoch darüber hinaus die Mehrdeutigkeit der Begriffe »Reiz« und »Reaktion«, »afferens« und »efferens« – wie oben diskutiert – bedenken, stellen wir fest, daß jedes ai auch ein Reiz für A sein kann; es kann A’s Verstärkung des Selbst sein; oder es kann A’s Reaktion auf sein eigenes früheres Verhalten sein, wie es bei Abfolgen mechanischen Lernens der Fall ist. Diese allgemeine Mehrdeutigkeit bedeutet in der Tat, daß die fortlaufende Sequenz des Austauschs zwischen zwei Personen nur durch die individuelle Wahrnehmung der Abfolge als eine Reihe von Kontexten strukturiert ist, wobei jeder Kontext in den nächsten überleitet. Die besondere Weise, in der die Abfolge durch irgendeine besondere Person strukturiert wird, bestimmt sich aus dem vorausgegangenen Lernen II dieser Person (oder möglicherweise durch ihre Genetik).
In einem solchen System werden Wörter wie »herrschend« und »unterwürfig«, »unterstützend« und »abhängig« eine definierbare Bedeutung als Beschreibungen von Austauschsegmenten annehmen. Wir werden sagen, »A beherrscht B«, wenn A und B in ihrem Verhalten zeigen, daß sie ihre Beziehung als durch Abfolgen des Typs a1b1a2 charakterisiert ansehen, wobei a1 (von A und B) als ein Zeichen betrachtet wird, das Bedingungen für instrumentelle Belohnung oder Strafe definiert; b1 als ein Zeichen oder ein Akt, der diesen Bedingungen unterliegt; und a2 als ein Zeichen, das b1 verstärkt.
Ähnlich werden wir sagen, daß »A von B abhängig ist«, wenn ihre Beziehung durch Abfolgen a1b1a2 charakterisiert ist, wobei a1 als ein Zeichen der Schwäche angesehen wird; b1 als ein Akt der Hilfestellung; und a2 als eine Erkenntlichkeit für b1.
Es obliegt aber A und B, (bewußt oder unbewußt oder gar nicht) zwiscnen »Beherrschung« und »Abhängigkeit« zu unterscheiden. Ein »Befehl« kann einem Schrei nach "Hilfe« sehr ähnlich sein.
(c) In der Psychotherapie kommt Lernen II am deutlichsten durch die Phänomene der »Übertragung« zum Ausdruck. Die orthodoxe Freudsche Theorie behauptet, daß der Patient unpassende Vorstellungen über seine Beziehung zum Therapeuten unvermeidlich mit ins Sprechzimmer bringen wird. Diese Vorstellungen (ob bewußte oder unbewußte) sind so beschaffen, daß er in einer Weise sprechen und handeln wird, die den Therapeuten zu Reaktionsweisen zwingt, die dem Bild des Patienten davon ähneln, wie eine andere wichtige Person (gewöhnlich ein Elternteil) den Patienten in der näheren oder ferneren Vergangenheit behandelte. In der Sprache des vorliegenden Aufsatzes: der Patient wird versuchen, seinen Austausch mit dem Therapeuten nach den Voraussetzungen seines (des Patienten) früheren Lernens II zu gestalten.
Man hat vielfach beobachtet, daß ein Großteil vom Lernen II, der die Übertragungsmuster eines Patienten und in der Tat auch viel vom Beziehungsverhalten aller menschlichen Wesen bestimmt, (a) aus der frühen Kindheit datiert und (b) unbewußt ist. Beide Verallgemeinerungen scheinen richtig zu sein, und beide müssen näher erklärt werden.
Es steht zu vermuten, daß diese beiden Verallgemeinerungen wahr sind, weil sich dies aus der Natur der Phänomene ergibt, mit denen wir es zu tun haben. Wir nehmen an, daß es sich bei dem, was im Lernen II gelernt wird, um eine Weise der Interpunktion von Ereignissen handelt. Eine Interpunktionsweise von Ereignissen ist jedoch weder wahr noch falsch. In den Aufgaben dieses Lernens steckt nichts, was an der Realität überprüft werden könnte. Es ist wie bei einem Bild, das man in einem Tintenklecks sieht; ihm kommt weder Richtigkeit noch Unrichtigkeit zu. Es ist nur eine Weise, den Tintenklecks zu sehen.
Man denke an die instrumentelle Lebensanschauung. Ein Organismus mit dieser Lebensanschauung wird sich in einer neuen Situation auf ein Verhalten nach ›Versuch und Irrtum‹ einlassen, um aus der Situation eine positive Verstärkung zu erhalten. Gelingt es ihm nicht, diese Verstärkung zu erlangen, wird sein Zweckdenken dadurch nicht negiert. Sein Verhalten nach ›Versuch und Irrtum‹ wird einfach andauern. Die Voraussetzungen des »Zwecks« sind einfach nicht vom selben logischen Typ wie die materiellen Lebenstatsachen und können daher nicht so leicht durch sie widerlegt werden.
Der Praktiker der Magie verlernt seine magische Sicht der Ereignisse nicht, wenn die Magie nicht funktioniert. In der Tat haben die Leitsätze, die die Interpunktion beherrschen, das allgemeine Charakteristikum, sich selbst zu bestätigen.[9] Was wir als »Kontext« bezeichnen schließt sowohl das Verhalten des Subjekts als auch die äußeren Ereignisse ein. Aber dieses Verhalten wird durch früheres Lernen II beherrscht und wird daher so geartet sein, den gesamten Kontext dergestalt zu formen, daß er zur erwarteten Interpunktion paßt. Kurz gesagt, dieses selbstbestätigende Charakteristikum des Inhalts von Lernen II hat die Auswirkung, daß solches Lernen fast unauslöschlich ist. Es folgt, daß Lernen II, wie es in der Kindheit erworben wird, sich tendenziell im ganzen Leben durchhält. Umgekehrt müssen wir damit rechnen, daß viele der wichtigen Charakteristika der Interpunktion von Erwachsenen ihre Wurzeln in der frühen Kindheit haben.
Im Hinblick auf die Unbewußtheit dieser Interpunktionsgewohnheiten beobachten wir, daß das »Unbewußte« nicht nur unterdrücktes Material, sondern auch die meisten Prozesse und Gewohnheiten der Gestalt[Deutsch im Original]wahrnehmung einschließt. Subjektiv sind wir uns unserer »Abhängigkeit« bewußt, aber unfähig, klar zu sagen, wie dieses Muster zustande kam oder welche Hilfsmittel wir bei seiner Erschaffung verwendet haben.



Lernen III

Was oben zum selbstbestätigenden Charakter der Voraussetzungen gesagt wurde, die durch Lernen II erworben werden, weist darauf hin, daß Lernen III selbst bei menschlichen Wesen schwierig und selten sein wird. Es steht zu erwarten, daß es auch für Wissenschaftler, die auch nur Menschen sind, schwierig sein wird, diesen Prozeß vorzustellen oder zu beschreiben. Man behauptet aber, daß etwas dieser Art von Zeit zu Zeit in der Psychotherapie, in religiöser Bekehrung oder in anderen Sequenzen auftritt, in denen eine tiefgreifende Umstrukturierung des Charakters stattfindet.
Zen-Buddhisten, abendländische Mystiker und einige Psychiater versichern, daß diese Dinge gänzlich außerhalb des Bereichs der Sprache liegen. Ich möchte aber trotz dieser Warnung beginnen, über das zu spekulieren, was (logisch) der Fall sein muß.
Zunächst muß eine Unterscheidung getroffen werden: Oben wurde festgestellt, daß die Experimente mit Umkehrungs-Lernen immer dann Lernen II aufweisen, wenn es zum meßbaren Lernen über die Tatsache der Umkehrung kommt. Es ist möglich, eine gegebene Voraussetzung zu einem gegebenen Zeitpunkt (Lernen I) und die umgekehrte Voraussetzung zu einem späteren Zeitpunkt zu lernen, ohne den Trick des Umkehrungs-Lernens herauszukriegen. In einem solchen Fall wird von einer Umkehrung zur nächsten keine Steigerung eintreten. Eine Einheit des Lernens I hat einfach eine andere ersetzt, ohne daß es hierbei zum Lernen II gekommen wäre. Wenn andererseits mit aufeinanderfolgenden Umkehrungen eine Steigerung eintritt, ist dies ein Beweis für Lernen II.
Wenn wir dieselbe Art Logik auf die Relation zwischen Lernen II und Lernen III anwenden, gelangen wir zu der Erwartung, daß auf der Ebene des Lernens II Prämissen ersetzt werden können, ohne daß es irgendwie zum Lernen III käme.
Vor aller Diskussion des Lernens III ist es daher notwendig, zwischen bloßer Ersetzung ohne Lernen III und jener Erleichterung des Ersetzens zu unterscheiden, die wahrhaft Lernen III wäre.
Daß Psychotherapeuten fähig sein sollten, ihren Patienten selbst bei einer bloßen Ersetzung von Prämissen, die durch Lernen II erlangt wurden, zu helfen, ist schon keine geringe Anforderung, wenn wir an den selbstbestätigenden Charakter solcher Prämissen und ihre mehr oder weniger unbewußte Natur denken. Es besteht aber kein Zweifel daran, daß dies geleistet werden kann.
Innerhalb des kontrollierten und geschützten Rahmens der therapeutischen Beziehung kann der Therapeut einen oder mehrere der folgenden Kunstgriffe versuchen:
(a) eine Gegenüberstellung der Prämissen des Patienten und denen des Therapeuten zu erreichen – der sorgfältig ausgebildet ist, nicht in die Falle der Bestätigung alter Prämissen zu gehen;
(b) den Patienten dahin zu bringen, entweder im Sprechzimmer oder draußen so zu handeln, daß er mit seinen eigenen Prämissen konfrontiert wird;
(c) Widersprüche in den Prämissen aufzuzeigen, die gewöhnlich das Verhalten des Patienten beherrschen;
(d) Im Patienten irgendeine Übertreibung oder Karikierung (z. B. im Traum oder in der Hypnose) von Erfahrungen zu induzieren, die auf seinen alten Prämissen beruhen.
Wie William Blake vor langer Zeit angemerkt hat: »Ohne Gegensätze kein Fortschritt«. (An anderer Stelle habe ich diese Widersprüche auf der Ebene II als »double binds« bezeichnet.) Es gibt aber immer Auswege, durch welche der Einfluß von Widersprüchen reduziert werden kann. Es ist ein Gemeinplatz der Lernpsychologie, daß das Subjekt zwar schneller lernt (Lernen I), wenn es bei jeder richtigen Reaktion verstärkt wird, daß dieses Lernen aber auch ziemlich schnell verschwindet, wenn die Verstärkung ausbleibt. Wenn andererseits die Verstärkung nur gelegentlich auftritt, wird das Subjekt langsamer lernen; aber das Gelernte wird nicht so leicht ausgelöscht, wenn die Verstärkung ganz und gar ausbleibt. Mit anderen Worten, das Subjekt kann lernen (Lernen II), daß der Kontext so beschaffen ist, daß das Fehlen von Verstärkung kein Anzeichen einer falschen oder unangemessenen Reaktion darstellt. Seine Sicht des Kontexts war in der Tat richtig, bis der Versuchsleiter seine Taktik änderte.
Freilich muß der Therapeut die Gegensätze, von denen der Patient getrieben wird, so unterstützen oder absichern, daß Auswege dieser und anderer Art blockiert werden. Der Zen-Schüler, dem ein Paradoxon zugewiesen wurde (koan), muß an seiner Aufgabe arbeiten »wie ein Moskito, der in eine Eisenstange sticht.«
Ich habe an anderer Stelle (»Stil, Grazie und Information in der primitiven Kunst«, vgl. S. 182) so argumentiert, daß eine wesentliche und notwendige Funktion aller Gewohnheitsbildung und allen Lernens II in einer Ökonomie der Denkprozesse (oder Nervenstränge) besteht, die für die Problemlösung oder das Lernen I eingesetzt werden. Die Prämissen dessen, was gemeinhin »Charakter« genannt wird – die Definitionen des »Selbst« bewahren das Individuum davor, die abstrakten, philosophischen, ästhetischen und ethischen Aspekte vieler Lebensabschnitte überprüfen zu müssen. »Ich weiß nicht, ob das gute Musik ist; ich weiß nur, daß sie mir gefällt.«
Das Lernen III wird aber diese ungeprüften Prämissen offen in Frage stellen und der Veränderung aussetzen.
Wir wollen, wie wir es oben schon bei Lernen I und II getan haben, einige der Veränderungen aufzählen, die wir als Lernen III bezeichnen möchten.
(a) Das Individuum könnte lernen, bereitwilliger jene Gewohnheiten zu bilden, deren Bildung wir Lernen II nennen.
(b) Es könnte lernen, sich selbst die »Auswege« zu verbauen, die es ihm erlauben würden, Lernen III zu umgehen.
(c) Es könnte lernen, die Gewohnheiten zu ändern, die durch Lernen II erworben wurden.
(d) Es könnte lernen, daß es ein Geschöpf ist, das Lernen II unbewußt erreichen kann und dies auch tut. 
(e) Es könnte lernen, sein Lernen II einzuschränken und zu steuern.
(f) Wenn Lernen II ein Erlernen der Kontexte für Lernen I ist, dann sollte Lernen III ein Erlernen der Kontexte dieser Kontexte sein.
In dieser Liste steckt aber eine Paradoxie. Lernen III (d. h. Lernen über Lernen II) kann entweder zu einer Verstärkung des Lernens II oder zu einer Einschränkung und vielleicht einer Reduktion dieses Phänomens führen. Sicherlich muß es sich in einer größeren Flexibilität bei den Voraussetzungen niederschlagen, die durch den Prozeß des Lernens II erworben wurden – nämlich in einer Freiheit von ihrer auferlegten Knechtschaft.
Ich hörte einmal einen Zen-Meister kategorisch behaupten: »Sich an irgend etwas zu gewöhnen ist schrecklich.«
Aber jede Freiheit von der Knechtschaft der Gewohnheit muß auch eine tiefgreifende Neudefinition des Selbst kennzeichnen. Wenn ich auf der Ebene des Lernens II stehenbleibe, bin »ich« die Gesamtheit derjenigen Charakteristika, die ich als meinen »Charakter« bezeichne. »Ich« bin meine Gewohnheiten, im Kontext zu handeln und die Kontexte zu gestalten und wahrzunehmen, in denen ich handle. Individualität ist ein Resultat oder eine Ansammlung aus Lernen II. In dem Maße, wie ein Mensch Lernen III erreicht und es lernt, im Rahmen der Kontexte von Kontexten wahrzunehmen und zu handeln, wird sein »Selbst« eine Art Irrelevanz annehmen. Der Begriff »Selbst« wird nicht mehr als ein zentrales Argument in der Interpunktion der Erfahrung fungieren.
Dies muß näher untersucht werden. Bei der Diskussion des Lernens II wurde behauptet, daß sich alle Wörter wie »Abhängigkeit«, »Stolz«, »Fatalismus« auf Charakteristika des Selbst beziehen, die in Beziehungsabfolgen gelernt (Lernen II) werden. Diese Worte sind in der Tat Ausdrücke für »Rollen« in Beziehungen und verweisen auf etwas, das künstlich aus Interaktionsabläufen herausgeschnitten wird.
Es wurde auch vermutet, daß der richtige Weg, jedem dieser Wörter eine strenge Bedeutung zuzuweisen, darin besteht, die formale Struktur der Abfolge herauszufinden, in der die genannten Charakteristika gelernt. worden sein könnten. Daher wurde der Interaktionsablauf des Pawlowschen Lernens als Paradigma für eine bestimmte Art von »Fatalismus« usw. vorgeschlagen.
Jetzt aber fragen wir nach den Kontexten dieser Lernkontexte, d. h. nach den größeren Abfolgen, in die solche Paradigmen eingebettet sind.
Man denke an die kleine Lerneinheit des Lernens II, die oben als die Bereitstellung eines »Auswegs« zur Flucht vor dem Lernen III erwähnt wurde. Ein gewisses Charakteristikum des Selbst – man kann es »Beharrlichkeit« nennen – wird durch Erfahrung in vielfältigen Abfolgen hervorgebracht, in denen Verstärkung nur sporadisch auftritt. Wir müssen jetzt nach dem größeren Kontext solcher Abfolgen fragen. Wie kommt es zu solchen Abfolgen?
Die Frage ist brisant. Die einfache, stilisierte experimentelle Interaktionsabfolge im Laboratorium wird erzeugt durch und bestimmt zum Teil ein Netzwerk von Zufälligkeiten, das sich in hundert Richtungen erstreckt, die aus dem Laboratorium hinaus und in die Prozesse führen, die der psychologischen Forschung ihr Gepräge geben: die Interaktion zwischen Psychologen, die Ökonomie der Forschungsgelder usw. usw.
Oder man denke an dieselbe formale Abfolge in einem »natürlicheren« Rahmen. Ein Organismus sucht einen benötigten oder fehlenden Gegenstand. Ein Schwein wühlt nach Eicheln, ein Spieler füttert einen Spielautomaten und hofft auf einen Jackpot, oder ein Mann muß seinen Wagenschlüssel finden. Es gibt Tausende von Situationen, in denen Lebewesen auf bestimmten Verhaltensweisen beharren müssen, gerade weil eine Verstärkung sporadisch oder unwahrscheinlich ist. Lernen II wird das Universum vereinfachen, indem es diese Fälle als eine einzige Kategorie behandelt. Soll sich aber das Lernen III mit den Kontexten dieser Fälle befassen, dann werden die Kategorien des Lernens II aufbrechen.
Oder man bedenke, was das Wort »Verstärkung« auf den verschiedenen Ebenen bedeutet. Ein Tümmler bekommt einen Fisch vom Dresseur, wenn er tut, was der Dresseur will. Auf der Ebene I ist die Tatsache des Fischs mit der »Richtigkeit« der besonderen Handlung verknüpft. Auf der Ebene II bestätigt die Tatsache des Fischs das Verständnis des Tümmlers von seiner (möglicherweise instrumentellen oder abhängigen) Beziehung zu dem Dresseur. Und man beachte, daß auf dieser Ebene, falls der Tümmler den Dresseur haßt oder fürchtet, der von diesem zugefügte Schmerz eine positive Verstärkung sein kann, die den Haß bestärkt. (»Wenn es nicht so ist, wie ich will, dann werde ich es beweisen.«)
Aber wie verhält es sich mit der »Verstärkung« auf Ebene III (bei Tümmlern oder bei Menschen)?
Wenn, wie ich oben vermutet habe, das Geschöpf durch »Gegensätze«, die auf der Ebene II hervorgebracht werden, zur Ebene III getrieben wird, dann dürfen wir erwarten, daß es die Auflösung dieser Gegensätze ist, die auf der Ebene III eine positive Verstärkung konstituieren wird. Eine solche Auflösung kann viele Formen annehmen.
Schon der Versuch, auf die Ebene III zu gelangen kann gefährlich sein, und einige werden dabei scheitern. Diese werden von der Psychiatrie oft als psychotisch etikettiert, und viele von ihnen sehen sich daran gehindert, das Pronomen der ersten Person zu benutzen.
Für andere, Erfolgreichere, kann die Auflösung der Gegensätze ein Zusammenbruch von vielem sein, was auf Ebene II gelernt wurde, und zur Offenbarung einer Einfachheit führen, in der Hunger direkt zum Essen führt und das identifizierte Selbst nicht mehr für die Organisation des Verhaltens verantwortlich ist. Sie sind die unbestechlichen Unschuldigen dieser Welt. Für andere, Kreativere, offenbart die Auflösung der Gegensätze eine Welt, in der die persönliche Identität in all den Beziehungsprozessen einer umfassenden Ökologie oder Ästhetik der kosmischen Interaktion aufgeht. Daß irgendwer von ihnen überleben kann, erscheint fast wie ein Wunder, aber einige werden vielleicht durch ihre Fähigkeit, sich auf die Kleinigkeiten des Lebens zu konzentrieren, davor bewahrt, vom ozeanischen Gefühl weggeschwemmt zu werden. Jede Einzelheit des Universums wird so gesehen, als ermögliche sie eine Sicht des Ganzen. Das sind die Menschen, für die Blake den berühmten Ratschlag in den »Auguries of Innocence« schrieb:

To see the World in a Grain of Sand,And a Heaven in a Wild Flower,Hold Infinity in the palm of your hand,And Eternity in an hour.
Die Welt sehn in einem Körnchen Sand,den Himmel in einem Blütenrund,die Unendlichkeit halten in der Hand,die Ewigkeit in einer Stund.                 
                        (Werke, Berlin 1958, S. 239)


Die Rolle der Genetik in der Psychologie

Alles, was man über das Lernen oder die Lernunfähigkeit eines Tiers sagen kann, hat Auswirkungen auf die genetische Zusammensetzung des Tiers. Und was hier über die Lernebenen gesagt wurde, hat Auswirkungen auf das gesamte Wechselspiel zwischen genetischer Zusammensetzung und den Veränderungen, die dieses Individuum vollbringen kann und muß.
Für jeden gegebenen Organismus gibt es eine obere Grenze, jenseits derer alles durch Genetik bestimmt ist. Planarien können wahrscheinlich nicht über Lernen I hinausgehen. Andere Säugetiere als der Mensch bringen es vermutlich bis zum Lernen II, sind aber nicht in der Lage, bis zum Lernen III zu gelangen. Menschen können manchmal Lernen III erreichen. Diese obere Grenze für jeden Organismus ist (logisch und mutmaßlich) durch genetische Phänomene gesetzt, vielleicht nicht durch einzelne Gene oder Genverbindungen, sondern durch alle Faktoren, die auch immer die Entwicklung grundlegender phyletischer Charakteristika beherrschen können.
Für jede Veränderung, deren ein Organismus fähig ist, gibt es die Tatsache dieser Fähigkeit. Diese Tatsache kann genetisch bestimmt sein; oder die Fähigkeit kann gelernt worden sein. Ist letzteres der Fall, dann kann die Genetik die Fähigkeit determiniert haben, diese Fähigkeit zu lernen. Und so weiter.
Das gilt im allgemeinen für alle somatischen Veränderungen wie auch für diejenigen Verhaltensänderungen, die wir als Lernen bezeichnen. Die Haut eines Menschen bräunt in der Sonne. Aber an welcher Stelle tritt die Genetik in dieses Bild? Bestimmt die Genetik vollständig seine Fähigkeit zu bräunen? Oder können einige Menschen ihre Fähigkeit zu bräunen erhöhen? In diesem Fall hätten die genetischen Faktoren offensichtlich eine Auswirkung auf einer höheren logischen Ebene.
Das Problem lautet im Hinblick auf irgendein Verhalten sicher nicht: »Ist es gelernt, oder ist es angeboren?«, sondern: »Bis zu welcher logischen Ebene ist Lernen effektiv, und bis zu welcher unteren Ebene spielt die Genetik eine bestimmende oder teilweise effektive Rolle ?«
Die Evolutionsgeschichte des Lernens scheint im wesentlichen ein langsames Zurückschieben des genetischen Determinismus auf Ebenen von höheren logischen Typen gewesen zu sein.


Eine Anmerkung über Hierarchien

Das in diesem Aufsatz diskutierte Modell geht stillschweigend davon aus, daß die logischen Typen in Form einer einfachen, unverzweigten Stufenleiter angeordnet werden können. Ich glaube, daß es klug war, mit den Problemen zu beginnen, die ein solches einfaches Modell aufwirft.
Aber die Welt des Handelns, der Erfahrung, der Organisation und des Lernens läßt sich nicht vollständig auf ein Modell abbilden, das Aussagen über die Relation zwischen Mengen von verschiedenen logischen Typen ausschließt.
Wenn M1 eine Menge von Aussagen ist, und M2 eine Menge von Aussagen über die Elemente von M1; dann ist M3 eine Menge von Aussagen über die Elemente von M2; wie aber sollen wir dann Aussagen über die Relation zwischen diesen Mengen klassifizieren? Beispielsweise kann die Aussage »Wie sich die Elemente von M1 zu den Elementen von M2 verhalten, so verhalten sich auch die Elemente von M2 zu den Elementen von M3« nicht innerhalb der unverzweigten Stufenleiter von Typen klassifiziert werden.
Dieser ganze Aufsatz stützt sich auf die Prämisse, daß die Relation zwischen M2 und M3 mit der zwischen M1 und M2 vergleichbar ist. Ich habe immer wieder Stellung für meine Stufenleiter von logischen Typen bezogen, um die Struktur dieser Stufenleiter zu diskutieren. Der Aufsatz ist daher selbst ein Beispiel für die Tatsache, daß die Stufenleiter nicht unverzweigt ist.
Es folgt, daß eine nächste Aufgabe darin bestehen wird, Beispiele für Lernen zu suchen, die zwar nicht im Rahmen meiner Lernhierarchie klassifiziert werden können, die aber doch als Lernen über die Relation zwischen Stufen der Hierarchie an den Rand dieser Hierarchie fallen. Ich habe an anderer Stelle (»Stil, Grazie und Information in der primitiven Kunst«) die Vermutung ausgesprochen, daß Kunst gewöhnlich mit Lernen dieser Art zu tun hat, d. h. mit der Überbrückung der Kluft zwischen den mehr oder weniger unbewußten Prämissen, die durch Lernen II erworben werden, und dem eher episodischen Inhalt des Bewußtseins und der unmittelbaren Handlung.
Es sollte auch angemerkt werden, daß die Struktur dieses Aufsatzes in dem Sinne induktiv ist, daß die Hierarchie von Lernebenen dem Leser von unten nach oben dargestellt wird, d. h. von der Ebene null zur Ebene III. Es war aber nicht die Absicht, die Erklärungen der Erscheinungswelt, die in dem Modell gegeben werden, in eine Richtung gehen zu lassen. Bei der Erklärung des Modells für den Leser mußte in einer Richtung vorgegangen werden, innerhalb des Modells wird jedoch angenommen, daß die höheren Ebenen niedrigere erklären und vice versa. Es wird auch unterstellt, daß eine ähnliche reflexive Relation – sowohl induktiv als auch deduktiv – zwischen Ideen und Lerneinheiten besteht, wie diese im Leben der von uns untersuchten Geschöpfe existieren.
Schließlich bleibt das Modell in dem Sinne mehrdeutig, daß nicht klar ist, ob zwischen getrennten Ebenen, d. h. zwischen Ebene III und Ebene I oder zwischen Ebene null und Ebene II, direkte erklärende Relationen existieren, obwohl doch behauptet wird, daß es zwischen Ideen aus benachbarten Ebenen sowohl nach oben als auch nach unten erklärende oder bestimmende Relationen gibt.
Diese Frage und die nach dem Status von Aussagen und Ideen, die der Hierarchie von Typen entsprechen, bleibt unerörtert.




[1] A. N. Whitehead und B. Russell, Principia Mathematica, 3 Bände, 2. Aufl., Cambridge, Cambridge University Press, 1910-1913.

[2] Es ist denkbar, daß dieselben Wörter verwendet werden könnten, um sowohl eine Klasse als auch deren Elemente zu beschreiben, und daß sie in beiden Fällen wahr sind. Das Wort »Welle« ist der Name einer Klasse von Bewegungen von Partikeln. Wir können auch sagen, daß sich die Welle selbst »bewegt«, aber wir werden uns auf die Bewegung einer Klasse von Bewegungen beziehen. Bei einer Brechung wird diese Metabewegung nicht an Geschwindigkeit verlieren, wie dies bei der Bewegung einer Partikel der Fall wäre.

[3] Die Newtonschen Gleichungen, welche die Bewegungen einer »Partikel« beschreiben, haben an der Ebene der »Beschleunigung« ihre Grenze. Veränderung der Beschleunigung kann nur unter Deformation des bewegten Körpers eintreten, aber die Newtonsche »Partikel« war nicht aus Teilen aufgebaut und daher (logisch) nicht der Deformation oder irgendeiner anderen inneren Veränderung fähig. Sie war daher nicht einem Maß der Veränderung von Beschleunigung unterworfen.

[4] G. Bateson, »Sozialplanung und der Begriff des Deutero-Lernens«, oben, S.219.

[5] H. E. Harlow, »The Formation of Learning Sets«, Psychol. Review, 1949, 56: 51-65.

[6] E. L. Hull et al., Mathematico-deductive Theory of Rote Learning, New Haven, Yale University, Institute of Human Relations, 1940.

[7] H. S, Liddell, »Reflex Method and Experimental Neurosis«, Personality and Behavior Disorders, New York, Ronald Press, 1944.

[8] G. Bateson et al., »Vorstudien zu einer Theorie der Schizophrenie«, oben, S. 270.

[9] J. Ruesch und G. Bateson, Communication: The Social Matrix of Psychiatry, New York, Norton, 1951.


aus Gregory Bateson, Ökologie des Geistes, Suhrkamp-Verlag, 2. Auflage, 1983,  S. 362 ff.



An Ecology of Mind, The Gregory Bateson Documentary (1) {2:13}
Hal Levin
Am 25.12.2010 veröffentlicht
Documentary of one of the great philosphers of the 20th Century, an epistemologist - anthropologist

Seeing Myself See: The Ecology of Mind {53:55}

UChannel
Am 07.08.2009 veröffentlicht
R Beau Lotto, Reader in neuroscience and head of Lottolab at University College London, talks about how colour, vision and seeing ourselves see can contribute to a richer, more empathetic view of nature and human nature.

Evolution of Mind and Brain {1:04:26}

The University of Arizona
Am 17.03.2010 veröffentlicht
Dr. Anna Dornhaus is Assistant Professor, Ecology and Evolutionary Biology at the University of Arizona. Her lecture was given on March 9, 2010, as part of the College of Science Mind and Brain Lecture Series. http://cos.arizona.edu/mind/
What does anybody need a brain for? Brains are energetically expensive to make and to use, and susceptible to making mistakes. Accordingly, not learning, i.e. sticking to an innate or random strategy, is often the best thing to do. Still, humans and other animals display sophisticated learning and cognition. Recent research shows that each animal has specific learning abilities and lacks others according to its environment and evolutionary history. Understanding what different brains are used for can help us understand why they evolved.

The Neuroscience of Consciousness {1:34:17}

The University of Melbourne
Am 28.11.2012 veröffentlicht
Baroness Susan Greenfield CBE, is a British scientist, writer, broadcaster and member of the House of Lords. Specialising in the physiology of the brain, Susan researches the impact of 21st century technologies on the mind, how the brain generates consciousness and novel approaches to neurodegenerative diseases such as Alzheimer's and Parkinson's.

Neuroscience and the Emerging Mind: A Conversation with the Dalai Lama {58:02}

University of California Television (UCTV)
Am 25.05.2012 veröffentlicht
(Visit: http://www.uctv.tv/dalai-lama for more video) His Holiness the Dalai Lama engages with Larry Hinman of the University of San Diego, V.S. Ramachandran of UC San Diego and Jennifer Thomas of San Diego State University in a scientific and philosophical discussion of human consciousness. This is the final event of the Dalai Lama's "Compassion Without Borders" tour sponsored by San Diego's three largest universities. Series: "Dalai Lama" [5/2012] [Humanities] [Science] [Show ID: 23653]

The Origin of the Human Mind: Brain Imaging and Evolution {57:16}

University of California Television (UCTV)
Am 22.01.2008 veröffentlicht
UCSD cognitive scientist Martin Sereno takes you on a captivating exploration of the brain's structure and function as revealed through investigations with new advanced imaging techniques and understandings of evolution. Series: "Grey Matters" [12/2005] [Science] [Show ID: 11186]

Secrets of The Human Brain - Flash Documentary {2:49:48}

Flash Documentary
Am 09.01.2015 veröffentlicht
Secrets of The Human Brain Flash Documentary 2013 2014 This documentary as well as all of the rest of these documentaries shown here are about important.
The Brain : Documentary on the Abilities of the Human Brain . 2013 This documentary as well as the rest of these documentaries shown here relate to important.
In Secrets of the Mind we gain insights through various tragedies that have affected others, thanks to the logic and insights of Professor Ramachandran regar.
Using simple analogies, real-life case studies, and state-of-the-art CGI, this special shows how the brain works, explains the frequent battle between instin.

Understanding the Brain: A work in progress - Professor Keith Kendrick {1:02:40}

Gresham College
Am 22.08.2011 veröffentlicht
How billions of interconnected cells in the brain can interpret and regulate all our bodily functions as well as mediate our experiences of interactions with and responses to the world around us is a huge and fascinating question that many different disciplines have attempted to tackle.
This lecture will consider what we have learned so far about the principles of neural encoding and how they may begin to explain our memories, emotions and conscious awareness.
The transcript and downloadable versions of the lecture are available from the Gresham College website:
http://www.gresham.ac.uk/lectures-and...
Gresham College has been giving free public lectures since 1597. This tradition continues today with all of our five or so public lectures a week being made available for free download from our website.
http://www.gresham.ac.uk

Why do we think? Human Brain is just a reactor and converter not a creator!!!!! {59:53}

LivingUg
Am 01.06.2013 veröffentlicht
Summary of this video is given below. For more details visit : www.8thsenseyoga.com

Brain is not involved in Thinking?
Every sense has different memory. Eyes has its own memory!
There is no such thing as "Totality of Memory".
Brain is not interested in translating any of the sensations!!
Demand for Permanent (Pleasure / Bliss) which our Nervous system cannot take!!
What we call Pleasure is Pain for the body
You can never separate yourself from totality of things around us?
Can you separate yourself from thought and look at thoughts? Not possible.
There is no Thoughts? What is there is only "About Thoughts"
What is separating is "Thoughts"
Body does not know it is alive ? Body does not know it is dead?
Heart does not know that it is pumping?
Instrument what we are having is Sensory organs.
Stimulus and response is unitary movement. Eyes does not know that sky is Blue.. Only reflection is sensed by Eyes.
Human Body is not different from the Light what we see..
Separation is the product of "Thought". With the help of knowledge, we separate... This is the cause of all problems of "Humanity"
Culture is the reason for our misery.
Instrument what we are using is "Thought" to achieve our goal... It can be permanent happiness, bliss etc..
It is very difficult to communicate the state of "Natural State"...