Mittwoch, 7. März 2018

Meditation: Geistesruhe und Einsicht

Dank fortgesetzter Meditation wird der Geist unabgelenkter, ruhiger und klarer, und damit zu einem immer präziseren Instrument, mit dem wir diese Fragen erforschen können. Es ist, als würde uns ein immer besseres Mikroskop zum Untersuchen feiner Vorgänge zur Verfügung gestellt. Aber auch wenn der Geist ruhig und klar wird, hören wir nicht auf zu studieren, zu kontemplieren und zu forschen, sondern nutzen jedes bisschen zusätzliche Klarheit, um genauer hinzuschauen.
Buddhistische Meditation ist immer Weisheitsmeditation. Es geht nicht nur um Geistesruhe, sondern darum, dass wir uns befreien. Befreiung geschieht durch einen Prozess des Verstehens, in dem irrige Annahmen über die Wirklichkeit losgelassen werden und sich das zeigt, was vorher nicht gesehen wurde. Dabei gibt es keine Trennung zwischen Geistesruhe und Einsichtsmeditation.
Buddha Sākyamuni beschreibt in wichtigen Lehrreden zum Kultivieren von Gewahrsein (Satipatthāna- und Änāpānasati-Sutta) einen Prozess, wo zunächst das Beruhigen des Geistes betont wird und der ruhige Geist dann allmählich ins forschende Schauen gelenkt wird, um Einsicht zu entwickeln. In diesem Prozess erleben wir gleitende Übergänge zwischen Ruhe und Einsicht. Bereits die erste der vier Übungen in Achtsamkeit, wo die Körperwahrnehmung im Mittelpunkt steht, ist eine Gewahrseinsübung, die auch dem Entwickeln von Einsicht dient. Dies gilt umso mehr für die Meditation auf Empfindungen (geistige Gestaltungen), Geist an sich und Dharmas (Gesetzmäßigkeiten): Sie alle dienen dem Entwickeln von Einsicht. Spätere Kommentatoren haben dann zunehmend die Geistesruhe von der Einsichtsmeditation abgegrenzt, was vielleicht didaktische Vorteile hat.
Doch immer wieder gab es Meister, die gegen solch eine Abgrenzung protestiert haben, in allen Traditionen. Ich komme aus der Kagyü-Linie des tibetischen Buddhismus, in der die Einheit von Geistesruhe und intuitiver Einsicht betont wird. Wenn mein Lehrer Gendün Rinpoche Meditation erklärte, wussten wir als Zuhörende oft nicht, ob er nun über Geistesruhe oder über Einsichtsmeditation sprach, oder gar über Mahāmudrā? Alles verschmolz zu einer einzigen Unterweisung über das Entwickeln von Gewahrsein. Geistesruhe befähigt zur Einsicht und diese vertieft die Ruhe.
So entdecken wir auch schon bei geringer Geistesruhe, dass Emotionen aufsteigen und von selbst vergehen, dass Gedanken kommen und gehen. Dadurch entsteht ein gewisser Grad von Einsicht, dass Emotionen und Gedanken keinen Bestand haben. Egal worauf wir den Geist lenken: Interessiert-offenes Hinschauen führt zu einem Wissen, wie die Dinge sind. Dieses interessierte Hinschauen sollte stets weiter stimuliert werden durch forschendes Fragen. Der Motor ist unser Interesse, immer tiefer zu verstehen, was eigentlich Samsāra, die Welt des Leidens, ausmacht und was mit Freiheit gemeint ist, mit Nirvāna. Was führt zum einen und was zum anderen?
Wenn wir dem Hören und Kontemplieren nicht den gebührenden Platz einräumen, dann halten wir beim Meditieren die ganze Zeit, ohne es zu merken, eine unzureichend überprüfte Interpretation der Wirklichkeit aufrecht. So können wir beispielsweise beim Meditieren auf den Atem innerlich an der Anschauung festhalten: »Ich« meditiere auf »den Atem«. Dies gilt für alles Meditieren auf sogenannte Meditationsobjekte. Unbewusst und unüberprüft gehen wir davon aus, Subjekt und Objekt seien getrennt, und diese irrige Annahme verfestigen wir beim Meditieren weiter.
Ein etwas subtilerer Fehler könnte so aussehen: Jemand hat über Leerheit gehört und meditiert dann auf diese Leerheit. Er sagt sich: »Ich meditiere auf die Leerheit aller Phänomene«, bis er überzeugt ist, die Leerheit gesehen zu haben. Doch leider hat er sich in eine irrige Annahme über die Wirklichkeit hineinmanövriert, denn die Leerheit kann man nicht sehen oder über sie als Objekt meditieren. Das oft beschriebene »Sehen der Leerheit« ist nur das Wegfallen eines Irrtums. Ein richtiges, zur Erkenntnis führendes Verständnis können wir uns schwerlich nur durch Meditation erarbeiten. Wir brauchen dazu Austausch, Studium und tiefes Bedenken des Gehörten und Gelesenen.

siehe auch:
Meditation: Mehr Handwerkszeug (Post, 19.12.2017)

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Vipassanā (pali „Einsicht“) bezeichnet im Buddhismus die „Einsicht“ in die Drei Daseinsmerkmale Unbeständigkeit (anicca), Leidhaftigkeit bzw. Nichtgenügen (dukkha) und Nicht-Selbst (anatta).[1]
Der Übungsweg zur Entfaltung dieser Einsicht wird „Vipassana-Meditation“ (vipassanā-bhāvanā), „Einsichtsmeditation“ oder „Vipassana-Praxis“ genannt.[2] Vipassana-Praxis ist ein Weg, um das durch Nichtsehen (avijjâ) und Verblendung (kilesa) verursachte Leiden (dukkha) zu überwinden bzw. im Leben die Befreiung des Nirwana zu erlangen. Er wird auf einen Kommentar (Visuddhi-Magga) zu den im Pali-Kanon überlieferten Lehrredendes historischen Buddha zurückgeführt.
Die Vipassana-Praxis und das Erreichen ihrer Ziele ist grundsätzlich an keine Religionszugehörigkeit gebunden. Vipassana-Meditation wird auch von Nicht-Buddhisten geübt und gelehrt. Wesentlicher Teil der verschiedenen Schulungsmethoden ist die Übung von Achtsamkeit (sati). In der psychologischen Literatur wird Vipassana-Meditation gewöhnlich „Achtsamkeitsmeditation“ statt Einsichtsmeditation genannt.[3]
[Vipassana, Wikipedia, abgerufen am 08.03.2018]
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Der Mahamudra-Ansatz wird oft auch als die Essenz der Lehren Buddhas (Dharma) bezeichnet und mag in seinen drei Bedeutungsebenen unter günstigsten Umständen innerhalb einer einzigen Lebensspanne zur Erleuchtung führen. Die damit eintretende Erkenntnis wird auch als „Erkennen der höchsten Wirklichkeit“, „Erkennen der Natur des Geistes“ oder schlicht als „Erkennen der Buddha-Natur“ bezeichnet. In diesem vollkommenen Zustand sind alle dualistischen Geistes-Konzepte überwunden, die dauerhafte Erfahrung einer „absoluten Wirklichkeit“, gleichbedeutend mit „höchster Weisheit“ tritt ein.
Man findet in der klassischen tibetischen Literatur daher auch die Umschreibung, „bei Erlangung der Mahamudra trage alles das Siegel der absoluten Natur“ oder „alle Phänomene erscheinen als Elemente des Weisheits-Mandala des Geistes“. Diese Einsicht ist nicht verschieden von der Erkenntnis der im Herz-Sutra des Mahayana-Buddhismus beschriebenen Prajnaparamita, der sogenannten vollkommenen Weisheit, der höchsten Erkenntnis aller Buddhas.

[Mahamudra, Essenz der Lehren Buddhas, Wikipedia, abgerufen am 08.03.2018]


Die Lehre der Mahamudra basiert auf verschiedenen Stufen meditativer Praxis, den sogenannten „Vier Yogas der Mahamudra“:
1. Die Entwicklung eines einsgerichteten Geistes,
2. Die Transzendierung konzeptueller Vorstellungen,
3. Die Kultivierung der Sicht, dass alle Phänomene von grundlegend nichtdualer Natur, „ein Geschmack“ sind,
4. Die Frucht des Pfades, der jenseits der Anstrengung der Meditation liegt.
Es wird gesagt, dass durch diese vier Stufen der Praktizierende die vollständige Verwirklichung der Mahamudra erlangt.
[Mahamudra, Essenz der Lehren Buddhas, Wikipedia, abgerufen am 08.03.2018]
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