Donnerstag, 10. April 2008

Der gelbe Teufel

Vor ungefähr zweihundert Jahren ging einmal ein Herr, der nicht weit von hier allein in einem großen Haus wohnte, auf den Markt und sah dort einen Teufel in einem Käfig. Es war ein Teufel mit Schwanz, gelbem Fell und zwei langen, scharfen Fangzähnen. Er war ungefähr so groß wie ein kräftiger Hund. Der Teufel hockte ruhig in seinem Käfig aus starkem Bambusrohr und nagte an einem Knochen. Neben dem Käfig stand ein Marktverkäufer, und der Herr fragte ihn, ob der Teufel zu kaufen sei.
„Aber ja”, sagte der Händler, „sonst wäre ich ja nicht hier. Das ist ein vortrefflicher Teufel. Er ist stark und fleißig und kann alles, was Ihr von ihm verlangt. Er versteht zu zimmern, er ist ein guter Gärtner, er kann kochen, flicken, Holz hacken, vorlesen, und was er nicht kann, das kann er lernen. Und ich verlange nicht viel dafür. Wenn Ihr mir 5o ooo Yen gebt, gehört er Euch.“
Der Herr handelte nicht und zahlte bar, denn er wollte den Teufel sofort mit nach Hause nehmen.
„Einen Augenblick”, sagte der Händler. „Weil Ihr nicht mit mir gefeilscht habt, will ich Euch etwas sagen. Schaut, er ist natürlich ein Teufel, und Teufel sind schlecht, das ist ja bekannt.“
„Und du hast gesagt, er sei ein vortrefflicher Teufel”, sagte der Herr empört.
„Jaja”, sagte der Händler, „und das stimmt auch. Er ist ein vortrefflicher Teufel, aber er ist schlecht. Er wird ewig ein Teufel bleiben. Ihr könnt an ihm viel Freude haben, aber nur unter einer Bedingung: Ihr müßt ihn die ganze Zeit beschäftigen, jeden Tag müßt Ihr ihm sein Tagewerk aufgeben: Von dann bis dann mußt du Holz hacken, dann mußt du zu kochen anfangen, nach dem Essen kannst du dich eine halbe Stunde ausruhen, aber du mußt dich wirklich hinlegen und entspannen, und danach kannst du den Garten umgraben, und so weiter. Wenn er frei hat, wenn er nicht weiß, was er tun soll, dann ist er gefährlich.“
„Wenn's nicht mehr ist”, sagte der Herr und nahm den Teufel mit. Und alles verlief nach Wunsch. Jeden Morgen rief der Herr den Teufel zu sich; der Teufel kniete gehorsam nieder, der Herr gab ihm sein Tagewerk auf, und der Teufel machte sich an die Arbeit und schuftete den ganzen Tag. Wenn er nicht arbeitete, ruhte oder spielte er, aber stets befolgte er die Befehle.
Dann, einige Monate später, traf der Herr in der Stadt einen alten Freund, und über der Freude des unverhofften Wiedersehens mit seinem früheren Gefährten vergaß er alles andere. Er nahm den Freund mit in ein Wirthaus, beide tranken Sake, einen kleinen Steinkrug nach dem anderen, dann aßen sie ein gutes Mahl und tranken noch mehr, und schließlich landeten sie im Weidenviertel, Die Frauen hielten die beiden Freunde beschäftigt, und spät am nächsten Morgen wachte der Herr in einer fremden Kammer auf. Zuerst wußte er nicht, wo er war, aber allmählich dämmerte ihm alles, und sein Teufel fiel ihm wieder ein. Sein Freund war gegangen. Er bezahlte die Frauen, die auf einmal ganz anders aussahen, als er sie vom vergangenen Abend in Erinnerung hatte, und eilte nach Hause. Als er an seinem Garten ankam, roch er Feuer und sah Rauch aus der Küche aufsteigen. Er stürmte ins Haus und sah den Teufel auf dem Holzfußboden der Küche sitzen. Er hatte ein offenes Feuer entfacht und röstete das Nachbarskind an einem Spieß.

aus Janwillem van de Wetering, Der leere Spiegel

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