Mittwoch, 23. November 2011

Das Drama-Dreieck (ein Handlungsmodell aus der Transaktionsanalyse)



Drama-Dreieck

Die Vielzahl von Regeln, Vorschlägen und Hinweisen zeigt, wie verschlungen die Wege zu einer guten Gesprächsführung bisweilen sind. Da ist es auf eine Weise geradezu erleichternd, ein relativ überschaubares Kommunikationsmuster zu kennen, von dem man sicher weiß, daß es in jedem Fall in eine Sackgasse führt: das sogenannte Drama-Dreieck. Wie der Name sagt, geht es dort bisweilen sehr bewegt zu. Das allein wäre noch nichts Schlimmes, fühlten sich nicht am Ende alle Beteiligten irgendwie schlecht, ohne in dem aktuellen Konflikt wirklich vorangekommen zu sein.

Ein Beispiel:

Eine Familie (Mutter, Vater, 15jähriger Sohn) sitzt zu Tisch. Der Sohn kleckert.
Vater zum Sohn: „Wenn du dich nicht ordentlich benehmen kannst, dann iß in der Küche weiter.“ (Sohn senkt betroffen den Blick.)
Mutter zum Vater (heftig): „Das mußt ausgerechnet du sagen. Wenn ich da an letzten Samstag denke… also hacke nicht ständig auf meinem Sohn herum!“ (Vater räuspert sich peinlich berührt und schweigt.)
Sohn zur Mutter: „Vater hat es doch nicht so gemeint!“
Mutter zum Sohn (später in der Küche): „Na, dir werde ich nicht noch einmal beispringen gegen Vater. So wie du mir jedesmal in den Rücken fällst!“

In dieser Art der Kommunikation gibt es drei Rollen, die wir Verfolger, Opfer und Retter nennen. Bezogen auf unser Beispiel sieht das folgendermaßen aus:
Der Vater verfolgt den Sohn.
Der Sohn geht in die Opferroße.
Die Mutter rettet den Sohn, indem sie den Vater ihrerseits verfolgt.
Der Vater fühlt sich als Opfer.
Der Sohn rettet den Vater.
Die Mutter verfolgt den Sohn.

Im Drama-Dreieck kann man zu mehreren, zu zweit oder auch allein mit sich kommunizieren, indem man sich z.B. selbst beschimpft, sich klein und hilflos macht oder im Selbstmitleid versinkt.

Ein anderes Beispiel:
Nachdem ich mich den Tag über im Büro, in der Schule oder in der Beratungsstelle mit den Problemen anderer abgemüht, für sie gedacht und Verantwortung übernommen habe (Retter), schimpfe ich nach Feierabend im Bekanntenkreis über die ungeheuerliche Unselbständigkeit dieser Menschen (Verfolger), um schließlich abends im Bett darüber zu sinnieren, daß ich von allen nur ausgenutzt werde (Opfer).

Gesprächsverläufe der oben beschriebenen Art sind nahezu überall zu beobachten, wo Menschen zusammenkommen, im Familienkreis, unter Freunden und Bekannten sowie am Arbeitsplatz.

Wozu begeben sich Menschen ins Drama-Dreieck? Einen Schlüssel zu dieser Frage liegt in der Tatsache, daß im Drama-Dreieck eine Menge intensiver (letztlich meist negativer) Zuwendung ausgetauscht wird. Wir haben den Eindruck, daß Drama-Dreiecks-Situationen geradezu inszeniert werden, um nach Zeiten emotionaler Gleichförmigkeit in Teams oder Kollegien etwas „Leben in die Bude“ zu bringen. Sie stellen eine wirkungsvolle aber letztlich destruktive Art und Weise dar, den Stimulus-Hunger zu stillen. Entscheidend für das Zustandekommen einer Drama-Dreiecks-Situation ist, daß die Einladung, sich in eine der Rollen zu begehen, von den Betreffenden auch tatsächlich angenommen wird. Weise ich zum Beispiel gegenüber einem Verfolger die mir zugewiesene Opferrolle zurück, verweigere ich zugleich auch den Einstieg ins Drama-Dreieck.

Betrachten wir die drei Positionen einmal etwas genauer: Im Blick auf die Ichzustände wird deutlich, daß der Verfolger im wesentlichen sein kritisches Eltern-Ich (und gelegentlich auch das rebellische Kindheits-Ich) benutzt. Der Retter handelt aus einer überversorgenden und harmonisierenden Haltung des nährenden Eltern-Ichs heraus. Das Opfer befindet sich im angepaßten Kindheits-Ich.

Es fällt auf, daß innerhalb des Drama-Dreiecks der Gebrauch des Erwachsenen-Ichs vernachlässigt wird. Zwar nimmt man aus dieser Richtung bisweilen leise Warnungen wahr, und dumpf ahnt man auch bereits den vermutlichen Ausgang der Situation (denn man hat sie ähnlich bereits wiederholt erlebt), dennoch nimmt das Unheil seinen scheinbar unvermeidlichen Lauf.

In allen drei Rollen streben die Beteiligten nach symbiotischen Beziehungen. Sie beziehen ihr eigenes Selbstverständnis und ihre Existenzberechtigung aus dem Zusammentreffen mit den komplementären Positionen. Helfer und Opfer benötigen sich ebenso zur gegenseitigen Bestätigung wie Verfolger und Opfer bzw. Retter und Verfolger. Gemeinsame Voraussetzung ist eine getrübte Sicht der Wirklichkeit, die sich in einer Abwertung bzw. Übertreibung eigener oder fremder Stärken und Schwächen äußert. Der Verfolger denkt von sich, daß nur er recht hat (lch+), und die anderen unfähig sind (Du-). Der Retter stellt an sich selbst den Anspruch, alle Last der Welt – auch ungebeten – tragen zu müssen (und auch zu können!) sowie zu wissen, was für die anderen gut und richtig ist (Ich+). Diese anderen sind zwar lieb und nett, aber ohne ihn und seine Hilfe irgendwie nicht lebensfähig. Echte Unterstützung bestünde dagegen darin, Hilfesuchende mit ihren eigenen Fähigkeiten in Kontakt zu bringen mit dem Ziel größerer Unabhängigkeit (Hilfe zur Selbsthilfe). Das Opfer schließlich lebt in der festen Überzeugung eigener Hilflosigkeit und Unfähigkeit (Ich-). Die anderen sind dagegen stark und lebenstüchtig und sollen ihm bei der Lebensbewältigung helfen und Verantwortung übernehmen (Du+). Oder sie sind schuld am Elend des Opfers, weil sie so unbarmherzig und verständnislos sind (Du-). Mit ihrer abwertenden Kritik sind die anderen Menschen entweder völlig im Recht (die Retter), oder sie sind herzlos und gemein (die Verfolger).

So sind alle drei Positionen auf ihre Art im Denken, Fühlen und Verhallen durch ihren spezifischen Bezugsrahmen begrenzt und in ihrer eingeschränkten Sicht miteinander verstrickt.


Grafische Darstellung des Drama-Dreiecks:



Worin bestehen nun die Nutzeffekte einer solchen Rollenübernahme?
In der Helferrolle genießt man soziale Anerkennung und bekommt die Bewunderung des Opfers, ohne jedoch eine echte partnerschaftliche Nähe riskieren zu müssen. Dadurch, daß Retter in ihren Beziehungen Abhängigkeit erzeugen, besitzen sie ein hohes Maß an sozialer Kontrolle. Und solange es immer noch Menschen gibt, die es zu retten gilt, brauchen sie sich nicht mit ihren eigenen Problemen zu beschäftigen. Ihre Selbstlosigkeit führt allerdings oft dazu, daß sie sich schließlich tatsächlich selbst los sind. Sie glauben, sich erst dann gute Gefühle gestatten zu dürfen, wenn sie es geschafft haben, daß es allen anderen gut geht – ein unrealistischer Anspruch. Wenn sie meinen, das erreicht zu haben, geht es ihnen wiederum schlecht, weil sie keine innere Erlaubnis haben, an sich selbst zu denken. Darin besteht die eigentliche Tragik der Retter. Oft sind sie erst dann in der Lage, Zuwendung anzunehmen, wenn sie sehr viele Vorleistungen durch Retten erbracht haben, manchmal sogar erst nach einem physischen oder psychischen Zusammenbruch. Nichts schuldig zu bleiben ist ihnen ein wichtiges Grundprinzip.

Menschen in der Opferrolle dagegen bekommen ohne große Anstrengung reichlich positive und negative Zuwendung: einerseits Hilfe und Zuspruch durch den Helfer und andererseits Tritte und Demütigungen vom Verfolger. Dafür wenden sie selbst nur ein Minimum an eigener Aktivität auf. So braucht man in dieser Rolle keinerlei Verantwortung zu übernehme und kann unbewußt der Devise folgen: „Ich muß mich nur recht klein und hilflos machen, mich abwerten und alle Schuld auf mich nehmen, dann werden mir die anderen geben, was ich zum in Leben brauche.“

Aus der Verfolgerrolle heraus streben Menschen vor allem nach Kontrolle über andere und können auf diese Weise Prozesse beeinflussen bzw. dominieren. Was Zuwendung betrifft, so sind Verfolger allerdings mit Abstand am schlechtesten dran. Im günstigsten Fall genießen sie bei anderen Respekt. Oft schmeichelt man ihnen, um nicht verfolgt zu werden. Tief in ihrem Inneren schlummert jedoch die Überzeugung, daß die anderen sie nicht um ihrer selbst willen lieben. Sie glauben, andere Menschen nur dann halten zu können, wenn sie sie kontrollieren und in Abhängigkeit halten. In dieser Überzeugung besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu den Rettern, die aus ihrer Biographie heraus jedoch zu anderen Schlußfolgerungen kommen. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, daß sich Retter und Verfolger auf einer tieferen Ebene nicht in Ordnung fühlen.

Diese inneren Ambivalenzen führen nicht selten dazu, daß bei vielen Menschen die nach außen präsentierte Rolle und die zugrundeliegende psychologische Motivation ganz verschieden sind. Denken Sie zum Beispiel an den Retter, der aus Angst vor Auseinandersetzung und Konflikten aus dem angepaßten Kindheits-Ich heraus nach Harmonisierung strebt. („Ich habe dem anderen nicht gesagt, was in mir vorging, weil ich ihn nicht verletzen wollte“.) Oder an den Verfolger, der keine Schwäche zeigt, weil sein angepaßtes Kindheits-Ich fürchtet, dadurch als gesamte Person in Frage gestellt zu sein. Oder an das Opfer, das anderen (viel zu oft erfolgreich) Schuldgefühle zu machen versucht, indem es sie heimlich verfolgt („Ich fühle mich ganz schlecht, und du bist schuld!“) und dabei seine Macht genießt. Man sieht also, daß auch Retter und Verfolger gewissermaßen „mit ein Bein im Opfer stehen“. Daraus erklärt sich auch die Häufigkeit, mit der sich letztendlich alle Beteiligten mehr oder weniger in Opfergefühlen wiederfinden.

Es wäre allerdings abwegig, wollte man an jedes Setzen von Grenzen als Verfolger-Verhalten verdächtigen, jede Suche nach Unterstützung als Opfer-Allüre zurückweisen und jede Form von Hilfe als Retter-Gehabe diffamieren. Leicht zu erkennen als Einladungen in das Drama-Dreieck sind alle Aussagen, die mit den Worten immer, keiner, jedesmal, alle, nie, total etc. beginnen (Nie hilfst du mir! Jedesmal kommst du zu spät! Immer mache ich alles falsch! etc.). Indem ich diese Art der Abwertung zurückweise, vermeide ich einen Einstieg in das Drama-Dreieck.


Anregungen zur Selbstreflexion:

Erinnern Sie sich an eine Situation, in der alles drunter und drüber ging:
- Wer hat dabei aus welchen Rollen agiert?
- Wodurch wurde das eingeleitet?
- Haben Sie selbst dabei einen Part übernommen?
- Welche Positionen bevorzugen Sie selbst in solchen Situationen?
- Wie geht es Ihnen damit?
- Was haben Sie davon?
aus Gührs, Nowak, Das konstruktive Gespräch, S. 84 f.

siehe auch:
- Transaktionsanalyse (Wikipedia)
- Triangulation (Kira Cossa, Töchter narzißtischer Mütter Link funktioniert nicht mehr)
- „Spiele der Erwachsenen“ Grundlagen der Transaktionsanalyse: Eric Berne (Remotivation.de)
- Manipulative Spiele (Einblicke e.V.)
Buch und Rezensionen:
- Spiele der Erwachsenen: Psychologie der menschlichen Beziehungen (Amazon)

erweitert am 29.03.2018


Mittwoch, 16. November 2011

Psychisch Kranke brauchen mehr Therapieplätze

BPtK fordert Nachbesserungen am GKV-Versorgungsstrukturgesetz

Berlin, 22. September 2011: Nur zehn Prozent der psychisch kranken Menschen in Deutschland erhalten eine angemessene Behandlung. „Der Gesetzgeber sollte dringend mehr Therapieplätze für psychisch kranke Menschen schaffen“, fordert Prof. Dr. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), anlässlich des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes, das morgen im Deutschen Bundestag beraten wird.

Im Jahr 2010 wurden in Deutschland insgesamt rund eine Million Menschen ambulant psychotherapeutisch behandelt. Nach dem Bundesgesundheitssurvey erkranken jedoch pro Jahr ca. fünf Millionen Menschen so schwer, dass sie mindestens vier Wochen krankgeschrieben werden. „Die Therapieplätze reichen bei Weitem nicht aus, um seelisch massiv beeinträchtigte Menschen zu behandeln“, stellt BPtK-Präsident Richter fest.

Die Wartezeiten für psychisch kranke Menschen sind deutlich länger als für körperlich Kranke. Nur drei Prozent der Patienten warten bei einem Hausarzt länger als drei Wochen auf einen Termin, bei Fachärzten etwa 20 Prozent. Bei Psychotherapeuten warten jedoch zwei von drei Patienten in den Städten (64 Prozent), vier von fünf Patienten auf dem Land (80 Prozent) und neun von zehn Patienten im Ruhrgebiet (88 Prozent) mehr als drei Wochen auf ein erstes Gespräch beim Psychotherapeuten. „Länger als drei Wochen sollten auch psychisch kranke Menschen nicht auf eine Behandlung warten müssen“, fordert der BPtK-Präsident.

Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz droht sogar eine weitere Verlängerung der Wartezeiten. Weil es rein rechnerisch in Deutschland zu viele Psychotherapeuten gibt, könnten schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes rund 2.000 Praxen abgebaut werden. „Die amtlichen Kennzahlen aus dem Jahr 1999, die festlegen, wie viele Psychotherapeuten sich wo in Deutschland niederlassen dürfen, haben nichts damit zu tun, wie hüufig Menschen psychisch erkranken. Der tatsächliche Bedarf an Therapieplätzen wird durch diese veralteten Kennzahlen massiv unterschätzt“, kritisiert Richter. „Wir brauchen dringend eine aktualisierte Bedarfsplanung, die die Zahl der notwendigen ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen anhand der Häufigkeit und der Schwere körperlicher oder seelischer Erkrankungen festlegt.“

Psychische Krisen sind alltäglich. An einer seelischen Erkrankung leidet in Deutschland immerhin jeder dritte Bundesbürger innerhalb eines Jahres, während seines gesamten Lebens jeder zweite. „Wenn man bedenkt, wie häufig Menschen an relativ robusten Organen erkranken, ist es nicht überraschend, dass Erkrankungen des Gehirns, einem der komplexesten Organe, relativ häufig sind. Es ist belegt, dass aufgrund der Anforderungen unserer Dienstleistungsgesellschaft immer mehr Menschen immer häufiger Hilfe wegen psychischer Erkrankungen suchen“, stellt BPtK-Präsident Richter fest. „Für diese Patienten stehen jedoch im deutschen Gesundheitssystem die notwendigen Therapieplätze und Mittel nicht zur Verfügung. Große Unternehmen haben auf diesen Missstand längst reagiert und bezahlen ihren Betriebsangehörigen kurzfristige und niederschwellige Versorgungsangebote außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Kleine und mittelständische Unternehmen sind da benachteiligt, obwohl sie von den langen Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen nicht minder betroffen sind.“

Die Ausgaben für die ambulante psychotherapeutische Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung betragen im Jahr rund 1,3 Milliarden Euro. Für die ambulante ärztliche Versorgung werden dagegen rund 25 Milliarden Euro jährlich ausgegeben. Auch die Kosten für Psychopharmaka liegen mit 2,5 Milliarden Euro fast doppelt so hoch wie die Ausgaben für Psychotherapie. Selbst die Kosten für Krankengeld, das die Krankenkassen arbeitsunfähigen Arbeitnehmern aufgrund psychischer Erkrankungen zahlen, sind höher und betragen zwei Milliarden Euro.

„Jeder Euro in ambulante Psychotherapie rechnet sich“, betont Richter. Nach einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse führt jeder Euro, der in eine ambulante Psychotherapie investiert wird, innerhalb eines Jahres zu einer Einsparung von zwei bis drei Euro der direkten Krankheitskosten. Durch ausreichende ambulante Therapieangebote ließen sich insbesondere stationäre Behandlungen vermeiden. Die BARMER GEK beklagte in ihrem Krankenhaus-Report 2011 zu Recht, dass sich die Anzahl der Patienten, die sich in den vergangenen Jahren aufgrund psychischer Erkrankungen in einer Klinik behandeln ließ, mehr als verdoppelt hat.

Quelle: Presseerklärung BPtK, Kay Funke-Kaiser, 21.09.11

Dienstag, 15. November 2011

Neue Töne von Lauterbach: GOÄ für alle Patienten und keine Honorarkürzungen

Entbürokratisierung, mehr Kostenerstattung und finanzielle Sicherheit für Arztpraxen: Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Prof. Karl Lauterbach, offenbarte in einer aktuellen Diskussion mit KVB-Vorstandsmitglied Dr. Ilka Enger in München überraschend neue Ansichten.

„Das Durchschnittseinkommen der deutschen Ärzteschaft bewegt sich im Korridor dessen, was ich für vernünftig halte. Ich plädiere nicht für eine Senkung der Einkünfte“, erläuterte Lauterbach auf Engers Frage, ob er glaube, dass die Ärzte in Deutschland zu viel verdienten. Es sei im Gegenteil sogar der Meinung, dass bestimmte Arztgruppen zu wenig verdienten.

„Dazu zählen zum Beispiel Hausärzte, Kinderärzte, zum Teil auch Psychotherapeuten, Ärzte, die in Problemregionen arbeiten, auch Fachärzte, die zum Beispiel in ländlichen Gebieten arbeiten – die also auch mit hohen Arbeitszeiten nicht das erwirtschaften, was woanders möglich wäre“, betonte der Gesundheitspolitiker in dem Gespräch, das in der neuen Ausgabe der KV-Zeitschrift „KVB-Forum“ veröffentlicht wird.

Quelle und weiter: www.facharzt.de/content/red.otx/187,110941,0.html, 27.9.11

Montag, 14. November 2011

Erogene Zonen…

Durch Zufall wieder gefunden:






Sonntag, 13. November 2011

Patienten und Psychotherapeuten auf dem Prüfstand – Wie kommt es überhaupt dazu?

Die Psychotherapie muss in einer organmedizinisch ausgerichteten Gesundheitsversorgung ihren Platz stets in besonderer Weise erkämpfen und behaupten. Erstmals 1966 gelang es aufgrund der wegweisenden Arbeiten von Dührssen und Jorswieck die Wirtschaftlichkeit und Nützlichkeit psychotherapeutischer Behandlung nachzuweisen. Daraufhin wurde Psychotherapie als Kassenleistung in Deutschland eingeführt. Behandler waren zunächst nur ärztliche Psychotherapeuten und dann auch wegen verstärkter Bedarfsnachfrage – mit Hilfe ärztlicher Delegation – entsprechend qualifizierte Psychologen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten.
Gleich zu Beginn wurden als Regelwerk die „Psychotherapierichtlinien“ entwickelt, nach denen Psychotherapie nur auf Antrag und eine Langzeittherapie nur nach Einschalten eines Gutachters und einer anschließenden Genehmigung durch die Krankenkasse durchgeführt werden konnte. Bis heute verfasst jeder Psychotherapeut über seine Patienten einen ausführlichen anonymisierten Bericht an einen psychotherapeutischen Gutachter, indem er die Problematik und Symptomatik des jeweiligen Patienten, seine Krankheitsgenese, die verhaltenspsychologischen oder psychodynamischen Bedingtheiten der Erkrankung sowie den Behandlungsplan und die Prognose ausführlich auf 3 bis 5 Seiten darlegt.

Zunächst galten als hier zugelassene Psychotherapieverfahren nur die „tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“ und die „analytische Psychotherapie“, später kam dann die „Verhaltenstherapie“ dazu. Die beantragten Therapien werden jeweils nur für bestimmte Sitzungskontingente genehmigt, beispielsweise für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bis zur 25. Sitzung, dann bis zur 50. und 80., in Ausnahmefällen bis zur 100. Sitzung – jeder Verlängerungsschritt erfordert ein erneutes Gutachterverfahren. Bei der analytischen Psychotherapie liegt die maximale Obergrenze bei 300 Std., wobei eine solche Therapie dann bei 2 oder 3 Wochenstunden mehrere Jahre dauern kann. Damit war und ist die Psychotherapie eine der wenigen medizinischen Maßnahmen, die schon vorab einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen wird.

Da die Behandlungskapazitäten einschließlich der im Delegationsverfahren tätigen Psychotherapeuten aber bei weitem nicht ausreichten, entstand außerhalb des KV- Systems daneben die so genannte „Erstattungs-Psychotherapie“, die die Kassen zusätzlich und meist sogar besser bezahlte, als die Psychotherapie im Delegationsverfahren und die sich aufgrund des wachsenden Bedarfs immer mehr ausweitete. Dieser Missstand wurde dann durch das Psychotherapeutengesetz 1999 beseitigt, durch das entsprechend qualifizierte Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten voll zugelassene Behandler und Mitglieder der kassenärztlichen Vereinigungen werden konnten.
Obwohl schon zu Zeiten der Delegationspsychotherapie die Psychotherapeuten – unter Vorreiterrolle des bvvp – in den KVen vor Gericht für angemessene Honorare kämpfen mussten und letztlich vor dem Bundessozialgericht gewannen, ging der Streit um das Geld in den KVen nach der Integration erst richtig los: Die zwangsweise in das System integrierten Erstattungsbehandler brachten aufgrund politischer Vorgaben leider zu wenig Geld mit. (Auch hier hat der bvvp früh gewarnt, wurde aber nicht gehört.) Das ist u.a. ein Grund, warum die Psychotherapeuten bis heute noch immer keine angemessene Stundenhonorierung in der GKV erreichen konnten, die es z.B. einem durchschnittlich ausgelasteten Psychotherapeuten ermöglicht, ungefähr so viel zu verdienen, wie ein durchschnittlich ausgelasteter Organmediziner.

Auch heute noch blühen Vorstellungen und Vorurteile gegenüber Psychotherapeuten, ihre Patienten seien gar nicht richtig krank, und die Behandler würden ihr Geld mit letztlich nicht notwendigen Gesprächen leicht verdienen. Und dazu passend verbreiten Funktionäre der anderen Arztgruppen im KV-System die Mär, dass die Psychotherapeuten ihnen Geld wegnähmen.

Auch Krankenkassen wünschen sich regelhaft mehr Kontrolle über das, was in der psychotherapeutischen Versorgung passiert und vermuten, dass v.a. an der Langzeittherapie gespart werden könne. Sie beklagen weiter z.T. angebliche regionale Überversorgung, würden gern die Versorgung umlenken zu mehr Kurzzeitbehandlung auf Kosten von Langzeittherapien und sehen das Gutachterverfahren als uneffektiv an, weil doch die allermeisten Therapieanträge von den Gutachtern befürwortet würden. Dabei wird jedoch stets ausgeblendet, dass Behandlungsindikation und Bericht an den Gutachter von hoch qualifizierten Psychotherapeuten erstellt werden, so dass gerade das Gutachterverfahren für Qualität sorgt, indem unzureichend begründbare Anträge gar nicht erst gestellt werden.

Diese Zweifel am Nutzen und der Wirtschaftlichkeit der Psychotherapie und am Sinn des Gutachterverfahrens sind der Hintergrund des auf unserem bvvp-Symposium zu diskutierenden „TK-Modellprojekts“. Die Techniker Krankenkasse (TK) wollte mit diesem Modell prüfen, ob sich nicht bessere Methoden finden lassen, die Nützlichkeit und Notwendigkeit von Psychotherapie bzw. ihrer Fortsetzung zu prüfen. Die kaum verheimlichte Erwartung der TK war, dass sich mit computergestütztem Qualitätsmonitoring Therapien verkürzen oder sogar verhindern lassen, weil das Gutachterverfahren weder evidenzbasiert noch objektiv, dafür aber teuer, umständlich und insgesamt völlig überholt sei. Genau dieser Nachweis ist aber nicht gelungen. Darüber hinaus wurde aber schlagend bewiesen, dass mit Psychotherapie psychisch schwer kranke Patienten behandelt und geheilt werden können und dass die Psychotherapie-Anwendung ökonomisch sehr sinnvoll ist.
Quelle: bvvp: Dr. F.R. Deister, 15.08.11