Freitag, 16. Juni 2017

Todkranke Kinder – "Manche Kinder bekommen ein Löwentraining"

Das Gefüge einer Familie wird erschüttert, wenn ein Kind krank wird. Ein Gespräch mit dem Kinderarzt Boris Zernikow über Kraftquellen, die auch in schwersten Krisen helfen 

Der Ort Datteln liegt im Ruhrgebiet und ist, zumindest auf den ersten Blick, nicht schön. Ein-Euro-Shops, Spielhallen, Kioske mit Plastikstühlen vor der Tür, und da, wo mal der Bahnhof war, ist nur noch Brachland. Hierher kommen Familien in schweren Momenten: wenn ihr Kind chronische Schmerzen hat oder gar nicht mehr geheilt werden kann. Boris Zernikow hat an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln zusammen mit seinem Team das Deutsche Kinderschmerzzentrum aufgebaut und die erste Palliativstation für Kinder. In seinem Büro gruppiert sich ein buntes Sammelsurium von Unterlagen, Grußkarten, Notizen und Fotos auf engstem Raum um ihn herum. Eigentlich müsste hier mal aufgeräumt werden. Aber er hat Wichtigeres zu tun. Jetzt zum Beispiel, seinem Besuch einen Kaffee zu holen.
mehr:
- Todkranke Kinder: "Manche Kinder bekommen ein Löwentraining" (Interview: Katrin Zeug und Andreas Lebert, ZON, 15.06.2017)

Leiden lindern, Leben gestalten – Boris Zernikow im Porträt {7:35}

Veröffentlicht am 13.11.2015
Der 50-jährige Kinderarzt Boris Zernikow will Kindern und Jugendlichen helfen, ihre Schmerzen zu ertragen und ihnen die Angst vor einer Therapie und Palliativversorgung nehmen. Er nutzt dafür unter anderem das Internet und Zeichentrickfilme. Mit Erfolg - für sein Engagement und ungewöhnlichen Ideen zeichnet ihn die Deutsche Forschungsgemeinschaft dem Communicator-Preises aus.
Arzt wollte er nie werden. Ärzte, dachte Boris Zernikow, sind spießig und fahren Cabrio. Wer wirklich etwas bewegen wolle, müsse Umweltschützer sein und gegen Atomkraftwerke kämpfen. Heute ist er Chefarzt, trägt ein weißes Hemd zur Jeans und verfügt über diese beruhigende Ausstrahlung, die man sich von jedem Arzt wünscht. In Datteln, in der Nähe von Dortmund, leitet er das deutsche Kinderschmerzzentrum und ist seit 2008 Inhaber des Lehrstuhls für pädiatrische Palliativmedizin an der Universität Witten/Herdecke. „Ich bin da so reingerutscht“, sagt der 50jährige; er sei einfach an seiner ehemaligen Zivildienststelle hängen geblieben, der Kinderklinik in Datteln, und habe dann das gemacht, was sonst keiner getan habe: sich mit den Schmerzen beschäftigt, deren Ursache man nicht sehen könne.

Freitag, 9. Juni 2017

„Positives Denken“ in vielen Fällen kontraproduktiv

Einer der Dauerbrenner in der Selbsthilfeliteratur ist das Thema Motivation. Bei der Schwemme an Büchern dazu ist man ganz schnell geneigt zu denken: „Bitte nicht noch ein Motivationsratgeber …“. Aber mit „Die Psychologie des Gelingens“ ist das definitiv anders, dieses Buch gehört eindeutig in die Kategorie der besonderen Bücher!

Die Autorin Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie und forscht in dieser Funktion seit vielen Jahren zum Thema Selbstregulation und Motivation. „Die Psychologie des Gelingens“ ist gewissermaßen eine Zusammenfassung ihrer Forschungsergebnisse in diesem Bereich.

Am Ausgangspunkt ihrer Forschung stand die wissenschaftliche Erkenntnis, dass „positives Denken“ bei der Zielerreichung in vielen Fällen kontraproduktiv ist. Dass positives Denken häufig also nicht generell gut für unsere Motivation ist, sondern nur unter ganz bestimmten Umständen hilft, seine Ziele zu erreichen. Auf die Studien, die diese These stützen, geht sie in den ersten Kapiteln ihres Buches auch ausgiebig ein.

mehr:
- Die Psychologie des Gelingens (Gabriele Oettingen) (Mathias Rudolph, Buchbesprechung, ZeitzuLeben, September 2015?)

Woop - Gewohnheiten überwinden | odysso - Wissen im SWR {10:03}

James Henry
Am 24.04.2016 veröffentlicht
Abnehmen, mehr Sport treiben, fleißiger werden: Oft bleiben Wünsche ein Leben lang unerfüllt. Studien einer Psychologin zeigen: Mit der Woop-Strategie könnte sich das ändern.
Alter info-Text
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Dr. Gabriele Oettingen: Mentale Schlüsselfaktoren für die Zukunft {41:43}

Veröffentlicht am 24.11.2016
Dr. Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der New York University und an der Universität Hamburg. Sie befasst sich in ihrer Forschung mit Zukunftsdenken und Selbstregulation. Im Vortrag "Damit uns die Zukunft gelingt! Mentale Schlüsselfaktoren für eine konstruktive Erneuerung" gibt sie Einblicke in die sogenannte WOOP-Methode (Wish - Outcome - Obstacle - Plan / Wunsch - bestmögliches Ergebnis - persönliches inneres Hindernis - Plan), denn nur positives Denken genüge nicht, um Dinge positiv zu verändern - woopmylife.org/home-de/

Alle Beiträge vom oö. Zukunftssymposium: https://www.youtube.com/playlist?list...

Der Vortrag wurde am 9.11.2016 beim OÖ Zukunftssymposium in Linz aufgezeichnet.

Dienstag, 6. Juni 2017

Remo Largo: "Das passende Leben": Wie wir uns im Leben nicht länger verkehrt fühlen

Hartnäckig unterstreicht der Schweizer Kinderarzt Remo Largo in seinem neuen Buch "Das passende Leben" die Individualität von Menschen – und warnt: Eine Gesellschaft, die auf Normierung drängt, produziert systematisch über- und unterforderte Individuen. 

Anonyme Massengesellschaft – wohl kein Ausdruck fällt häufer in dem neuen Buch von Remo Largo "Das passende Leben". Aus gutem Grund: In der Realität der modernen Welt hat die Mehrzahl der Menschen große Mühe, sich mit eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten sicher und gut aufgehoben zu fühlen. 

Solch ein "Misfit", wie Largo es nennt, solch eine Passungslücke zwischen Umwelt und Organismus kann nur in seelischem und körperlichem Leiden münden. Darum macht sich der Schweizer Kinderarzt nun auf den Weg, dem Menschen sich selbst zu erklären: Wer sind wir und was brauchen wir, um das passende Leben führen zu können? 

Ausführlich steigt das Buch in die Evolution ein, beleuchtet das komplexe Zusammenspiel von Anlage und Umwelt, zeichnet die Entwicklung des einzelnen Menschen nach, von seiner Reifung in der Embryonalzeit bis zu den nachhaltigen Einflüssen durch Familie, Schule und Freundeskreis.
mehr:
- Remo Largo: "Das passende Leben": Wie wir uns im Leben nicht länger verkehrt fühlen (Susanne Billig, Deutschlandfunk Kultur, 06.06.2017)

siehe auch:
- Remo Largo: Das sind seine Ratschläge für ein glückliches Leben (Stern Nido, 07.06.2017)
- Das passende Leben (Post, 02.06.2017)
Remo Largo: Welches Leben passt zu mir? (SRF, 21.05.2017)
Das größte Glück ist eine schmerzlose Existenz.
Um nicht sehr unglücklich zu werden,
ist das sicherste Mittel, dass man nicht verlange,
sehr glücklich zu sein.
 [Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, 1851, Bd. I, S. 434]
Remo Largo: Welches Leben passt zu mir? (Sternstunde Philosophie vom 21.05.2017) {56:44}

Veröffentlicht am 22.05.2017
Jeder Mensch ist ein Unikat. Davon ist der Schweizer Kinderarzt und Entwicklungsforscher Remo Largo zutiefst überzeugt. Doch wie können wir unsere Individualität leben? Müssen wir dazu die Gesellschaft umkrempeln? Ein Gespräch über das Wesen des Menschen und die Suche nach dem passenden Leben.

siehe auch:

Samstag, 3. Juni 2017

Ein grüner Justizsenator entschuldigt sich für die 68er Exzesse der Polizei – und die Reaktionen



Veröffentlicht am 12.03.2017

"Er liegt am Boden, eine junge Frau kniet neben ihm und hält den Kopf des Sterbenden. Das Foto wird zum Symbol. Am 2. Juni 1967 beginnt ""1968"". An diesem Tag wird unweit der Deutschen Oper in Berlin der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten niedergeschossen und stirbt wenig später. Für die Studentenbewegung ist der Tod Ohnesorgs eine Zäsur - der 2. Juni wird zum Katalysator der Unruhen. Der tote Ohnesorg wird zu einer Ikone.

Doch wer war Benno Ohnesorg, von dem man kaum mehr weiß als den Namen - und das Sterbedatum? Fast vier Jahrzehnte später begibt sich der Schriftsteller Uwe Timm auf die Suche. Timms Buch ""Der Freund und der Fremde"" (2005) ist das literarische Ergebnis dieser Suche. Es ist keine faktenorientierte Biografie, sondern eine Erzählung, die Erinnerungen vorsichtig arrangiert. Es ist ein persönliches Buch, das über den Freund reflektiert, über seinen Tod und über die prägenden 60er Jahre. Es geht in ""Der Freund und der Fremde"" aber auch um 1968, um die großen Entwürfe und Theorien. Timm zeigt, wie der Tod von Ohnesorg viele aus seiner Generation zu ""68ern"" werden ließ.

Die beiden lernten sich Anfang der 60er Jahre in einem Kolleg in Braunschweig kennen, wo sie das Abitur nachholten. Für Ohnesorg und Timm waren vor allem Kunst und Kultur der Schlüssel zu einem anderen Leben. Sie hofften, in der Literatur ihr Glück zu finden. Die beiden 20-Jährigen freundeten sich an, diskutierten über Lyrik und offenbarten sich ihre ersten literarischen Schreibversuche. Nach dem Abitur trennten sich ihre Wege. Timm ging nach München, später nach Paris. Benno Ohnesorg zog nach Berlin. Sie verloren sich aus den Augen. Im Juni 1967 hörte Uwe Timm in Frankreich von den Ereignissen der Berliner Anti-Schah-Demonstration und sah in einer Pariser Zeitung das Foto - den toten Freund."

Der Justizsenator sprach am Rathaus Schöneberg vor rund 50 Teilnehmern einer Kundgebung, darunter mehrere Veteranen der Protestbewegung. 

Eine ehrenvolle Geste! 

Fünfzig Jahre nach den Demonstrationen gegen den Schah von Persien hat Justizsenator Dirk Behrendt (45, Grüne) um Entschuldigung für den damaligen Polizeieinsatz gebeten, bei dem Benno Ohnesorg erschossen wurde.
mehr:
- Benno Ohnesorg: Justizsenator Behrendt entschuldigt sich für Polizeieinsatz (Berliner Zeitung, 02.06.2017)
Screenshot der Bewertungsskala unter dem Artikel
siehe auch:
- Berlin: Justizsenator entschuldigt sich für Polizeieinsatz bei Tod von Ohnesorg (SPON, 02.06.2017)
- 50. Todestag von Benno Ohnesorg Senator entschuldigt sich für Polizeigewalt am 2. Juni 1967 (Tagesspiegel, 02.06.2017)

zur BZ-Bewertungsskala (die läßt einiges verstehen) siehe auch:
Das Buch hatte eine enorme Wirkung für die weitere Aufarbeitung unserer dunklen Vergangenheit. Es war bei seinem Erscheinen kontrovers diskutiert, viele empörten sich über die beiden Analytiker und fühlten sich geschulmeistert. Dabei geht das Buch aber in den Folgekapiteln vom Massenphänomen wieder auf den Einzelnen zurück und beschreibt wichtige Mechanismen in der psychischen Entwicklung des Kindes zum Erwachsenen: Wie baut sich Moral auf, wie entstehen Vorurteile und Ressentiments, gibt es noch Autoritätsvorbilder in der entfremdenden kapitalistischen Konsumgesellschaft, die dem Heranwachsenden zur Identifikation dienen können? Wie entsteht praktizierte Toleranz Andersdenkenden gegenüber? [aus einem Amazon-Leserkommentar]