Donnerstag, 31. Dezember 2015

Beziehung: Besser trennen – Warum tut die Liebe weh, wenn sie geht?

Die anderen räumen noch herum, als Thomas das Zimmer betritt. Er setzt sich schnell an den langen Tisch, Blick zur Tür, ein Mann mit reglosem Gesicht. Den Reißverschluss seines braunen Strickpullovers hat er bis unters Kinn gezogen, als wolle er sich darin verstecken.

An diesem Abend sind sie zu zehnt, fünf Frauen und fünf Männer. Jeden Dienstag treffen sie sich in Münster beim Paritätischen Wohlfahrtsverband. Ein Konferenzzimmer, grauer Teppich, Neonlicht. Ein kalter Raum, aber das hat noch niemanden gestört. Wer einmal hier war, kommt meistens wieder. Auf dem Tisch liegen zwei Zehnerpackungen Schokoriegel und eine 300-Gramm-Tafel "Nuss & Nougat", ohne Schokolade geht das hier nicht. Dazu gibt es Holunder-Limetten-Tee.

Sie sind eine Selbsthilfegruppe für Getrennte. Solche Gruppen gibt es praktisch in jeder größeren Stadt, aber zuhören darf man als Reporter normalerweise nicht. Trennungen bedeuten Leid, wer über eine Trennung spricht, gibt Intimes preis. Deshalb sind alle Namen hier geändert. Thomas ist gleich als Zweiter an der Reihe, sie reden immer reihum. Mit seinen 35 Jahren ist er heute der Jüngste hier, der Älteste ist schon über 70.

"Die Ereignisse überschlagen sich gerade", sagt Thomas, als wäre er atemlos. "Ich war gestern beim Notar. Das Haus ist verkauft."

"So schnell?", ruft eine ältere Frau. "Das geht ja turbo."

Vor drei Monaten war Thomas zum ersten Mal da, er war wütend und aufgewühlt. Er arbeitet als Installateur, mit seiner Frau und den beiden Kindern lebt er in einer Vorortsiedlung. Er erzählte, dass er jahrelang an dem gemeinsamen Haus herumgewerkelt hat, die Gartenwege hat er selbst gepflastert. Dann, es war an einem Sommertag, sagte seine Frau plötzlich, dass sie sich trennen wolle – er hatte es kein bisschen kommen sehen. Ob es jemand anderen gebe, fragte er nur. Nein, sagte sie. "Es muss aber noch mehr geben im Leben." Sie ist ein paar Jahre jünger als er, seit zehn Jahren sind sie verheiratet.

mehr:
- Beziehung: Besser trennen – Warum tut die Liebe weh, wenn sie geht? (Jörg Burger, ZEIT-Magazin 49/2015, 28.12.2015)

siehe auch:
- Alter: Herr W. sucht die Liebe (Jörg Burger, ZEIT-Magazin 37/2015, 25.09.2015)

Mittwoch, 30. Dezember 2015

PTSD in der Bundeswehr

Der Kampfeinsatz in Afghanistan ist zu Ende, die Folgen für die Soldaten bleiben: So viele Neuerkrankungen wie in diesem Jahr hat die Bundeswehr noch nie registriert. Die Zahl traumatisierter Soldaten steigt weiter, auch wenn der Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afghanistan offiziell beendet ist. Bis Ende September 2015 registrierte die Bundeswehr 178 neue Patienten mit Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und damit 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit dürfte die Zahl der Neuerkrankungen in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreichen. Im vergangenen Jahr waren mit 204 Neuerkrankungen mehr als je zuvor registriert worden. Dreiviertel der traumatisierten Soldaten sind in Afghanistan erkrankt. Dort kämpfte die Bundeswehr vor allem in den Jahren 2010 und 2012 in teils stundenlangen Gefechten gegen die radikalislamischen Taliban. Vor einem Jahr endete der Kampfauftrag, Soldaten sind allerdings immer noch im Land: Zur Ausbildung und Betreuung afghanischer Sicherheitskräfte bleibt die Bundeswehr dort stationiert. Posttraumatische Belastungsstörungen können sich erst Jahre nach der Rückkehr aus einem Einsatz bemerkbar machen – zum Beispiel in Form von Albträumen oder Angstzuständen. Daher ist der Anstieg im vergangenen Jahr nicht überraschend.
mehr:
- Bundeswehr: Zahl traumatisierter Soldaten erreicht neuen Höchststand (ZEIT Online, 30.12.2015, man beachte auch die Kommentare)
Ich gebe Ihnen in allem Recht, nur wenn Sie schreiben, dass nur sich selbst reflektierende Soldaten traumatisiert werden, liegen Sie falsch.

Die Hirne werden dann traumatisiert, wenn das Hirn merkt, dass etwas sehr wichtiges passiert, aber es die Vorgänge nicht mehr richtig intellektuell und gefühlsmäßig einsortieren kann. Das kann auch bei einem Verkehrsunfall passieren. Früher haben Soldaten diese Situation automatisch dadurch zu vermeiden gesucht, dass sie im Schützengraben liegend konsequent an ihren menschlichen Zielen vorbei geschossen haben. https://www.google.de/search?q=Soldaten+schieszen+absichtlich+vorbei

Heutige Soldaten stehen unter ubiquitärer Beobachtung. Wenn ein Oberst Klein vor einer schweren Entscheidung steht, wird er sogar eher noch die riskantere Entscheidung treffen. Schon die Entscheidung verletzt die Seele.

Es werden aber auch Soldaten traumatisiert, wenn sie z. B. in Hinterhalte laufen oder durch Bombenfallen getroffen werden, wenn die Situation ausweglos wird, weglaufen unmöglich ist, das Blut die Kleider, den Boden und alles Denken durchtränkt und das Innerste des Mensch aufschreit: Das alles ist unbegreiflich falsch!

Unbegreiflich! Falsch!
 (Bernd Debander, Kommentar, 30.12.2015)

siehe auch:
- Das posttraumatische Stress-Syndrom (Post, 25.02.2015)
- Philip Zimbardo: The psychology of evil (Post, 11.05.2015)

Krank vom Krieg - Traumatisierte Bundeswehrsoldaten (Doku HD) [14:06]

Veröffentlicht am 13.03.2015
Christian Papajewski war zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Vier Einsätze in Afghanistan hat er mitgemacht. Alles war gut, bis er vor einem Jahr merkte, dass ihm immer wieder Bilder von schrecklichen Erlebnissen in den Kopf kommen. Autofahrten machen ihn nervös, in Menschenmengen gerät er in Panik, seine Dauerkarte für Schalke hat er zurückgegeben. Heute ist er krankgeschrieben und wird therapiert. Wie viele andere Soldaten leidet er unter einem Trauma.

Stevie Wonder and Sting - Fragile (Live) with Lyrics - A Message of Peace… [3:59]   Text (Sting.com)   Übersetzung   Interpretation (Analysis of Sting's "Fragile", "And So It Begins", 22.08.2011)

Veröffentlicht am 15.05.2015
Sting with Stevie Wonder - "Fragile" (From Sting's 60th birthday celebration, 10/1/11 at the Beacon Theater in NYC) Sting and Stevie Wonder with Dominic Miller (gtr), David Sancious (kbs), Christian McBride (bass), Vinnie Colaiuta (dms) and Rhani Krija (perc)

siehe auch:
- Posttraumatische Belastungsstörungen bei Bundeswehrsoldaten (Post, 11.02.2015)
- Die Sünden der Väter 1 (Post, 19.01.2014)
- Kriegszitterer (27.09.2012)
- Stigma – das »Sahnehäubchen« auf dem Trauma (Post, 15.12.2015)

Dienstag, 29. Dezember 2015

Wenn Eltern und Kinder ehrlich zueinander wären

Stellen Sie sich vor, Sie könnten Ihren Kindern einfach alles erzählen, was Sie sonst vor ihnen verheimlichen. Denn so ganz unter uns: Sie sagen ihnen doch oftmals nur einen Teil der Wahrheit. Oder legen sich diese so zurecht, dass Sie kein schlechtes Gewissen haben müssen. Das ist natürlich richtig so, denn Kinder müssen erst eigene Erfahrungen machen, bevor sie "Erwachsenendinge" überhaupt verstehen können. Aber was wäre, wenn Sie alles loswerden könnten? Dann würde es vielleicht wie in diesem Kurzfilm ablaufen.

The Talk (2015) [8:34]
WARNING: Not for young children unless you want an awkward talk with them.
There comes a time in every parent's life when the harsh reality hits -- their child is growing up. And with that realization comes an event, a moment, faced with fear and trepidation, when said parent takes time from their busy day to have a special chat with their child, a talk if you will. And as with all parenting moments when dads are in charge, it goes horribly, horribly wrong.
The comedic slice-of-life short THE TALK is about such a parenting moment mishap. Starring the immensely talented JOHN HOOGENAKKER (Public Enemies, Empire) and lovable rising star ISABELLA CROVETTI-CRAMP (Joy, Colony) it is a cautionary tale of the pitfalls of parenting -- of epic proportions -- and reminds us that life is not always as it seems.
MAKE SURE TO WATCH IN 1080p.
imdb.com/title/tt4862096/
STARRING
John Hoogenakker
Isabella Crovetti-Cramp
Directed by: Joe Otting
Written by: David I. Jenkins
Produced by: Joe Otting & Aaron Cooley
Music by: Nathan Furst
Cinematography by: Jeff Stonehouse
Production Design by: Merje Veske & Ermanno Di Febi-Orsini
Casting by: Mickie Paskal & Adrienne Stern

mehr:
- Wenn Eltern und Kinder ehrlich zueinander wären (Dobromila Walasek, ZEIT-Blog, 29.12.2015)


Montag, 28. Dezember 2015

Führungskräfte : "Manipulation kann für Führungskräfte hilfreich sein"

Führungskräfte manipulieren ständig, sagt die Psychologin Suzanne Grieger-Langer. Doch das hat wenig mit verdeckten Absichten zu tun. 

ZEIT ONLINE: Frau Grieger-Langer, Sie haben sich intensiv mit Manipulation beschäftigt. Was genau ist Manipulation eigentlich? 
Suzanne Grieger-Langer: Was viele nicht wissen: Der Begriff kommt eigentlich aus der Medizin – genauer gesagt der Chirurgie. Er setzt sich aus den lateinischen Wörtern manus (die Hand) und plere (füllen) zusammen und heißt etwa so viel wie: etwas in der Hand haben. Heute wird unter Manipulation so etwas wie gezielte oder auch verdeckte Einflussnahme verstanden. Das heißt, die Manipulation zielt auf das Erleben und Verhalten von Menschen ab, will das aber so gut wie möglich verbergen. Von der negativen Manipulation eines Menschen spricht man, wenn der Effekt nicht zu seinem Vorteil, sondern zu seinem Nachteil führt. Allerdings kann Manipulation auch positiv oder neutral sein. Das kommt sogar sehr oft im Alltag vor. 
ZEIT ONLINE: Geben Sie mal ein Beispiel. 
Grieger-Langer: Jeder Kinotrailer, jede Werbung zum Beispiel manipuliert, denn sie sind so gestaltet, dass die Zuschauer anschließend den Film sehen wollen oder die Kunden das Produkt kaufen möchten. Damit haben die wenigsten Menschen ein Problem.
mehr:
- Führungskräfte : "Manipulation kann für Führungskräfte hilfreich sein" (Sabine Hockling, Interview, ZEIT Online, 28.12.2015)

Suzanne Grieger Langer - Die 7 Säulen der Macht [1:02:53]
Veröffentlicht am 16.06.2015
Übrigens:
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Weitere interessante Infos zum Interview, wie Shownotes und die MP3 als Download gibt es auf unserer Seite:  http://trainerpersoenlichkeiten.de/su...

Beschreibung des Interviews:
Im heutigen Interview geht es um Macht, innere Macht. Welche Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale sollte ich entwickelt haben um für Führungsaufgaben zu taugen? Darüber spreche ich mit Wirtschaftsprofiler Suzanne Grieger-Langer. Ja Du hast richtig gelesen: Profiler. Meist kennt man Profiler nur aus den kriminalistischen Zusammenhängen wenn Morde und Verbrechen geschehen. Oder eben aus dem Fernsehen von TV Serien wie Criminal Minds oder CSI Miami und Co.

Dort werden die Profiler eingesetzt, um psychologische Profile von möglichen Straftätern zu erstellen und diese so schneller dingfest zu machen. Suzanne Grieger-Langer macht das in der Wirtschaft und erstellt dort Profile für neue mögliche Vorstände, Geschäftsführer oder Führungskräfte. Dementsprechend hat sie sich viel beschäftigt damit, welche Persönlichkeitsmerkmale richtig gute Führungskräfte mitbringen sollten. Wir besprechen alle 7 Säulen der Macht ausführlich. Es wird gehen um Standfestigkeit, Leidenschaft, Selbst-Kontrolle, Ethik und einiges mehr.

Wer sein eigenes inneres Machtpotential erweitern will, der sollte sich das Modell mit den 7 Säulen der Macht unbedingt einmal ansehen. Profiler verfügen schon über Kenntnisse und Fähigkeiten die einzigartig sind und es lohnt sich von ihnen zu lernen. Viel Spaß dabei ...

Über den Experten:
Suzanne Grieger-Langer ist Wirtschaftsprofilerin und spezialisiert auf den erfolgreichen und verantwortungsvollen Umgang mit Macht. Ihre Kompetenzspannweite umfasst Profiling, Psychotherapie und Nachrichtendienstpsychologie.

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Suzanne Grieger-Langer, Wirtschafts Profiler, Lehrbeauftragte und Autorin: 007 statt 08/15! [1:00:45]

Veröffentlicht am 16.10.2014
Externe Keynote beim DSAG-Jahreskongress am 16. Oktober 2014 in Leipzig:

Nichts ist sicher! Märkte brechen weg, Kunden wandern ab, Leistungsträger werden abgeworben. Führung heute ist Führung in der Unsicherheit! Das Unplanbare planen, Unentscheidbares unterscheiden, Unwägbarkeiten analysieren, mit Unkalkulierbarem umgehen ... Unerwartetes, Unvorhergesehenes, Ungewisses managen – Leben wir zu Unzeiten? Nein, wir sehen der Realität ins Auge. Es war schon immer so. Doch heutzutage ist es schneller, größer und gewaltiger: `Business ist Krieg`, lautet ein japanisches Sprichwort, und manchmal fühlt es sich auch genauso an.

Für das führen in Grenzsituationen erfahren Sie von Profiler Suzanne Grieger-Langer erprobte Strategien aus den Nachrichtendiensten für Krisen-, Change und Katastrophen-Management. Werfen Sie überholte Mainstream-Strategienüber Board und finden Sie Sicherheit in sich und Ihren Fähigkeiten. Das garantiert das Überleben in riskanten Märkten und die Eroberung von Neuland. Gehen Sie als Sieger aus dem Wandel! Lernen Sie von FBI, BND und MI6 für Ihren Managementalltag: Erfahren Sie von der Einsatz-Instruktorin Suzanne Grieger-Langer, was auch für Sie, Ihr Unternehmen und Ihre Karriere das Überlebenswichtige und damit Richtige ist.

Suzanne Grieger-Langer ist Profiler. Die Erkennung von persönlichen Potenzialen, wie auch die Erkennung von Betrug, sind ihr tägliches Geschäft- Die Spezialistin für die Stärkung von Persönlichkeiten instruiert seit über zwanzig Jahren Agenten wie auch Entscheider in Wirtschaft und Wissenschaft. Sie ist dozentin und Lehrbeauftragte der renommiertesten Wirtschaftshochschulen Europas. Dort lehrt sie für die Fakultäten Wirtschaftswissenschaften und Gouvernance evolutionäre wie revolutionäre Führung, Betrugsprophylaxe und Profiling. Für die Frankfurt School of Finance ans Management entwickelte sie den studiengang `Certified Profiler´. Die von ihr entwickelte Formula Infiltration gilt als Meilenstein der Betrugserkennung. Mit ihrem internationalen Team von Profilern ist sie in der Lage, Charakterprofile auf dem Niveau des psychogenetischen Codes zu erstellen. Mit dieser Kompetenzbreite und –tiefe ist sie Europas unangefochtene Profilingexpertin!

Montag, 21. Dezember 2015

Eine Psychoanalyse der Kirche – Die Wunde, die man nicht heilen kann

Mit den Mitteln der Psychoanalyse geht der Psychotherapeut und Theologe Dieter Funke den Ursachen des sexuellen Missbrauchs im Umkreis der katholischen Kirche nach. Seiner Meinung nach stehen Traumatisierungen schon am Anfang des Christentums. Sie führten zur Abspaltung von Sex und Sinnlichkeit und erheben die »Heilige Familie«, die makellose Jungfrau und den asexuellen Kleriker zum Ideal. Doch damit werde auch die sexuelle Gewalt begünstigt...
mehr:
- Eine Psychoanalyse der Kirche – Die Wunde, die nicht heilen kann (Dieter Funke, connection-Archiv, August 2014?)
Der Grund für die Verteufelung und Abspaltung des Sexuellen liegt darin, dass Trieb und Sexualität das Ideal des unbefleckten Klerikerkörpers bedrohen. Diesem kollektiven Klerikerideal liegen vergessene und verdrängte Traumatisierungen an den Wurzeln des Christentums zugrunde. Zu nennen ist hier vor allem die theologische Konstruktion der »Heiligen Familie«, die als traumatisierendes Beziehungsmodell Pate steht: Der Vater ist nicht der richtige Vater und kein sexueller Partner der Mutter. Die Mutter ist keine richtige Frau, sondern Jungfrau. Der Sohn wird auf diese Weise seiner Kind-Position beraubt und gerät zum Ersatzpartner der Mutter. Dieser wird von der Mutter zum besseren Partner gemacht, er sitzt auf Vaters Platz.

Solche Beziehungsmodelle sind geprägt von ständiger Rivalität und Machtkämpfen, von Größenfantasien und depressiven Schuldgefühlen, von Entwertungen und Idealisierungen, wie sie sich in der biblischen Konstruktion der Heiligen Familie wiederfinden. Jesus wird zum Partner von Maria, indem der Vater ausgeschlossen und das Kind sexualisiert wird. Das gibt Jesus das großartige Auserwähltheitsgefühl, wie es für Kinder typisch ist, die als Ersatzpartner missbraucht wurden. Gleichzeitig löst dies in ihm tiefe Schuldgefühle aus, die durch die Unterwerfung unter den Willen des Vaters bewältigt werden und worin der spätere christliche Masochismus der Leidensunterwerfung begründet liegt. Unterwerfungsbereitschaft (»unter die Schmach des Kreuzes«) und Überlegenheitsgefühle (Jesus wird an die Stelle des Vaters gesetzt) sind die Folgen der Funktionalisierung als Ersatzpartner.

Diese Feststellung ist keine moralische und hat nichts mit Schuld zu tun, sondern mit Verletzungen. In den biblischen Texten und den Erzählungen der Frömmigkeitsgeschichte wird eine traumatisierte Familie beschrieben: Die Geburt Jesu findet in der Heimatlosigkeit statt, dann folgen Flucht und Morddrohung. Die Eltern sind überfordert. Natürlich hat sich Jesus als Kompensation für diese Traumatisierungen nicht selbst an die Stelle Gottvaters gesetzt. Diese Sicht der Evangelien und der ersten nachchristlichen Jahrhunderte mit ihren Konzilien ist vielmehr das Konstrukt einer Gruppe von Jesus-Anhängern, die selbst schweren Verfolgungen und Entbehrungen ausgesetzt waren.
siehe auch:
- Funke, Dieter: Ich – Eine Illusion? Bewusstseinskonzepte in Psychoanalyse, Mystik und Neurowissenschaften (Rezension von Gotthard Fuchs, Christ in der Gegenwart, 28/2014)
- Vom Zauber in anderer Leute Häuser zu schauen (Hannelore Hippe, Deutschlandfunk, SWR3, 2013, PDF)
- Zum Verhältnis von Psychotherapie und Religion (Carsten Kießwetter, Tag des Herrn Online, Archiv, 19/1999, 16.05.1999)
Im Zuge der gesellschaftlichen Differenzierung habe sich aus der kirchlichen Sorge um die Seelen eine weltliche Seelen-Heilkunde entwickelt. So bezeichne sich die Allgemeine Ortskrankenkasse AOK neuerdings als "Gesundheitskasse", also als eine Organisation, die für das gesamte Heil der Menschen zuständig sei

Für die Seelsorge stellte Pater Funke einen gravierenden Verlust an Wissen im Umgang mit der seelischen Wirklichkeit des Menschen fest. Die Seelsorge kümmere sich, oft in Unkenntnis der seelischen Wirklichkeit des Menschen, nur noch um deren abstraktes Seelenheil. Die konfliktlösende Kraft der Religion im Hinblick auf Grundfragen des Lebens wie Liebe und Haß, Schuld und Vergebung, Abschied und Neubeginn, Leben und Sterben könnte bestenfalls als moralisches Pflichtgebot, nicht aber als psychisches und damit vormoralische Verordnung erfahren werden. […]

Die Psychotherapie übernimmt, so Funke, die Aufgabe, seelisch leidende Menschen aus ihren Fixierungen und ihren Lebenseinschränkungen herauszuführen. Dieser Prozeß geschehe mittels Kommunikation. Psychotherapie wolle dem Leidenden helfen, seinem Leid auf den Grund zu gehen, es tiefer zu verstehen. Diesem Vorgang, der das Heilen an Einsicht in Wahrheit bindet, wohne eine religiöse Dimension inne. Das Bewußtwerden der inneren Wirklichkeit, des wahren Selbst, sei oft mit einem tiefen Erschrecken, "einem heiligen Schaudern", wie Funke es nennt, verbunden. Das Verdrängte hat dem Leidenden die Freiheit für eine kreative Lebensführung genommen. Im Falle einer gelungenen Psychotherapie werde es ihm möglich aufzuhören, sich von Illusionen über die Wirklichkeit hinwegtäuschen zu lassen. Die Psychotherapie werde in der modernen Gesellschaft deshalb zunehmend zum Ort authentischen Lebens. Sie werde deshalb zur Ersatzreligion, da die Religion offensichtlich nicht mehr gesellschaftlich angenommen wird. Deshalb vermittele die Psychotherapie mittlerweile Erfahrungen, die ursprünglich in der Religion und im Christentum zu Hause waren […]

Der Mensch benötige einen Raum, in dem nichts "exkommuniziert" werde und der in gewisser Weise vormoralisch sei. Dieser vormoralische Raum, der die Liturgie kennzeichne, sei durch die Doktrinalisierung und Objektivierung des Glaubens heimat- und ortlos geworden. Deshalb vermittle die Psychotherapie heute Erfahrungen, die früher die Religion vermittelt habe. Im vormoralischen Raum, was nicht bedeute, daß Religion keine moralische Kompetenz mehr haben solle, müsse wieder eine "unzensierte Lebenserlaubnis" möglich sein. Für die Pastoral bedeute dies, die "vorsprachliche Dimension" des Menschen wieder ernster zu nehmen als bisher. Da das Unbewußte des Menschen ein bedeutender Faktor sei, sollte die Pastoral Orte anbieten, an denen der Mensch "ganz" er selbst sein könne […]

denn gegenüber einer idealistischen Vorstellung von Ganzheit und Glück der Moderne sei das Menschenbild der Theologie viel realistischer. Menschliches Dasein stehe bei ihr unter dem Vorzeichen der Gebrochenheit menschlicher Existenz, die niemals aufzuheben sei. Leben sei bei ihr immer konflikthaftes und durchkreuztes Leben. In der Psychotherapie stehe der Konflikt für die Gebrochenheit des Menschen, in der christlichen Religion das Kreuz. Diese Gebrochenheit religiös oder psychotherapeutisch aufheben zu wollen, komme einer Illusion gleich, stellte Pater Funke zusammenfassend fest. Dies aufzuklären sei gleichermaßen die Aufgabe von Religion und Psychotherapie
- Religion und Gewalt bei den Kindern Abrahams (Wolf Schneider, 12.01.2015)
Die drei gewalttätigsten Religionen der Erde beziehen sich alle drei auf Stammvater Abraham, der dafür geehrt wird, dass er fast seinen eigenen Sohn abgemurkst hätte, weil ihm in einer Vision ein Phantom erschien, welches das verlangte. Kein Wunder, dass diese drei Religionen gewalttätig sind! Wir sollten lieber Väter und Mütter ehren, die ihren Kindern niemals sowas antun würden, egal welche Visionen sie haben.

Sonntag, 20. Dezember 2015

Erziehung: »Mythos Überforderung«

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Ballett, Judo, Yoga – viele Paare projizieren ihre eigenen Hobbies auf ihr Kind, aus dem sie kleine Super-Talente züchten wollen. Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff warnt davor und diagnostiziert bei den Eltern einen „Mythos Überforderung“

Diese Leichtigkeit, mit der die Tänzerin im Video über das Parkett schwebt, der Rhythmus, ihr Ausdruck. Ständig sehe ich Menschen im Internet, die singen, steppen, die Dinge können, die ich auch können möchte. Aber ich werde es nicht mehr schaffen. Nicht in diesem Leben. Neuerdings schiebt sich in diesen Momenten meine sechsjährige Tochter vor mein inneres Auge. Sie tanzt Ballett, wie ich es in diesem Leben nicht mehr lernen werde. Das Tutu sieht an ihr viel besser aus als an mir. Vielleicht lernt sie Gitarre? Yoga? Beginnend in diesem frühen Alter könnte aus ihr ein zweiter Swami Sivananda werden. Was ich mir nicht alles vorstellen kann, beim Winken dieser trügerischen Hoffnung: Könnte sie vielleicht das Talent, den Ehrgeiz, die Bauchmuskeln entwickeln, die ich nie haben werde?

mehr:
- Wenn Kinder die Träume ihrer Eltern verwirklichen sollen (Marie Amrhein, Cicero, 20.12.2015)
Aber da gibt es ja noch die Kinder, die es nach dem Willen vieler Eltern "einmal besser haben" sollen. Genauer lautet der Auftrag an die Kinder: Sie sollen es nicht besser haben, sondern sie sollen alles besser machen! So sind viele Kinder gleichzeitig auch Kinder der Verheißung, die ein schweres, eigentlich unerfüllbares Erbe mit auf den Lebensweg bekommen, an dem sie scheitern. (Überanstrengte Kinder der Versöhnung, Wolfgang Scherf, Zarte Sehnsucht, süßes Hoffen, S. 5, Word-Dokument, Download ganz unten auf der Seite)

Samstag, 19. Dezember 2015

Psychoanalyse und Politik: Das Unbehagen für kritische Aufklärung nutzen

Ein historischer Abriss über das ambivalente Verhältnis der Psychoanalytiker zu Gesellschaft und Politik 

Psychoanalyse hat, ob sie es will oder nicht, von vornherein mit Politik zu tun. Das weiß die Politik oft besser als die Psychoanalyse. So dulden Diktaturen nirgends auf der Welt Psychoanalyse, da sie ihr Verlangen nach gefügigen Untertanen gefährden könnte. Auch in Demokratien wirken sich politische Einflüsse restriktiv aus. Die Menschen sollen sich mit Sozialabbau, viele mit Arbeitslosigkeit, beschwerdenfrei zurechtfinden, die Umbrüche und Unverlässlichkeiten der modernen Ökonomie sollen sie mit robuster psychischer Flexibilität bewältigen. Wenn Jugendliche mit negativen Zukunftserwartungen nachweislich vermehrt psychosomatische Beschwerden äußern, so soll Psychotherapie helfen, diese Beschwerden wegzubringen. Diese selbst wird nach dem Druck des Kosten-Nutzen-Prinzips bewertet. Sie soll mit geringstem Zeitaufwand maximale Gesundheit produzieren, das heißt Unauffälligkeit und im arbeitsfähigen Alter hohe Leistungsfähigkeit. Der aus der Betriebswirtschaftslehre entlehnte Begriff der Effizienz ist das entscheidende Kriterium. Letztlich geht es um die Brauchbarkeit und die Handhabbarkeit des Menschen.
Psychoanalytiker können sich diesen Zwängen, wie sie es zum Teil auch tun, gefügig anpassen und die Bedeutung dieser Selbsteinschränkung verleugnen. Aber sie bezahlen solches Nachgeben insbesondere, wenn sie es nicht reflektieren, mit Einbußen an sozialer Potenz, an Kreativität sowie mit Rigidisierung ihrer eigenen Strukturen. Die Geschichte der Psychoanalyse stellt diese Problematik anschaulich dar: In der ersten Generation waren die Psychoanalytiker voller Entdeckungsfreude. Mit dem von Sigmund Freud revidierten Menschenbild drangen sie offensiv in viele gesellschaftliche Bereiche ein. Sie beeinflussten die Kindererziehung, die Schulpädagogik, die Heimpflege und die Kriminologie. In der Reformbewegung der Jugend setzte Siegfried Bernfeld entscheidende Akzente. Manche sahen in sozialistischen Projekten eine sinnvolle Ergänzung der individuellen Therapie.
mehr:
- Psychoanalyse und Politik: Das Unbehagen für kritische Aufklärung nutzen (Horst-Eberhard Richter, Ärzteblatt, Juni 2004, Hervorhebungen von mir)

siehe auch:
- Psychoanalyse als „Wissenschaft des Unbewussten“ im ersten Jahrhundert der IPA (Marianne Leuzinger-Bohleber, 2010, PDF)
- Ist Freud heute noch relevant? (Christine Dierks, scienceORF, 19.01.2006)
- Wie ich zur Psychoanalyse kam Von Bruno Bettelheim / Aus dem Essay-Band "Themen meines Lebens" (Bruno Bettelheim, SPON, 01.03.1990)
- Psychoanalyse, Marxismus, Sexualreform – Wilhelm Reichs Zeit in Berlin und der Weg zur Massenpsychologie des Faschismus (Andreas Peglau auf Bernd Senfs Seite, PDF)
- Die Angst vor George W. Bush und die Angst von George W. Bush (Thomas Auchter, Aachener Friedenspreismagazin, 2007, PDF, Hervorhebungen von mir)
Bush setzt sich an die Spitze der Bewegung gegen den Terror. Er erklärt sich zum Oberbefehlshaber der Kreuzritter gegen das Böse. Der erschreckte, verängstigte und verwundete Verlierer vom 11. September verwandelt sich kontraphobisch in einen scheinbar siegessicheren Kriegsherrn, der den Terrorismus der ganzen Welt bis in seine Wurzeln ausrotten will. Dabei ist dann im Laufe der Zeit immer weniger zu unterscheiden, gegen wen dieser Kampf eigentlich geführt wird, gegen den äußeren Schrecken (des Terrorismus, vor allem verkörpert in Osama bin Laden und später Saddam Hussein) oder gegen seine inneren Ängste? Der Hintergrund dieser, seiner persönlichen Ängste wird gleich aus meinen Ausführungen über Bushs Lebensgeschichte deutlicher werden. […]

In der Regierung Bush zählt nicht die Moral, „es zählt allein die Loyalität“, schreibt der französische Journalist Eric Laurent (2003, S. 204; Frank 2004, S. 69) - denn Solidarität und Loyalität reduzieren die Ängste des Präsidenten. „Faktisch die gesamte Regierungsmannschaft lebt anscheinend in einem geschlossenen und unantastbaren Universum“ (Laurent 2003, S. 204). „Es gibt keine Differenzierungen mehr, nur noch ‘pro’ oder ‘contra’“ (Laurent 2003, S. 205). „Ich glaube, daß wir uns in den USA in einer prätotalitären Situation befinden“, stellt der Schriftsteller Norman Mailer (2003, S. 100) fest. „Demokratie und Sicherheit sind nämlich Feinde“ (Mailer 2003, S. 101). Der französische Politikwissenschaftler Emmanuel Todd (2003, S. 32ff.) konstatiert einen „unaufhaltsamen und unglückverheißenden Weg: den der Oligarchie“ anstelle und unter dem Deckmäntelchen der Demokratie. Nämlich: „Daß das [amerikanische] Imperium von einer unanständig reichen Oberschicht abhängt“ (Mailer 2003, S. 65). Der amerikanische Politikwissenschaftler Chalmers Johnson (2003) spricht für den aktuellen Zustand vom „Selbstmord der amerikanischen Demokratie“, der Journalist Mark Hertsgaard (2002, 169ff.) von der „Tragödie der amerikanischen Demokratie“.

In West Point erklärt Präsident Bush am 1. Juni 2002, die USA hätten das Recht, jede Regierung zu stürzen, die eine Gefahr für ihre Sicherheit darstellen könnte. „Wir müssen... gegen die größten Bedrohungen bereits vorgehen, bevor sie entstehen“ (zit. n. Johnson 2003, S. 391; kursiv T.A.). Der „einzige Weg zu Frieden und Sicherheit ist der des aktiven Handelns“ (zit. n. Johnson 2003, S. 391), also Prävention. In der Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten vom 20. September 2002 heißt es in der Präambel: „daß es nur ein einziges dauerhaftes Modell für den Erfolg einer Nation gäbe“, nämlich das amerikanische, das „für alle Menschen in allen Gesellschaften richtig und wahrhaftig ist (zit. n. Johnson 2003, S. 392; kursiv T.A.). 5

Der amerikanische Politikwissenschaftler Chalmers Johnson (2003, S. 392) folgert daraus: „Durch ihre Vorgehensweise werden die USA gerade jene Gefahren heraufbeschwören, die sie angeblich bannen wollen“ (3).

mein Kommentar:
Ich kann ohne jede Übertreibung sagen, daß ich einen Patienten, der eine solche Äußerung mit einer solch absoluten Heils-Gewißheit (siehe die Zitate aus der Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten) tun würde, für zumindest präpsychotisch halten würde.


Mittwoch, 16. Dezember 2015

Homosexualität: »Lebensläufe wie meiner sollten sich nicht wiederholen.«

Sein Rücken schmerzt, das Gehen fällt ihm zunehmend schwer, Manfred Bruns bewegt sich nur noch mit vorsichtigen Schritten durch seine Wohnung. Vor dem Fenster liegt ein Buch über die richtige Art zu trauern, auf der Kommode stehen auf einer Häkeldecke Fotos seiner Enkelkinder. Rentneralltag in Karlsruhe.

Aber der frühere Bundesanwalt will sich nicht beschweren. "Ich habe ja das Glück gehabt, dass mein Leben auf das Ende hin immer besser geworden ist", sagt Bruns. Er wohnt jetzt seit 23 Jahren mit seinem Partner zusammen. "Es waren die glücklichsten Jahre meines Lebens." Und er hält gute Kontakte zu seiner Frau, die er vor mehr als 50 Jahren geheiratet hat - Anfang der Achtzigerjahre hat er ihr von seiner Homosexualität erzählt. "Ich habe ja auch noch das Glück, dass ich mit meiner Familie im besten Einvernehmen lebe."

Wer wen heiraten darf - oder eben nicht, diese Frage ist für Bruns zum Lebensthema geworden. Seit bald 30 Jahren kämpft er für die Rechte homosexueller Paare, damit sich Schicksale wie seines nicht in jeder Generation wiederholen: die Unsicherheit und die Ängste, die Verletzungen und Brüche, die er als Heranwachsender erlebte, als Familienvater und in seinem Job als Bundesanwalt.

mehr:
- Kampf für die Homo-Ehe "Das wollen wir auch" (Frank Hornig, SPON, 15.12.2015)

Verfolgung Homosexueller in Deutschland:

Veröffentlicht am 05.06.2014
05.06.2014 - 20 Jahre ist der Bundesanwalt Manfred Bruns mit einer Frau verheiratet, obwohl er schwul ist. Doch irgendwann hält Bruns es nicht mehr aus. Mit über 50 Jahren beginnt er ein neues Leben. 05.06.2014 - 20 Jahre ist der Bundesanwalt Manfred Bruns mit einer Frau verheiratet, obwohl er schwul ist. Doch irgendwann hält Bruns es nicht mehr aus. Mit über 50 Jahren beginnt er ein neues Leben. 05.06.2014 - 20 Jahre ist der Bundesanwalt Manfred Bruns mit einer Frau verheiratet, obwohl er schwul ist. Doch irgendwann hält Bruns es nicht mehr aus. Mit über 50 Jahren beginnt er ein neues Leben.
Verfolgung Homosexueller in Deutschland:
Verfolgung Homosexueller in Deutschland:
Verfolgung Homosexueller in Deutschland:

Multimediaspezial §175,
Fünf Jahre später rechtfertigte 1962 der unter Konrad Adenauer vorgelegte Regierungsentwurf eines Strafgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland[19] – entgegen dem Vorschlag der Großen Strafrechtskommission von 1959 (wo Vertreter von CDU/CSU selten anwesend waren)[20] – die Aufrechterhaltung des § 175 wie folgt:
„Vor allem stände auch für die Homosexuellen nichts im Wege, ihre nähere Umgebung durch Zusammenleben in eheähnlichen Verhältnissen zu belästigen.[21] […] Ausgeprägter als in anderen Bereichen hat die Rechtsordnung gegenüber der männlichen Homosexualität die Aufgabe, durch die sittenbildende Kraft des Strafgesetzes einen Damm gegen die Ausbreitung eines lasterhaften Treibens zu errichten, das, wenn es um sich griffe, eine schwere Gefahr für eine gesunde und natürliche Lebensordnung im Volke bedeuten würde.“[22]
und meinte weiterhin:
„Die von interessierten Kreisen in den letzten Jahrzehnten wiederholt aufgestellte Behauptung, dass es sich bei dem gleichgeschlechtlichen Verkehr um einen natürlichen und deshalb nicht anstößigen Trieb handele, kann nur als Zweckbehauptung zurückgewiesen werden. […] Wo die gleichgeschlechtliche Unzucht um sich gegriffen und großen Umfang angenommen hat, war die Entartung des Volkes und der Verfall seiner sittlichen Kraft die Folge.“[23] (§ 175, Entwicklung in der alten Bundesrepublik, Wikipedia)

Dienstag, 15. Dezember 2015

Stigma – das »Sahnehäubchen« auf dem Trauma

I had a reminder recently of the stigma facing those dealing with trauma related to childhood abuse. I have encountered this before of course, perhaps vicariously, during my 20 plus years in the trauma treatment trenches. As a psychologist specializing in treating trauma I am well aware that many people do not want to be reminded of the less than pleasant aspects of life. Even mentioning what I do for a living can get me interesting responses, or sometimes just shut down the conversation altogether.
mehr:
- Trauma Stigma: We Are Only As Sick As Our Secrets (Kathleen Young, DrKathleenYoung, 18.08.2009, Hervorhebungen von mir)
The pervasiveness of childhood trauma and its long lasting impact is the big secret and survivors who try to talk about their experiences are shamed and stigmatized. We want to view you as other, an anomaly, not the understandable consequence of a sick society.

My Twitter experience felt very much like a reaction to my telling the truth about these issues our culture wants to disavow. If I as a professional am impacted, imagine how much more so this stigma impacts survivors, I was reminded. The silencing, minimizing and blaming that can occur when a survivor tries to tell their story is a whole other level of traumatization.

This experience reminded me that visibility and conversation about trauma-related topics is crucial. It is why I see blogging and using social media to be an important part of my work as a trauma therapist. By speaking out about trauma and its impact I hope to support those who must live with it and to educate those who do not yet understand. […]
Realize that nature vs. nurture is a false dichotomy. Our environment (how we are nurtured) effects our brain chemistry. “Chemical imbalances” as the cause of psychological problems rarely exist in a vacuum.
siehe auch:
- EMDR - Ein Weg aus dem Trauma mit dem Primärziel der Belastungs-Senkung (Inzest und sexueller Missbrauch: UTUs Texte)

siehe auch:
- Stigmatisierung (Wikipedia)
Zur Stigmatisierung gedacht waren ursprünglich echte Leibesstrafen zum Zweck der öffentlichen Ächtung, wie bis in die Neuzeit hinein das Scheren der Haare (für Hurerei) oder des Bartes oder das Abschneiden der Ohren (für Ehrverlust), heute noch manchenorts im Rechtskreis der Scharia das Abschlagen einer Hand (für Diebstahl). In Frankreich wurden Galeerensträflinge oder Deportierte mit der französischen Lilie lebenslang gebrandmarkt. Ein bekanntes Beispiel des 20. Jahrhunderts war während der Zeit des Nationalsozialismus die Kennzeichnung von Häftlingen in mehreren Konzentrationslagern durch Eintätowierung einer Häftlingsnummer auf dem linken Arm.
Das soziale Stigma als Brandmal kennzeichnet somit ein Auffälligkeitsmerkmal, das als Ausdruck der Abwertung Einzelner oder von Gruppen Ursache und Folge sozialer Randständigkeit sein kann.
Daher sind in der Regel sogenannte Randgruppen betroffen, die gemeinsame, negativ bewertete Merkmale haben, durch die sie von anderen Mitgliedern der Gesellschaft unterschieden werden (siehe auch VorurteilKlischee). Daraus ergibt sich ein Teufelskreis: Randgruppen werden stigmatisiert, Stigmatisierung führt zu Ausgrenzung und Randgruppenbildung.
Patrick Stewart's Father Unknowingly Suffered From Shell Shock - Who Do You Think You Are [4:07]

Veröffentlicht am 10.02.2014
Patrick Stewart is presented with a newspaper article from the very newspaper he would be working for as a junior reporter 15 years later. The article explains his fathers return from Cherbourg of which he is titled 'Sergeant' Alfred Stewart. As well as his new rank Patrick soon learns about his father's acquired shell shock. This intrigues Patrick as to the impact shell shock might have had on his father's domestic life. 

Subscribe to the Who Do You Think You Are? channel for weekly updates and more: http://www.youtube.com/channel/UCC615...

siehe auch »Kriegszitterer« (Post vom 26.09.2012)

Sonntag, 13. Dezember 2015

Wozu brauchen wir eigentlich Führung?

Gute Frage. Denn aktuell sieht es rund um das Thema Führung in vielen Unternehmen nicht besonders rosig aus. "Mein Chef kotzt mich an.", "Mein Chef nervt!", "Der mischt sich immer und überall ein - obwohl er keine Ahnung hat.", "Der interessiert sich nur für seine eigenen Zahlen, nicht aber für meine Weiterbildung." Wollmilchsau hat hierzu einen provokativ guten Beitrag verfasst "Darf ich vorstellen: Unser Feelbad Manager." Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland fühlt sich durch seinen Chef mehr demotiviert als motiviert. Hier mal ein kurzer Podcast zum Thema. Besonders junge Leute stehen dem Thema Führung etwas skeptisch gegenüber: sie wollen sich nicht führen lassen und haben selbst auch keine Lust auf Führung (zumindest wird uns das recht häufig nachgesagt). Statt uns dafür zu verurteilen, ist es doch viel spannender, zu verstehen, was sich hinter dieser Skepsis möglicherweise verbirgt.
mehr:
- Wozu brauchen wir eigentlich Führung? (Steffi Burkhart, Huffington Post, 26.06.2014)

Generation Y trifft Handel und Industrie [16:02]

Veröffentlicht am 10.03.2015
Key-Note von Steffi Burkhart zu den Ansprüchen der Generation Y an die Arbeitswelt auf der Verleihung des Wissenschaftspreises 2015 von EHI Stiftung und GS1 Germany
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GEDANKENtanken: Dr. Steffi Burkhart mit "Generation Y – Moderne Ansprüche an die Arbeitswelt" [24:03]

Veröffentlicht am 11.08.2014
Wer auch mal bei unseren Events & Rednernächten dabei sein will, wir touren deutschlandweit! Alle Termine, Infos & Tickets hier: http://www.gedankentanken.com/events

Wie die neue Generation wirkich tickt, welche Potenziale in ihr stecken, welche Forderungen sie an Arbeitswelt und Führung stellt und wie Sie sie ans Unternehmen binden und langfristig halten können, erklärt Steffi Burkhart uns genau. Sie ist Seminarentwicklerin und Akademie-Leiterin bei GEDANKENtanken, erfolgreiche Autorin und Bloggerin, u.a. Projekt “Generation Why – How we see the world” und Gastbloggerin bei Huffington Post Deutschland.  http://www.generation-why.org
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Die GEDANKENtanken-Experten gehören zu den besten Ihres Fachs und bieten Ihnen praktisches, aktuelles und wichtiges Wissen, Ideen und Impulse zu den Themen Gedächtnistraining, Führung, Psychologie, Vertrieb, Kreativität, Motivation, Kommunikation, und vieles mehr. Das alles unterhaltsam präsentiert, damit Sie gerne dazulernen und garantiert Erfolg haben.

Und um die vielen spannenden Themen zu vertiefen, können Sie Ihr Wissen bei unserer online Akademie erweitern: http://www.gedankentanken.com/akademie/
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NEU: Werden Sie selbst Trainer! Ab Oktober 2014 im einsemestrigen Studiengang zum Management Trainer: http://www.gedankentanken.com/akademi...

siehe auch:
- Beitrag 55: Menschen brauchen Führung (Alexander von Lützow, Siemann Personalentwicklung, Datum unbekannt)
- Brauchen wir Führung? Gespräche mit Menschen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst, Kirche, Sport und Militär (Rolf van Dick, Goethe-Universität Frankfurt, 2013, PDF)
- Warum wir weder “Erziehung” noch “Führung” brauchen … (Martin Bartonitz, Faszination Mensch, 19.02.2015)
- Die 6 größten Illusionen, die uns in der Matrix gefangen halten (Martin Bartonitz, Faszination Mensch, 11.04.2015)

Samstag, 12. Dezember 2015

Kindern helfen, die am Leben verzweifeln

Lena sitzt mit dem Rücken zur Tür, schaut reglos aus dem Fenster. Draußen grauer Novemberbrei. Ihre Arme hängen schlapp herunter, wenn man sie anspricht, reagiert sie nicht, Kopfhörer stecken in ihren Ohrmuscheln. Sie hat noch nichts gesagt, aber ihre Düsterkeit wirkt niederdrückend, als entweiche allen Gegenständen in ihrer Nähe die Farbe. Wann genau es angefangen hat, weiß sie nicht mehr. Vor zwei, drei Jahren dachte sie zum ersten Mal daran, sich umzubringen, malte sich aus, wie sie sich tötet. Erzählt hat sie es niemandem, bis sie solche Kopfschmerzen bekam, dass ihre Eltern sie zum Arzt brachten. Die Ärzte glaubten an einen Hirntumor, aber sie konnten nichts finden. Als alle körperlichen Ursachen ausgeschlossen waren, blieb nur noch die Seele. Lena ging das erste Mal zum Psychologen. Mit 15.

Die Gespräche halfen ihr, aber sie dachte weiter darüber nach, wie sie sich das Leben nehmen könnte. Und sie kotzte nach jedem Essen, um schlank zu bleiben. An einem Mittwoch im Oktober vor einem Jahr sah ihr Vater den Fettfilm in der Toilette, der zurückbleibt, nachdem man sich übergeben hat. "Lena, willst du tot sein?", fragte er seine Tochter. "Ja", antwortete Lena. Ihre Therapeutin hatte ihr geraten, sie solle einen Stein auf den Tisch legen, wenn es nicht mehr gehe. Der Stein als Sinnbild für das In-sich-verschlossen-Sein. Lena hätte das nie getan, also legte ihr Vater den Stein für sie auf den Tisch und brachte sie in die Jugendpsychiatrie nach Eberswalde, Brandenburg. An jenem Mittwoch um 18.15 Uhr kommt Lena auf die Akutstation J2 des Martin Gropius Krankenhauses. Sie hat sich die Uhrzeit gemerkt, als Markierung einer neuen Zeitrechnung, der Eintritt in die Jugendpsychiatrie.

Von außen betrachtet, erscheint bei Lena alles gut: Sie geht auf ein Gymnasium, ist hübsch, ihre Eltern arbeiten als Beamte im gehobenen Dienst. Sie haben sie nicht vernachlässigt oder geschlagen, sie kümmern sich um sie. "In die Klapper wollte ich nie", sagt Lena. Und nun hockt sie im November 2014 in der Jugendpsychiatrie auf ihrem Bett, roter PVC-Boden, die gelben Wände sind kahl, sie kann keine Bilder aufhängen, alles, was spitz ist, ist verboten – Nägel, Stecknadeln, Reißzwecken. Sie trägt die dunklen Haare hochgesteckt, enge Hosen, ihre langen Fingernägel sind orange lackiert. Ein Teenager in der Pubertät. Auf Fragen antwortet sie höflich, doch ihr Blick bleibt abwesend, als laufe in ihren Gedanken ein ganz anderes Programm.

mehr:
- Jugendpsychiatrie – Heile Welt (Jana Simon, ZEIT-Magazin, 11.12.2015)
Von außen betrachtet, erscheint bei Lena alles gut: Sie geht auf ein Gymnasium, ist hübsch, ihre Eltern arbeiten als Beamte im gehobenen Dienst. Sie haben sie nicht vernachlässigt oder geschlagen, sie kümmern sich um sie. […] Und Lena fragt sich nun jeden Tag: "Was stimmt nur nicht mit mir?" […] Die Jugendlichen sprechen am Tisch kaum miteinander. Die gesammelte Traurigkeit legt sich wie ein Schatten auf die Brust, nimmt den Atem. Wenn man Lena und die anderen fragt, wie es ihnen geht, antworten trotzdem alle: "Gut!" […] Lena sagt: "Ich fühle mich hier beschützt vor allem." Drinnen, wie sie die Jugendpsychiatrie nennt, denke sie nicht so oft an Selbstmord. Draußen, sagt sie, erdrückten die Eltern sie mit ihrer Liebe. […] Jedes Wochenende fährt Lena nach Hause. Der Sonnabend fängt gut an, aber am Sonntag sehnt sie sich zurück in die Klinik. Sie kann dann nicht aufhören, daran zu denken, wie sie sich etwas antut, sitzt fest im Gedankensumpf, fügt sich selbst Schmerz zu. Wenn Lena vom Ritzen erzählt, verändert sich ihre Körpersprache. Sie richtet sich auf, ihre Stimme wird weich, klingt verzückt: "Das ist ein unglaublich schönes Gefühl, dieses warme Blut auf deiner Haut. Früher tat es weh, aber für einen Moment nimmt es dir so viel Last."
 mein Kommentar:
Last? Welche Last? Wo sollte es in einer Familie, in der sich das Kind durch die elterliche Liebe erdrückt fühlt, eine Last geben? Hört denn keiner zu? 



Freitag, 11. Dezember 2015

Von der Kunst, zerstreut zu sein

Wenn von den angeblich bedrohlichen Auswirkungen durch Massenmedien, Digitalisierung und Internet die Rede ist, dann geht es oft um die fehlende Balance zwischen Aufmerksamkeit und Zerstreuung. Die Flut an unterschiedlichen Informationen, die auf uns einstürmen, die Hyperlink-Struktur, die uns schnell von einem zum nächsten klicken lässt, zerstöre unsere Fähigkeit, aufmerksam zu sein, heißt es dann, und bald könne niemand mehr längere Texte lesen. Wir werden immer zerstreuter.
mehr:
- Von der Kunst, zerstreut zu sein (Christian Möller, Buchvorstellung, Deutschlandfunk, 29.03.2014)

Donnerstag, 10. Dezember 2015

Rosemarys Schicksal

Nicht einmal das FBI wusste, wo sie ist: Ein französischer Journalist hat sich auf die Suche gemacht - und das Leben der behinderten Schwester von John F. Kennedy minutiös rekonstruiert.
Es ist um die Mittagszeit an einem sonnigen Herbsttag 1975 in Chicago, als der Reporter Peter Nolan einen Hinweis erhält: Rosemary Kennedy wird vermisst. Die geistig behinderte Schwester des ermordeten Präsidenten JFK ist nach dem sonntäglichen Kirchgang verschwunden, ihre jüngere Schwester Eunice hat es soeben der Polizei gemeldet.

Nolan springt mit einem Kameramann aus dem Büro, in der Hoffnung ein paar Aufnahmen mit Seltenheitswert zu drehen, seit Jahrzehnten hat niemand mehr Rosemary gesehen. Fünf Stunden lang suchen die Polizei und der Reporter, jeder für sich, die Vermisste. Nolan wird sie als Erster entdecken: an der Ecke Monroe Street und Michigan Avenue, vor einem Schaufenster. Der Reporter hat kaum Zeit, Bilder zu machen, denn wenig später sind Polizisten zur Stelle und nehmen Rosemary mit.

Von seiner Begegnung mit Rosemary Kennedy hat Nolan dem französischen Journalisten Pierre Pratabuy erzählt. Fasziniert von der Geschichte hatte sich Pratabuy 2005, nach Rosemarys Tod, auf Spurensuche gemacht, Zeugen kontaktiert und Archive aufgesucht. Minutiös hat er das Leben der Kennedy-Schwester rekonstruiert und jetzt für die französische Kulturzeitschrift XXI aufgeschrieben - und dabei einige überraschende Details ans Licht gebracht.

mehr:
- Die verschwundene Kennedy-Schwester – Das Mädchen Rosemary (Jeanne Rubner, Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010)


Dienstag, 8. Dezember 2015

Nietzsches Kindheit

Frühe Kindheit (NietzscheSpuren)
Friedrich Nietzsche. Lebensstationen in Mitteldeutschland (1) – 1844-1849: Kindheit in Röcken (Klaus Horn, Perspictuitas)
Der junge Nietzsche ( Helmut Walther (Nürnberg), überarbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages vom 08.05.2002 vor der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg)
Der Vater wird als sehr begabt und pflichtbewußt geschildert; auch war er sehr musikalisch und spielte ausgezeichnet Klavier, insbesondere in freier Improvisation; dieses Erbteil hat sein Sohn offenbar von ihm mitbekommen, der den Vater schon als einjähriges Kind bewußt am Klavier hörte, was ihm zeitlebens unvergeßlich blieb. Die Mutter Franziska, die gerade noch mit Puppen gespielt hatte, soll ein "Wildfang" und dabei sehr hübsch gewesen sein – so hatte sie den bereits gesetzten und etwas förmlichen, in familiäre und berufliche Pflichten eingebundenen Karl Ludwig sogleich unwiderstehlich angezogen. […] schildert der Vater in einem Brief 1846 (Friedrich war also gerade mal zwei Jahre alt!): "Bruder Fritz ist ein wilder Knabe, den manchmal allein der Papa noch zur Raison bringt, sintemalen von diesem die Ruthe nicht fern ist; allein jetzt hilft ein Anderer mächtiger miterziehen, denn das ist der liebe heilige Christ, welcher auch bei dem kleinen Fritz schon Kopf und Herz ganz eingenommen hat, daß er von nichts Anderem sprechen und hören will als vom >heile Kist!<"(11)
Nach dem Tod des Vaters 1849 und des jüngeren Bruders Ludwig Joseph (1848–1850) zog die Familie nach Naumburg. Der spätere Justizrat Bernhard Dächsel wurde formal zum Vormund der Geschwister Friedrich und Elisabeth bestellt. Von 1850 bis 1856 lebte Nietzsche im „Naumburger Frauenhaushalt“, das heißt zusammen mit Mutter, Schwester, Großmutter, zwei unverheirateten Tanten väterlicherseits und dem Dienstmädchen.  [Friedrich Nietzsche, Jugend (1844–1869), Wikipedia], Wikipedia-Absatz zur Aufrechterhaltung des zeitlichen Ablaufs von mir eingefügt]
[der Doktor] ... hatte ein gr. Pläsier an dem kräftigen Knaben, als er aber nach den Jahren noch nicht sprechen konnte, sagte ich so beiläufig einmal zu ihm ‚nur daß er noch nicht sprechen will‘, darauf sagte er ‚ja sie geben zu sehr auf seine Zeichen acht wie er seinem Willen ausdruck giebt‘ u. so that ich dies von da an nicht mehr." ... "Kurz die Biographie ist ‚Wahrheit u. Dichtung‘".(8) Die Schwester schildert ihn jedenfalls als "sehr leidenschaftlich, was er aber später nicht gern hörte, da er der Nietzsche’schen Familientradition gemäß sich früh zu beherrschen lernte."(9) Nun, diese "Selbstbeherrschung" fällt nicht vom Himmel; im Pfarrhaus gab es verschiedene "Beruhigungsmittel" für das leidenschaftliche, aber noch "sprachlose" Kind: Schrie es aus unbestimmten Gründen, wurde der Vater zum "Musikmachen" gebeten, und sogleich wurde "Fritzchen mäuschenstill, setzte sich aufrecht in seinem kleinen Wagen und verwandte kein Auge von dem Spielenden."(10)

Schleichender Irrsinn (SPIEGEL, 11.07.1983)
Nietzsches Krankheit: Genie und Wahnsinn (Deutsches Ärzteblatt, 11.06.2008)
Berühmte psychisch kranke Persönlichkeiten (Kompetenznetz Schizophrenie, 16.04.2013)
Genie, Irrsinn und Ruhm, Band 7 – Die Philosophen und Denker (Lange-Eichbaum, Kurth, gekürzt, f-nietzsche.de)
Störung der Explikation (2. Wurzel) (aus Moldzio, Schizophrenie, eine philosophische Erkrankung?, S. 132, googlebooks)
Wissen und Bewältigung – Grundkurs Psychose (Lampert, Psychiatrie-Dienste Süd, PDF-Version einer PowerPoint-Präsentation)

Nietzsches Kindheit 1/3: Die Bösen sind die Guten (Alice Miller) [10:25]

Veröffentlicht am 22.07.2015

Nietzsches Kindheit - wie lebte Friedrich Nietzsche, was waren seine prägenden Einflüsse? Psychoanalyse eines Genies - Lebenslinien und Werkvergleich

Philosophie konkret: Nietzsche und die Psychoanalyse - Hat Alice Miller Recht? [11:13]

Veröffentlicht am 24.07.2015
Philosophin Claudia Simone Dorchain über Alices Millers Versuch, Nietzsches Werk "Der Antichrist" in psychoanalytischer Manier aus prägenden Erlebnissen seiner frühen Kindheit abzuleiten.

Dorchain ist der Ansicht, dass die Psychoanalyse zu ehrgeizig und grundlos zu selbstgewiss ist im Verkünden vermeintlicher Herleitungen von Werkinhalten aus biographischen Lebenslinien. Nietzsches Werk sei keinesfalls auf frühkindliche Prägungen zurückzuführen im Sinn einer Erklärung desselben.

Nietzsches Hass auf Theologen und das Christentum im Allgemeinen sei mehr als eine zornige Reflektion seiner frühen Lebensbedingungen, sei auch ein Hass auf alles, was er als "Unnatur" empfindet. Seine Frage lautet: warum definiert sein Zeitalter, das späte 19. Jahrhundert, soviel Unnatur - Heuchelei, Doppelmoral, Verleugnung des Körpers, Prüderie - als guten Ton?

Als einen Urheber der gesellschaftlichen Heuchelei entlarve Nietzsche das Christentum, insbesondere in seiner asketisch-bigotten Form ausgelegt. Doch seine Religionskritik ginge weiter als Institutionenkritik, er verstünde sich als Zerstörer im Geiste eines aufgeklärten Humanismus - und zuletzt sei Nietzsche stets größer als seine Interpretatoren, insbesondere die psychoanalytischen.
x
mein Kommentar: 
Hergottnochmal, was soll denn dieses überhöhende Geschwurbel: zuletzt sei Nietzsche stets größer als seine Interpetatoren? Wird das von irgendjemandem infrage gestellt?

Sonntag, 6. Dezember 2015

Mikropausen – immer wieder dem Fokus von der Außenwelt zurückziehen und zu sich selbst zurückkommen

Wer vor lauter Aktivismus nicht mehr zur Ruhe kommt, leistet sich und seinem Unternehmeneinen Bärendienst. Wer hingegen während der Arbeit immer wieder kurz den Mut zum Nichtstun aufbringt, lebt gesünder und ist innovativer. Das belegen Untersuchungen zum Nutzen von Mikropausen.

Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) aus dem Jahre 2000 verliert die Schweizer Wirtschaft jährlich 4,2 Milliarden Franken aufgrund negativer Auswirkungen von Stress am Arbeitsplatz. Dieser Betrag dürfte heute – bedingt durch Krise, Teuerung und nochmals angestiegenem Leistungsdruck – noch um einiges höher liegen. Die im Zusammenhang mit Stress am Arbeitsplatzhäufig genannten „Stressoren“ sind eine schlechte Arbeitsorganisation, der zunehmende Leistungsdruck und Druck durch Arbeitskollegen oder Vorgesetzte. Weniger Beachtung findet die Tatsache, dass viele Menschen heute auch ohne unmittelbaren äusseren Druck gestresst sind und nicht mehr „abschalten“ können. Sie leben unter dem unausgesprochenen Diktat, dauernd aktiv sein zu müssen und erlauben sich keine Pausen mehr.

mehr:
- Mit Mikropausen entspannter durch den Arbeitstag (Claude Weill, Interview online, März 2011)

siehe auch:

- Mit Mikropausen zum ausgeglichenen Büro-Alltag (Alex Haemmerli, Bürowelten, 05.07.2013)
- Mikropausen: Kraft und Freude im Alltag (Karima Stockmann, Lebensfreude heute-Botschaften, 04.08.2014)
- Pausenkultur entwickeln – Erholungsoasen pflegen (Ole Petersen, Quevita, 2015)
- Pausen erhöhen die Produktivität (Stefan Reinsprecht, Ergonomie am Arbeitsplatz, 20.08.2014)
- Time Out Break Reminder Tool (dejal, kostenlos)
- Mit Mikropausen entspannter lernen und unterrichten (Claude Weill, Weiterbildungstage BBZ, MBZ, Juli 2012, Beufsschule Mode und Gestaltung Zürich, PDF)

siehe auch:
Forschung zur Metta-Meditation (Post, 04.12.2015)
One-Moment Meditation (Post, 18.09.2012)
Reddemann-Tips zur Ausbildung von Resilienz (Post, 22.09.2009)
- Kontemplation für geschäftige Leute (Netzwerk achtsame Wirtschaft)

siehe aber auch:
- Die Neoliberalisierung der Universität (Post, 24.08.2016, beachte vor allem den Vortrag von Klaus Ottomeyer) und
- Das neoliberale Narrativ: Wir sind verkehrt! (Post, 05.10.2016)



mein Kommentar:
Wenn jemand in diesen Übungen keinen Sinn sieht, sieht er halt keinen Sinn drin…
Was soll eine Ruhepause von 15 Sekunden für einen Sinn machen?
Deshalb: kein Druck, kein Problem, wenn sich jemand damit nicht anfreunden kann, dann ist halt noch nicht die Zeit gekommen…