Dämonen aus der Stille
Meditation kann die Gesundheit fördern. Doch über mögliche Risiken und Nebenwirkungen ist bislang wenig bekannt.
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Von Andrea Teupke
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ine Freundin hatte ihr den Kurs
empfohlen: »Christliche Kontemplation«, zehn Tage lang meditieren und
schweigen. Die Wirkung des Sitzens in der Stille war »unglaublich intensv«
erinnert sich Karen Förster (Name von der Redaktion geändert): Schon nach
wenigen Tagen des Übens empfand sie tiefe Glücksgefühle, nahm wahr, wie
Lebensenergie sie durchströmte, fühlte sich gehalten und geborgen. Diese
Energie trug sie auch nach dem Kurs durch den Alltag: »Ein halbes Jahr lang war
ich total glücklich«, sagt die Fünfzigjährige, »ich hatte das Gefühl, etwas
gefunden zu haben, das mir vorher verschlossen war.«
Doch die Reise in die Stille
endete nicht im Paradies. Beim Sitzen auf dem Meditationskissen begegneten ihr
auch düstere und furchteinflößende Visionen. Zunehmend wurde sie überschwemmt
von gewalttätigen Bildern, die sich immer schwerer abschütteln ließen. Nach
einem halben Jahr, in dem Karen Förster regelmäßig übte, blieben die
Glücksgefühle ganz aus. Stattdessen spürte sie eine starke innere Unruhe, auch
im Alltag überfielen sie unrealistische Ängste. Durch das Meditieren seien
»Kästen aufgegangen, die vorher gut verschnürt waren«, sagt Karen Förster.
Rückblickend stellt sie fest: »Ich bin in eine richtig depressive Stimmung
geraten.«
Die
positiven Wirkungen werden intensiv beforscht. Kann Meditation schaden?
Kann sie Gesunde krank und Kranke kränker machen? Ulrich Ott, Psychologe am
Bender Institute of Neuroimaging der Universität Gießen, stellte diese Frage
auf dem Kongress »Wissenschaft und Meditation«, zu dem die Identity Foundation
und die Oberberg Stiftung kürzlich nach Berlin eingeladen hatten.
Vor mehr als 420 Teilnehmern
stellten dort Mediziner, Psychologen und Hirnforscher aktuelle Ergebnisse aus
der Meditationsforschung vor. Während die positiven Auswirkungen des
Mentaltrainings mittlerweile intensiv beforscht werden, gibt es zu den Risiken
und Ne.benwirkungen kaum Studien. Die Forschungslage sei dünn, sagt Ott – obwohl das Interesse an Meditation, Yoga
und Entspannung stetig wächst.
Nicht immer ist es die Sehnsucht
nach Transzendenz oder religiöser Erfahrung, die Menschen dazu veranlasst, eine
Meditationstechnik zu erlernen; häufig sind die Gründe sehr viel profaner, etwa
der Wunsch nach Entspannung oder mehr Gelassenheit im Alltag. Doch auch
psychisch belastete Menschen wenden sich zunehmend der Meditation zu, weil sie
sich von ihr Hilfe erhoffen.
Genährt wird diese Hoffnung auch
durch die vielen guten Nachrichten der Wissenschaftler. So stellte in Berlin
unter anderem Richard Davidson, einer der führenden amerikanischen Forscher auf
diesem Gebiet eine ganze Reihe positiver Auswirkungen vor: Meditieren kann den
Blutdruck senken, es führt dazu, dass Entzündungen schneller heilen, es stärkt
das Immunsystem, es kann Depressionen vorbeugen und die Stress- Resilienz
stärken – Meditation vermag anscheinend in vielen Fällen, Kranke gesund und
Gesunde noch gesünder zu machen.
Allheilmittel Meditation? Vor
einem allzu naiven Vertrauen warnt Hans Förstl, Direktor der Münchner Klinikfür
Psychiatrie und Psychotherapie rechts der Isar. Schließlich hätten manche
Wahrnehmungsveränderungen während einer Meditation durchaus Ähnlichkeiten mit
den Symptomen einer Psychose, berichtete er in einem launigen Vortrag, der bei
den Kongress-Teilnehmern teilweise Gelächter, teilweise Empörung auslöste. In
den 1970er-Jahren, als die Transzendentale Meditation aufkam, seien regelmäßig
Menschen in der Psychiatrie gelandet bei denen das Mantramurmeln psychotische
Zustände ausgelöst hatte.
Über
»die dunkle Nacht der Seele« ist wenig bekannt. »Limitierte
Experimentalpsychosen mögen für aufgeregte und erschöpfte Menschen mit
Befindlichkeitsstörungen ergötzlich sein«, sagt der Psychiater, geradezu
gefährlich könne Meditation bei schwerwiegenden Erkrankungen sein, wo es darum
gehe, »einen tragfähigen Kontakt mit der Lebenswirklichkeit herzustellen und
nicht davor zu fliehen«.
Woran es liegt dass Meditation
vielen hilft und manchen unangenehme Erfahrungen beschert ist bisher kaum
geklärt. Ulrich Ott einer der führenden Meditationsforscher Deutschlands, sieht
hier »erheblichen Forschungsbedarf«. Bisher seien lediglich Einzelfälle
beschrieben worden, systematische Studien fehlten völlig.
Einen ersten Schritt hat die
amerikanische Forscherin Willoughby Britton getan. Für das »Dark Night Project«
hat sie führende amerikanische Meditationslehrer verschiedener Richtungen nach
ihren Erfahrungen befragt. Die ersten Ergebnisse dieser Untersuchung geben zu
denken:
Symptome wie Schlaflosigkeit,
Angst Gefühlsschwankungen bis hin zum Wiederauftauchen traumatischer Erlebnisse
wurden genannt. Berichtet wurde von Veränderungen der Wahrnehmung, vom Verlust
des Selbstgefühls, aber auch von beruflichen und sozialen Beeinträchtigungen.
Offensichtlich kann die Arbeit am Bewusstsein Geister wecken, die man nicht so
leicht wieder los wird: Die Symptome könnten jahrelang anhalten und die
Betroffenen beeinträchtigen, sagt Ott, der nun in Gießen ein ähnliches
Forschungsprojekt für Deutschland anstoßen will.
Unangenehme Erfahrungen auf dem
Meditationsweg können ein Warnsignal sein, sich lieber einer anderen
spirituellen Praxis zuzuwenden – sie können aber auch Symptom einer notwendigen
persönlichen Krise sein. Die Unterscheidung im Einzelfall ist unter Umständen
schwierig. Umso wichtiger wäre deshalb eine fundierte Ausbildung der
Meditationslehrerinnen und -lehrer. Derzeit kann sich jeder auf dem Markt
tummeln und entsprechende Kurse anbieten. Michael Utsch von der Evangelischen
Zentralstelle für Weltanschauungsfragen fordert deshalb dringend in diesem
Bereich Qualitätsmanagement Ausbildungsordnungen und vor allem Supervision.
Immerhin: Manche Anbieter werden
sich mittlerweile ihrer Verantwortung bewusst. So hat etwa der Dachverband
Freie Gesundheitsberufe Qualitätsrichtlinien entwickelt die nun in den
einzelnen Mitgliedsverbänden implementiert werden. »Es reicht nicht dass man
einfach mal ein tolles Buch gelesen hat«, sagt Ulrike Reiche vom Vorstand des
Dachverbandes. Die Berufsordnung ihres Verbandes sieht unter anderem
regelmäßige Supervision und Weiterbildung vor. Reiche ist Kundalini-
Yogalehrerin und setzt sich seit Jahren für einen intensiven Austausch zwischen
Meditationslehrern auf der einen und Psychotherapeuten und Psychiatern auf der
anderen Seite ein. »Man muss wissen, was man tut und was man lieber lässt«,
sagt Reiche, die selbst schon Klienten an Psychotherapeuten vermittelt hat.
Karen Förster war lange ratlos, an
wen sie sich wenden sollte. Ihr Meditationslehrer empfahl lediglich,
weiterzuüben: Sie solle da »hindurchgehen« und »das Leiden zulassen und
anschauen«. Auf die Idee, ihr eine Psychotherapie zu empfehlen, kam er nicht – und
sie selbst zunächst auch nicht. »Ich hatte keine Hoffnung, dass mir mit diesem
Zeug jemand helfen kann«, sagt sie heute, es war »als würde ich in einer
Parallelwelt leben«.
Für solche Fälle wäre eine
Vernetzung ideal, wie sie in Einzelfällen bereits stattfindet. So berichtet
Ulrich Ott von einem Zen – Lehrer, der bei mehrwöchigen Kursen mit einem
meditationserfahrenen Psychiater zusammenarbeitet um bei auftauchenden
Schwierigkeiten besser eingreifen und beraten zu können.
»In meinem Fall hätte eine solche
Vernetzung den Prozess erleichtern und abkürzen können«, sagt Karen Förster.
Die furchterregenden Bilder verfolgen sie nicht mehr, dank einer
Psychotherapie. Sie meditiert schon länger nicht mehr: »Das schweigende Sitzen
in der Gruppe tut mir nicht gut«, sagt sie. Trotzdem will sie die Erfahrung mit
der Meditation nicht missen. »Das hat für mich alles Sinn gemacht« und das
Vertrauen, »dass mich etwas stützt und trägt«, hat sie heute noch.
aus Publik-Forum 24/2012
Ich habe fünf Jahre lang eine christliche Meditationsform geübt und leide seit 24 Jahren immer wieder unter Ängsten und Depressionen. Die Neurowissenschaftlerin Willoughby Britton stellt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu den Risiken von Meditation in einem sehr interessanten Interview (Podcast) vor:
AntwortenLöschenTeil 1: http://www.buddhistgeeks.com/2011/09/bg-231-the-dark-side-of-dharma/
Teil 2: http://www.buddhistgeeks.com/2011/09/bg-232-the-dark-night-project/
Es ist an der Zeit, dass sich Wissenschaftler und Anbieter von Meditation mehr mit den Risiken befassen.
Es hat ein Jahr gedauert, bis ich gemerkt habe, daß jemand einen Kommentar verfaßt hat.
AntwortenLöschensiehe:
- http://roths-psychoblog.blogspot.de/2016/10/was-tue-ich-gerade-jetzt.html
- http://roths-psychoblog.blogspot.de/2016/04/den-geeigneten-meditationssitz-finden.html
- http://roths-psychoblog.blogspot.de/2014/11/kritik-am-buddhistischen-umgang-mit-den.html
Der Spruch lautet: Wahrnehmen – Anhalten – Aushalten – Annehmen
Beim Anhalten, Aushalten, Annehmen (»Ja, im Moment ist das so!«) kann die erlernte Meditationstechnik helfen.