Montag, 24. Oktober 2016

Dalí und Freud

Durch die Vermittlung von Edward James und Stefan Zweig kam es am 19. Juli 1938 zu der lang gewünschten Begegnung mit Sigmund Freud in dessen Londoner Haus, wo er seit kurzer Zeit im Exil lebte. Dalí erklärte Freud anhand des Gemäldes Metamorphose des Narziss, zu dem er ein Gedicht mit gleichem Titel geschrieben hatte, wie die surrealistische Malerei das Unbewusste vergegenwärtigt und malte das Bildnis Sigmund Freud. Gleich nach dieser Begegnung am 20. Juli 1938 schrieb Sigmund Freud an Stefan Zweig:
„Wirklich, ich darf Ihnen für die Fügung danken, die die gestrigen Besucher zu mir gebracht hat. Denn bis dahin war ich geneigt, die Surrealisten, die mich scheinbar zum Schutzpatron gewählt haben, für absolute (sagen wir zu fünfundneunzig Prozent wie beim Alkohol) Narren zu halten. Der junge Spanier mit seinen treuherzig-fanatischen Augen und seiner unleugbar technischen Meisterschaft hat mir eine andere Einschätzung nahegelegt.“[27] [Salvador Dali, Besuch bei Sigmund Freud, Wikipedia, abgerufen am 24.10.2016]
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zu seiner Kindheit
Salvador Dalí wurde als zweiter Sohn des Notars Salvador Dalí am 11. Mai 1904 in der kleinen katalonischen Stadt Figueras geboren. Neun Monate zuvor war der erstgeborene Sohn gestorben. In Erinnerung an ihn ging dessen Name auch auf den zweiten Sohn über, und Dalí hat sein ganzes Leben das Trauma nicht abgelegt, lediglich der "Ersatz" für seinen Bruder zu sein. Diese Kränkung machte ihn süchtig nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, so träumte er mit acht Jahren davon, Napoleon zu sein. Zugleich blieb er ein schüchterner Mensch, der von hysterischen Lachanfällen geplagt war. Seine schulischen Leistungen waren mangelhaft, und er wurde auf Privatschulen geschickt. Seine Kindheit erscheint behütet, vor allem zu seiner Mutter hatte er ein inniges Verhältnis. Mit zehn Jahren begann er zu malen und mit 14 besuchte er die Kunstschule in Figueras unter der Leitung des Malers Juan Nuñez, wurde dessen Meisterschüler und stellte im Stadttheater mit Erfolg mehrere Ölgemälde aus. Ein Jahr später veröffentlichte er Aufsätze über "Die großen Meister der Malerei", die zeitlebens seine Vorbilder blieben: Dürer, Michelangelo, da Vinci, Velàzquez, Goya, El Greco. 1921 starb unerwartet seine Mutter, mit ihr verlor er den Menschen, der ihn am bedingungslosesten geliebt hatte. […]
Nach seinem Erfolg in Frankreich kaufte Dalí 1930 eine winzige Fischerhütte in Port Lligat bei Cadaqués, einem kleinen Hafen an der Felsenküste seiner Kindheit. Diese ausgestorbene, abweisend schroffe und melancholische Gegend war immer ein bestimmendes Motiv in seinen Bildern. Seine Familie war jedoch mit Dalís Frauenwahl nicht einverstanden, immerhin war Gala noch verheiratet und Spanien ein streng katholisches Land. Schon zuvor hatte sich Dalí mit seinem Vater überworfen; zum endgültigen Bruch kam es, als er unter eine Zeichnung den Titel "Manchmal spucke ich mit Vergnügen auf das Portrait meiner Mutter" setzte. […]
Die Krisensituation Europas in den 30er-Jahren hat Dalí in vielen Bildern thematisiert, todesähnliche Wüstenszenarien bestimmen diese Bilder. Im Winter 1936 hat er schon in den beiden Gemälden "Herbstlicher Kannibalismus" und "Weiche Konstruktion mit gekochten Bohnen - Vorahnung des Bürgerkriegs" die bevorstehende Selbstzerfleischung Spaniens thematisiert. Allerdings ging es Dalí nicht um die ideologische Ebene, der aktuelle Anlass taucht in seiner Verarbeitung nicht auf. Er stellte viel mehr eine psychoanalytische Sicht auf den Krieg überhaupt dar und beschrieb ihn als Regression auf kannibalische Fantasien, auf Zerstörungslust und Todestrieb. Dabei schwingt auch immer eine orgiastisch-triebhafte sexuelle Ekstase in den Bildern mit. [Salvador Dalì - Sichtbarmachung des Unsichtbaren, Jörg Peter Urbach, Wissen.de, Datum unbekannt]
1921 stirbt seine Mutter was ihn den noch jungen Salvador sehr schmerzt. Er schreibt dazu: "Ich mußte es zu Ruhm bringen, um mich für die Kränkung zu rächen, die der Tod meiner Mutter, die ich hingebungsvoll verehrte, für mich bedeutete". [Salvador Dali - Sein Leben, Moderne Kunst … verstehen, Verfasser und Datum unbekannt]
Als Kind galt Salvador als schwererziehbar und bisweilen zeigte er sich gegenüber seinen Mitmenschen höchst aggressiv. Dabei fügte er nicht nur Tieren, sondern auch sich selbst körperlichen Schaden zu. Die väterliche strenge Erziehung rief indes in ihm ein starkes Sicherheitsbedürfnis und einen ausgeprägten Sinn für Ordnung hervor. Seine Mutter glich die Strenge des Vaters aus. Schon während der Schulzeit zeigte Dalí indes großes Interesse und Talent beim Zeichnen. Während eines Besuches bei Freunden der Familie in El Muli de la Torre, erhielt er erstmals Malunterricht. Die ersten Darstellungen Dalís waren Häuser und Landschaften der katalonischen Umgebung. Nach dem Volksschulunterricht erhielt er zusätzlich zum Besuch des Instituto de Figueres ab 1916 Unterricht im Kolleg der Maristen, einem privaten Gymnasium. Josep "Pepito" Pichot, ein Bruder von Ramon Pichot, hatte sein Maltalent erkannt, und auf dessen Anregung durfte er Abendkurse an der Städtischen Zeichenschule belegen. Sein Kunsterzieher war der Direktor des Instituts, Juan Núñez Fernández, der Dalís Kunstbegeisterung förderte. Bereits nach einem Jahr erhielt er dort ein "diploma de honor". [Biografie – Salvador Dalí, Who’s Who, Verfasser und Datum unbekannt]
"Mein ganzer Ehrgeiz auf dem Gebiet der Malerei besteht darin, die Vorstellungsbilder der konkreten Irrationalität mit der herrschsüchtigsten Genauigkeit sinnfällig zu machen."  [Dalí, zitiert in Salvador Dali - Sein Leben, Moderne Kunst … verstehen, Verfasser und Datum unbekannt]
„Neue Wesen, mit eindeutig böswilligen Absichten, haben sich soeben in Bewegung gesetzt. Mit finsterer Freude sieht man, wie auf ihrem Weg nichts mehr stattfindet als sie selbst." [André Breton, zitiert in Salvador Dali - Sein Werk, Moderne Kunst … verstehen, Verfasser und Datum unbekannt]
Salvador Dali wird zu seinen Lebzeiten und auch heute noch als Genie verehrt. Um seine Persönlichkeit ranken sich unzählige und teils sehr verwegen klingende Erzählungen. Kennzeichnend ist für ihn das Etikett eines „Wahnsinnigen“ und Paranoikiers. Diese Charakterisierung unterstützte Dali aktiv durch viele seiner Äußerungen und Schriften. Sie kennzeichnen ihn als einen Menschen, der besonders in der Öffentlichkeit mit den genannten Etiketten gerne spielte.

Salvador Dali selbst sagte von sich, dass er besonders in seiner Kindheit Tieren, sich und anderen Menschen gerne Schmerzen zugefügte habe. Als wahr oder falsch konnte sich dabei keine dieser „Berichte“ erweisen. Eine bekannte Anekdote aus Dalis Leben ist die, dass er sich um der Schmerzen willen, absichtlich auf einer Treppe hinunter warf.

Im Jahr 1949 veröffentlicht seine Schwester Ana Maria ein Buch über ihren Bruder, "Dali as Seen by His Sister". In dem Buch wird Dali von seiner Schwester als ein normaler Junge beschrieben, der eine glückliche Kindheit verbrachte. Dali soll daraufhin empört und wütend reagiert haben. In einem Interview eines bekannten Nachrichtenmagazins mit seinem langjährigen Sekretär Robert Descharnes, bezeichnete ihn dieser als einen verhältnismäßig normalen Menschen. 
[Salvador Dali - Sein Werk, Moderne Kunst … verstehen, Verfasser und Datum unbekannt]

siehe auch:
- Salvador Dali: Avida Dollars (SPIEGEL, 01.01.1961)
- The influence of Sigmund Freud for Salvador Dalí (A silent Understanding, 02.05.2010)
- Time and Change in 10 Dali Paintings (Angie Kordic, Widewalls, Datum unbekannt)
- Dalí’s paranoisch-kritische Methode (Dr. Marcuse, Kultur und Lifestyle, 01.09.2008)
- Die Welt im Kopf ist die einzige, die wir kennen! Dalis paranoisch-kritische Methode, Immanuel Kant und die Ergebnisse der neueren Neurowissenschaft (Beatrice Nunold, Image, Januar 2007)
»Eines Tages wird man zugeben müssen, dass das, was wir Wirklichkeit getauft haben, eine noch größere Illusion ist als die Welt des Traums. Um meinen Gedanken zu Ende zu führen, möchte ich sagen, dass das, was wir Traum nennen, als solches gar nicht existiert, denn unser Geist ist auf Sparflamme eingestellt; die Wirklichkeit ist eine Begleiterscheinung des Denkens – eine Folge des Nichtdenkens, eine durch Gedächtnisschwund hervorgerufene Erscheinung. Die wahre Wirklichkeit ist in uns, und wir projizieren sie nach außen durch die systematische Auswertung unserer Paranoia, die eine Antwort und Reaktion auf den Druck – oder Unterdruck der kosmischen Leere ist […] Im Übrigen drückt sich die Paranoia nicht nur durch eine systematische Projektion aus, sie ist auch ein gewaltiger Lebenshauch.« [ Perinaud 1978, 158 f.] […]
Galt die Welt in unserem Kopf bisher wenigstens als vernünftig, so konnte jetzt nicht mehr ohne Weiters davon ausgegangen werden. Wir können nicht erkennen, dass wir erkennen, aber auch nicht, dass wir Wahnbilder produzieren. In der Fremde des eigenen Kopfes gefangen haben wir keine verlässlichen Koordinaten, an denen wir uns orientieren können. Die Folge ist Konfusion, Verwirrung. Für Wittgenstein wird alle Philosophie zur Sprachkritik. Es geht nur noch um das Verstehen, nicht mehr um Wissen. Sprache können wir versuchen zu verstehen, die Sprache der Kunst oder der Wissenschaft oder auch des Unbewussten. Dali wählt die Sprache des Unbewussten und er sucht sie an den Scharnierstellen auf, wo die Bilder umklappen und der Interpretationsfuror beginnt.  
Angeblich soll das Bild auf die Verworrenheit der damaligen Zeit hinweisen. Es ist ebenso Ausdruck der von Wittgenstein etwa um die gleiche Zeit allgemein formulierten Konfusion. Niemand kennt sich mehr aus. Was können wir überhaupt noch verstehen? Was ist Wahn, was Wirklichkeit? Willkommen in Absurdistan!
Mag sein, dass Dalis Bewunderung für Hitler, Stalin, Franco und andere Diktatoren daher rührte, dass er in ihnen die produktivsten Paranoiker sah. Diese verwirklichten ihren Wahn, wenn auch auf grausamste Weise. Sie nötigten ihn den Menschen als „einzig mögliche und beste und wahrste aller Welten“ auf und verfolgten alle systematisch, die diesem Wahnsinn ihre eigenen Ideen, Welten, Wirklichkeiten oder auch ihre eigene Paranoia entgegensetzten. Dali gratulierte in einem Telegramm aus New York Franco zur Hinrichtung von Regimegegnern. Vermutlich waren Diktatoren für ihn so etwas wie paranoische Genies.
Lacan stellt eine Verbindung her zwischen dem „Genie und der anomalen Entwicklung der Persönlichkeit“. Er meint den Paranoiker. Er erkennt den „Wert der schöpferischen Imagination in der Psychose und die Beziehung zwischen Psychose und Genie“.
Dali, Bescheidenheit war nie eine seiner Tugenden, hielt sich selbst für das größte Genie aber eben nicht für Verrückt. Vermutlich hielt er sich für eine Art Metagenie, oder Metaparanoiker, für übergenial und überparanoid. insofern er nicht nur wie die für ihn genial Verrückten (Hitler, Stalin, Franco), die die Welt nach ihrem (Wahn)bilde formen wollten, aber gewissermaßen ihrem eigenen Wahn erlegen waren, ihn unreflektiert auslebten, während er, Dali, das paranoische Prinzip verstand und es frei handhaben konnte. Selbst die schlimmsten Diktatoren waren Sklaven ihres Wahns. Aber das ist nur ein Versuch Dalis Bewunderung für Diktatoren zu verstehen.
Dali demonstrierte in immer neuen Bildern und Skulpturen, dass er sein Handwerk verstand und die paranoisch-kritische Methode meisterhaft zu gebrauchen wusste. Er wollte die Wahnbilder ebenso genau und präzise zeichnen, wie sich uns unsere Wirklichkeit darstellt. Sie sollten sich uns als Wirklichkeitsäquivalent aufdrängen. Hier einige Beispiele, die zugleich die Mehrdeutigkeit dessen aufzeigen, was wir Wirklichkeit nennen (Abb. 8, 9, 10, 11, 12). [Die Welt im Kopf ist die einzige, die wir kennen! Dalis paranoisch-kritische Methode, Immanuel Kant und die Ergebnisse der neueren Neurowissenschaft, Beatrice Nunold, Image, Januar 2007]

Salvador Dalí - Beständigkeit der Erinnerung [1:13:46]

Hochgeladen am 03.05.2011
Eine Dokumentation über das Leben von Salvador Dalí.

- Salvador Dalí über Assoziologie: 1935 Die kritisch paranoische Methode (Kusanowsky, 06.05.2012)
- Salvador Dalí: Die Welt schuldete ihm seine Verrücktheit (Wieland Schmied, Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010)
- Freuds Traumdeutung und dessen Einfluss auf die Kunst des Surrealismus (Julia-Michelle D., prezl, 26.04.2015, Transkript)
- Salvador Dalí (Kapitel aus Nathalia Brodskaïa, Surrealismus – Die Geschichte einer Revolution, Parkstone, 2009?, GoogleBooks, 195ff.)

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